Ungebremst steigende Kosten drohen das Schweizer Gesundheitssystem je länger je mehr zu überfordern. Was die Finanzbranche gegen diesen Moloch tun kann, fördert eine Studie zutage.
In den letzten Jahrzehnten sind die Gesundheitsausgaben in der Schweiz stark gestiegen und verschlingen Unsummen. Mit monatlichen Kosten von über 1'000 Franken liegen sie hinter Wohnen und Steuern inzwischen an dritter Stelle in den Haushaltsbudgets.
Aufgrund dieses substanziellen Anstiegs ist nicht verwunderlich, dass die Rufe zur Senkung der Gesundheitskosten in der Schweiz immer lauter werden. Solange allerdings ein Teil der Eingriffe bei Patienten unnötig ist und die Stimmbevölkerung an der Urne für eine freie Arztwahl votiert oder gegen Spital-Schliessungen opponiert, dürfte wenig passieren.
Ungezügelter Ausbau
Auch aus weniger beeinflussbaren Gründen ist eine spürbare Reduktion der Kosten nicht realistisch. Zum einen hält der medizinische Fortschritt an. Zum andern wird die Gesellschaft in der Schweiz immer älter, weil die geburtenstarken Jahrgänge zunehmend ins Pensionsalter kommen.
Wie kann in einer solchen Situation eine hochstehende Versorgung des arbeitsintensiven Gesundheitswesens erhalten bleiben und nachhaltig finanziert werden? Dazu hat die Zuger Beratungs-Boutique Advea Entrepreneurial Advisory (Advea) eine für die Finanzdienstleister bedenkenswerte Untersuchungen gemacht.
Aussergewöhnlich viele Selbstzahler
Darin ist nicht nur festgehalten, dass private Haushalte über Krankenkassenprämien und Selbstzahlungen gegenwärtig den Grossteil der medizinischen Leistungen direkt finanzieren. Der Anteil der Selbstzahler nimmt mit steigendem Alter sogar noch zu, betonen die Autoren.
Im internationalen Vergleich ist die Schweiz damit eine Ausnahmeerscheinung und wird nur von Südkorea übertroffen. Bei den staatlich finanzierten Gesundheitsausgaben stellt das Land gemäss Berechnungen der OECD gar das das Schlusslicht aller Länder dar. Dies liegt laut Advea vor allem am politisch gewollten hohen Anteil der privaten Finanzierung von Pflegedienstleistungen.
Lücken selbst für Gutverdiener
Die Finanzierung der Grundversicherung, die bereits ein recht üppiges Leistungspaket abdeckt, scheint dank Lohnwachstum und Prämienverbilligung zwar gesichert. Angesichts stark steigender Behandlungskosten im Alter und der Tarifstruktur vieler Zusatzversicherungen tun sich hingegen selbst für gutverdienende Haushalte Lücken auf, rechnen die Autoren vor.
Die Zahl der Selbstzahler wird deshalb nach Ansicht der Advea-Experten künftig weiter zunehmen. Hier kommt die Finanzbranche ins Spiel.
Eine Million neue Kunden
Wie aus der Studie hervorgeht, kann langfristig rund eine Million der Schweizer Bevölkerung für eine Optimierung der Versicherungsdeckung unter Einbezug von Anlagelösungen gewonnen werden. Mit einer solchen kapitalgestützten Gesundheitsvorsorge könne das Schweizer Gesundheitswesen entlastet und eigenverantwortlicher Umgang mit der eigenen Gesundheit gefördert werden.
Folgt man den Advea-Experten, entsteht daraus für Banken ein adressierbares Anlagevolumen von rund 30 Milliarden Franken.
Neuartige Bankprodukte
Die Bankprodukte müssen allerdings den Besonderheiten des «Gesundheitssparens» gerecht werden. So beträgt der Anlagehorizont gemäss Advea selbst für frisch pensionierte Kunden an sich noch über 10 Jahre, weil die Mehrheit der Kosten für Krankheit und Pflege in den letzten Lebensjahren anfällt.
Das Anlage- und Risikoprofil müsse hingegen flexibel an den Gesundheitszustand angepasst und zweckfremde Entnahmen eingeschränkt werden. Ausserdem sollten die Produktgestaltung sowie die Kundenbetreuung im Zusammenspiel mit Spitalgruppen oder anderen Leistungserbringern erbracht werden.
Überzeugungsarbeit für Versicherer
Die Versicherer könnten ihrerseits den Markt für Flex-Produkte in etwa verdoppeln und ein Prämienvolumen von jährlich über 350 Millionen Franken erschliessen, schätzen die Autoren.
Dafür muss die individuelle Gesundheitsplanung allerdings noch besser in den Köpfen der Leute verankert werden. Denn: Bisher betragen die Versicherungskosten für Autos, Ferien oder Uhren häufig noch ein Vielfaches der Auslagen zum Schutz der Gesundheit.