Das Warten darauf, dass in der Schweiz die Restaurants wieder öffnen, dauert an. Und man darf gespannt sein, ob die Covid-Krise auch in den Zürcher Banker-Lokalen so viel ausgelöst hat wie im Eleven Madison Park in New York.
Der Schreibende muss lange überlegen, wann er das letzte Mal in einem Restaurant gespiesen hat. Irgendwann im Dezember letzten Jahres muss es gewesen sein – wohl in einem der Lokale in der Zürcher Innenstadt zum Lunch.
In den USA ist dank der überraschenden Geschwindigkeit der Durchimpfung die Covid-19-Krise praktisch vorüber – und in New York gehen die Restaurants wieder auf.
Hierzulande ist ein solcher Öffnungsschritt noch in relativ weiter Ferne. Immerhin, draussen darf man nun speisen und sich je nach Witterung mit einer Fliessdecke warm halten.
Die Welt hat sich verändert
Das Leben soll wieder seinen gewohnten Gang nehmen, wünscht sich die Schweiz. Doch mit Blick auf New York und einen der angesagtesten und dekoriertesten Köche, den Schweizer Daniel Humm, zeigt sich auch eine andere Seite dieser seit einem Jahr andauernden Krise: Dass die Welt sich verändert hat – und die Menschen mit ihr.
Mehr und mehr sickert nämlich die Einsicht durch, dass diese Gesundheitskrise möglicherweise eng mit dem bisherigen, verschwenderischen und rücksichtslosen Lebensstil der Konsumgesellschaft verknüpft ist – rücksichtslos gegenüber der eigenen Gesundheit, dem eigenen Wohlbefinden und rücksichtslos gegenüber einer Umwelt, die als reine Ressourcen-Lieferantin dient und ausgebeutet wird.
Ein neues Konzept für das EMP
Der inzwischen 44-jährige Humm hat diesbezüglich bereits umgedacht – schon zu Beginn der Covid-19-Krise, wie auch finews.ch berichtete. Humm, der Drei-Sterne-Michelin-Koch, hatte sein in New York berühmtes Restaurant Eleven Madison Park (EMP) in eine Gassenküche verwandelt – einerseits um bedürftigen New Yorkern zu helfen, andererseits, um wenigstens einem Teil der EMP-Belegschaft ein Auskommen bieten zu können.
Nun öffnet Humm das EMP wieder, das Datum ist für den kommenden 10. Juni gesetzt. Die Erfahrungen in der Pandemie seien ein bewegendes Kapitel in seinem Leben gewesen. Und dies fliesse in das neue Konzept von EMP ein.
Nahrungsmittelsystem ist schlicht nicht nachhaltig
Man stelle sich vor: Die Kronenhalle oder das Orsini, zwei der bei Zürcher Bankern beliebtesten Restaurants, würden nur noch vegane Gerichte, plant-based, servieren. Undenkbar? Nicht für Humm. Das EMP, Treffpunkt für Wall-Street-Haie, Reiche und Schöne, die in diesem Restaurant der Superlative die legendäre mit Honig glasierte Ente, den in Butter gedünsteten Hummer oder die Quarktorte mit Kaviar gespiesen haben, werden künftig nur noch vegane Menus essen können.
Humm schreibt auf der EMP-Webseite, es sei im Zuge der Covid-19-Krise immer klarer geworden, dass das gegenwärtige Nahrungsmittelsystem schlicht nicht nachhaltig sei – in vielerlei Hinsicht.
Keine Fleisch-Rezepte mehr
Es ist eine kleine Revolution, die sich allerdings angekündigt hat: Die «klassischen» Top-Restaurants dieser Welt – oder nur schon in Zürich – scheinen ohne Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte nicht auskommen zu kommen.
Das EMP bricht eine Lanze, zusammen mit anderen Vorreitern. So hat Epicurious, eine der führenden Food-Webseiten, kürzlich angekündigt, keine Rezepte mehr zu veröffentlichen, die Rindfleisch enthalten.
Humm will keine Menus mehr anbieten, die tierische Proteine enthalten. Stattdessen werde jedes Gericht pflanzenbasiert sein, von der Erde und aus dem Meer, sei es aus Früchten oder Gemüse, Pilzen, Getreidearten und mehr, schreibt er.
Trends kamen und kommen immer noch aus New York
Seine Mühen und die seiner Küchenbrigaden sollen einem Gast rund 335 Dollar wert ein – soviel kostet das Probier-Menu.
Die Trends dieser Welt kommen nun mal aus den USA und die trendigste Stadt ist und bleibt New York. Auch nach Corona. Der Schweizer Koch Humm liefert den Beweis. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die trendigsten Restaurants in Zürich und anderswo das Züri Gschnetzlete, das Chateaubriand oder das Wiener Schnitzel auf Basis von pflanzlichen Proteinen servieren werden.