Die Finanzbranche hat sich Diversität auf die Fahne geschrieben. Doch auf dem Weg nach oben sind Selbstzweifel offenbar ein steter Begleiter von Frauen, wie eine neue Studie zeigt.
Auch Michelle Obama, einst «First Lady» im Weissen Haus in Washington, ist dagegen nicht gefeit. «Ich leide immer noch unter dem Imposter-Sydnrom. Es geht einfach nicht weg – aber es kann gezähmt werden», sagte die Ehefrau des früheren US-Präsidenten Barack Obama schon über sich selber.
Wie sich zeigt, ist das Syndrom – zu Deutsch lässt sich Imposter mit «Hochstapler» oder «Schwindler» übersetzen – oftmals ein steter Begleiter von Frauen auf dem Karriereweg nach oben.
Alles nur Glück?
Zu diesem Befund kommt jedenfalls eine Studie von Fitch Learning, einem Ausbildungs-Angebot der bekannten gleichnamigen Rating-Agentur. Der Report ist aus Gesprächen mit Finanzfrauen entstanden, die im Schnitt mehr als zehn Jahre Berufserfahrung mitbringen und damit jener Generation angehören, die in der Branche nun durch die Ränge in die Höhe strebt.
Dass die Studie nur auf Frauen fokussiert, ist bedenkenswert: Wissenschaftliche Erhebungen deuten zumindest darauf hin, dass sie öfter als Männer an sich selber zweifeln – oder dies ganz einfach eher zugeben. Zudem ist das Konzept selber nicht unumstritten, wie die «Harvard Business Review» festhält.
Zu reden gibt die Thematik aber auf jeden Fall. In der Stichprobe von Fitch kamen 92 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen zum Schluss, dass sie am Imposter-Sydnrom leiden. Immerhin 45 Prozent hegten gar den Verdacht, dass sie ihre Erfolge gar nicht verdienten und ihre Karriere vor allem glücklicher Fügungen zu verdanken hätten.
Nicht nur im Beruf belastend
Dieser Verdacht ist typisch für das Hochstapler-Syndrom: Nagende Selbstzweifel und Unsicherheiten, die sich nicht nur auf das Berufsleben erstrecken, sondern sich auch belastend auf Beziehungen oder im Familienleben auswirken können.
Ursprung dieser Zweifel sind der eigene Charakter und frühere Erfahrungen, aber auch ganz einfach die Tendenz, der Meinung anderer zu viel Bedeutung zuzumessen. Der Report nennt dazu folgende Anzeichen:
- Das alles überschattende Gefühl, den eigenen Erfolg nicht verdient zu haben.
- Die Angst, als Hochstaplerin entlarvt und blossgestellt zu werden. Perfiderweise ist diese Furcht umso grösser, je mehr Erfolg einem zuteil wird – und je höher damit der Leistungsdruck wird, unter den Frau (und Mann) sich selber setzt.
- Der Fokus auf Kritik und negative Kommentare von anderen, anstatt auf Komplimente und positives Feedback.
- Auch wenn einem Zeugnisse Talent, Intelligenz und Kreativität attestieren, nicht wirklich daran zu glauben.
- Sich generell viel zu gut vorzubereiten.
Der Stress und die bremsende Wirkung können beträchtlich sein, wenn das Syndrom die Oberhand gewinnt. Ein bisschen Bammel und Lampenfieber vor wichtigen Auftritten ist hingegen durchaus nützlich, um den eigenen Fokus zu schärfen. Es kommt also auf die Balance an. Der Report nennt denn auch folgende Tipps, dank denen eine Blockade verhindert werden soll:
- Den eigenen Erfolg messen. Indem das Erreichte niedergeschrieben und festgehalten wird, lässt sich dem schwer greifbaren Zweifel mit Fakten begegnen.
- Sich selber treu bleiben. Gemeint ist, sich nicht aufgrund von Selbstzweifeln zu verbiegen und in aufgesetzte Rollen zu schlüpfen. Wer sich ständig verstellt, verliert das Vertrauen der Menschen im Umfeld.
- Sich anderen öffnen. Laut Fitch Learning hatte jede zweite Umfrageteilnehmerin das Gefühl, mit ihren Selbstzweifeln alleine zu sein. Im Berufsalltag kann das Gefühl etwa mit Vorgesetzten besprochen und dessen Bekämpfung als persönliches Ziel definiert werden.
- Und vor allem: aufhören, obsessiv zu sinnieren, was andere von einem denken könnten.