Wie gelingt es Managern, produktives Teamwork im Homeoffice zu schaffen? Erkenntnisse aus der Behavioral Science helfen, die Teamarbeit im virtuellen Raum zu verbessern, schreibt Torben Emmerling für finews.ch.
Mitarbeit: Alessandro F. Paul
Die Einführung von neuen Arbeitsmodellen auf dem Schweizer Finanzplatz stellt Managerinnen und Manager vor grosse Herausforderungen. In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage gaben 22 Prozent der Befragten aus der Banken- und Versicherungsbranche an, im Homeoffice unproduktiver geworden zu sein. Weiter beklagen viele Kollaborationsschwierigkeiten und Probleme, an benötigte Informationen zu gelangen.
Torben Emmerling, Gründer und CEO Affective Advisory
Diese Herausforderungen sind auch in einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien dokumentiert. So zeigen Vergleiche, in «Virtual Rooms» getroffene Entscheidungen schlechtere Ergebnisse bringen als Entscheidungen in «Boardrooms». Gleichwohl können Teams von der neuen Ausgangsposition profitieren auch profitieren, wenn gewisse Anpassungen vorgenommen werden.
Behavioral Science, zeigt wo angesetzt werden kann
Insbesondere die Einsichten aus der Behavioral Science bieten grosses Potenzial, sowohl Investmententscheidungen als auch Teamentscheidungen schnell und signifikant zu verbessern. Aus umfassenden Forschungs- und Projektarbeiten können dabei drei Kernbereiche identifiziert werden, in denen angesetzt werden muss: Bei der Teamstruktur, beim Entscheidungsprozess und bei Verantwortungsteilung.
- Wie baue ich ein schlagkräftiges Team im Homeoffice auf?
1. Zusammenstellung der Mitglieder ist entscheidend
Wie bei einer Komposition eines stimmigen Soundtracks, gilt es für wichtige Entscheidungen die richtige Expertise zusammenzustellen. Diverse Studien zu Gruppendynamiken haben festgestellt, dass insbesondere Teams, deren Mitglieder von ähnlichen Erfahrungen geprägt sind, mehr zu Groupthink tendieren. Dies kann sich besonders bei komplexen Aufgaben, bei denen auch ein kreativer Ideenwettbewerb vonnöten ist, problematisch auswirken. Hier schneiden diverse Teams, deren Mitglieder unterschiedliche Ansichten vertreten, oft besser ab. Bei klar strukturierten und repetitiven Aufgaben, zum Beispiel in Kontrollprozessen, erreichen homogene Teams häufig bessere Ergebnisse. Achten Sie bei der Gruppenzusammenstellung daher zunächst auf den Aufgabentyp und stellen dann das dafür beste Team zusammen.
2. Klein und fein, vor allem im virtuellen Raum
Grundsätzlich fördert eine zunehmende Grösse und Diversität einer Gruppe deren Ideenvielfalt. Verschiedene Studien belegen jedoch, dass grössere Teams in Entscheidungssituationen schneller zu Confirmation Bias neigen; sie bewerten Informationen stärker im Sinne bereits bestehender Überzeugungen. Teamchefs können diesem Trend entgegenwirken, indem sie für eine Entscheidung die Teamgrösse auf drei bis fünf Personen beschränken. Im virtuellen Management bietet eine kleinere Gruppengrösse zudem den Vorteil, mehr Raum für individuelle Meinungsäusserungen zu schaffen.
- Wie gestalte ich einen Entscheidungsprozess?
1. Anonyme Ideenmeritokratie
Um die Ideenvielfalt zu fördern und zu gewährleisten, dass Ideen unabhängig von politischen Agenden bewertet werden, sollten Teamchefs Meinungen zunächst einzeln und anonym einzuholen. Vor Beginn eines Meetings können Vorschläge und Ideen in einem offenen Dokument anonym festgehalten und geteilt werden. Anschliessend sollten die vorgeschlagenen Ideen unabhängig diskutiert und bewertet werden. Dieser iterative Prozess stellt sicher, dass Beiträge nach ihrer Qualität bewertet werden und nicht danach, wer sie vorgeschlagen hat.
2. Kritische Diskurse aktiv fördern
Eine weitere effektive Strategie um unerwünschter Meinungskonformität entgegenzuwirken, ist die Ernennung eines strategischen Dissidenten, um den kritischen Diskurs zu fördern. Der sogenannte Devil’s Advocate wird beauftragt, stets gegen den Gruppenkonsens zu argumentieren und getroffene Annahmen und Positionen kritisch zu hinterfragen. Die Forschung zeigt, dass diese gezielte Herausforderungsstrategie die Gruppe in einem Entscheidungsfindungsprozess zu erheblich mehr Reflektion animiert und damit zu besseren Teamentscheidungen führen kann.
- Verantwortung teilen
1. Psychologische Sicherheit schaffen
Damit Mitarbeiter sich aktiv an Diskussionen beteiligen, müssen sie sich sicher fühlen. Führungskräfte können aktiv dazu beitragen, einen «Safe Space» für neue Ideen zu schaffen: Erstens müssen Führungskräfte anerkennen, dass im Projektverlauf unvorhergesehene Hürden auftreten können und sie darum als Lernerfahrungen anstelle von Umsetzungsproblemen positionieren. Sie sollten zweitens ihre eigenen Entscheidungen von anderen validieren lassen und ein Feedback einfordern. Drittens ist es wichtig, dass eine Führungskraft regelmässig konkrete und möglichst diverse Fragen stellt.
2. Verantwortung verteilen und aktivieren
Die für ein Projekt verantwortliche Person hat oftmals einen überproportionalen Einfluss auf den Ausgang von Entscheidungen. Dies kann den konstruktiven Diskurs behindern und Gruppenmitglieder unbewusst dazu verleiten, eine passive Rolle einzunehmen. Um dem entgegenzuwirken, sollte das Verantwortungsgefühl aller Beteiligten für getroffene Entscheidungen geweckt werden. Dies kann beispielsweise durch eine gemeinsame Verantwortungserklärung für den Teamprozess und dessen Ergebnis zu Projektstart erreicht werden. Eine zusätzliche Methode Verantwortung zu aktivieren, ist es, jedem Gruppenmitglied eine klare Rolle in Meetings zuzuweisen.
Natürlich garantieren diese Strategien noch keinen perfekten Teamentscheid im virtuellen Raum. Sie dienen jedoch als solide Grundlage, sich mit aktuellen Entscheidungs- und Kommunikationsstrukturen zu befassen. Die Behavioral Science zeigt, dass bereits kleine Verbesserungen über die Zeit zu bedeutenden Effizienzgewinnen führen.
Torben Emmerling ist Verhaltenswissenschafter, Gründer und Managing Partner von Affective Advisory sowie Autor des D.R.I.V.E.® Frameworks für wissenschaftliche Strategie- und Politikansätze. Er ist Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Global Association of Applied Behavioral Scientists (GAABS), Dozent, Referent und HBR-publizierter Autor für Verhaltensökonomie, Entscheidungswissenschaften und Konsumentenpsychologie.
Co-Autor Alessandro F. Paul ist Verhaltenswissenschafter und Consultant bei Affective Advisory. Er ist Co-Autor mehrerer verhaltenswissenschaftlicher Publikationen zu den Themen politischer Polarisierung, finanziellen Entscheidungen und evidenzbasierter Politik, darunter zwei Kapitel im Referenzwerk «Behavioral Insights for Public Policy» (Ruggeri, 2018).