Der Mensch ist darauf geeicht, eine Situation schnell zu erfassen und entsprechend zu reagieren. Das eigene Denken zu verlangsamen, bringt in der modernen Welt allerdings viele Vorteile, wie ein sehr lesenswertes Buch zeigt.
«Die Intuition steht dem klaren Denken im Weg.»
Dieses Zitat stammt vom Nobelpreisträger Daniel Kahneman (Bild unten), der als Wissenschaftler die Grundlage für die Erkenntnis gelegt hat, dass der Mensch sich nicht im ökonomischen Sinn rational verhält. Zusammen mit seinem Kollegen Amos Tversky widerlegte er die Annahme, dass Menschen unter allen Umständen ihren eigenen Nutzen maximieren.
Direkt nützlich
Damit revolutionierten die beiden Psychologen die Wirtschaftswissenschaften und legten die Grundlage für die sogenannte Verhaltensökonomie – welche unseren Alltag nicht nur in Form der «unsichtbaren Hand» der Märkte beeinflusst, sondern immer wieder direkt nützlich sein kann.
Aus diesem Grund ist Kahnemans populärwissenschaftliches Buch «Thinking, Fast and Slow» die erste Empfehlung von finews.life. Sei es bei der kritischen Analyse der eigenen Denke oder in einer Verhandlungssituation: Die Erkenntnisse des israelischen Professors haben direkten Einfluss auf die Resultate.
Falsches Resultat
Das wichtigste Grundprinzip ist die Erkenntnis, dass sich der Mensch meist doch auf seine Intuition verlässt, auch wenn wir wissen, dass diese häufig das falsche Resultat produziert. Im selben Podcast , aus welchem das Zitat ganz oben stammt, räumte Kahneman ein, dass er selber auch nach jahrzehntelanger Forschung zum Thema weiterhin in dieselben Fallen tappt.
Kahneman unterscheidet zwei Denksysteme, welche beide ihren Nutzen haben. Das intuitive, schnelle und emotionale System 1 hilft uns, indem wir viele Dinge auf Autopilot machen können. Nur deshalb sind wir in der Lage, beim Autofahren ein Gespräch mit dem Beifahrer zu führen.
Anstrengendes Unterfangen
Wenn wir aktiv denken, sind wir im System 2. Die Suche nach einem Gegenstand, eine schwierige Rechenaufgabe, das Einparken in eine schmale Parklücke fallen in diesen Bereich.
(Bild: Flickr / Buster Benson)
Es wäre ein hoffnungsloses – und anstrengendes – Unterfangen, immer im analytischen System 2 zu denken. Doch schon das Bewusstsein über dessen Existenz könnte uns davor bewahren, unter der Führung von System 1 vermeidbare Denkfehler zu machen.
Glaubwürdigkeit dank Kahneman
So fällt es nur zu leicht, auf Geschichten – oder Zeitungsartikel – zurückzugreifen, die uns im Gedächtnis geblieben sind, unabhängig von der tatsächlichen Häufigkeit der beschriebenen Ereignisse. Damit werden wir zum Opfer der Verfügbarkeitsheuristik, anstatt uns bei Entscheidungen auf Daten zu stützen.
Wer sich dieser allgemein gültigen Tendenz bewusst ist, der kann voreilige Entscheidungen eher verhindern, seien es die eigenen oder solche im Team – wo der Verweis auf Kahneman möglicherweise für zusätzliche Glaubwürdigkeit sorgen kann, wenn man den Kollegen eine lieb gewonnene Idee ausreden muss.
Gut verhandelt
Aus dem schnellen Denken anderer Leute lässt sich auch Profit schlagen. Bei einer Verhandlung lohnt es sich demnach immer, das erste Angebot abzugeben.
Falls es die Gegenseite versäumt hat, ihre eigenen Forderungen oder ihr höchstes Angebot davor festzulegen, kann man so tendenziell für ein besseres Resultat sorgen: Auch wenn die gestellte Maximalforderung beim Lohn abgelehnt wird, freut sich der Arbeitgeber, gut verhandelt zu haben – obwohl er eigentlich ein tieferes Salär hätte bieten wollen.