In der Nachhaltigkeitsszene wird die Elektromobilität kontrovers diskutiert. Immer noch gibt es viele offene Fragen. Trotzdem ist sie ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Von Ursula Finsterwald, Group Sustainability Managerin bei LGT

Über den gesamten Lebenszyklus betrachtet – von der Rohstoffgewinnung über den Kraftstoffverbrauch bis zur Verschrottung oder zum Recycling eines Autos – muss und kann die ökologische Bilanz von Elektromobilität noch massgeblich verbessert werden. Bei der Gewinnung der Rohstoffe und der Herstellung der Batterien wird die Umwelt genauso wie bei der Herstellung von Diesel und Benzin stark verschmutzt.

Dass diese Probleme gelöst werden müssen, steht ausser Frage. Ebenso klar ist jedoch, dass fossile Treibstoffe durch eine neue, schadstoffarme und CO2-neutrale Antriebstechnologie ersetzt werden müssen, weil das massgeblich zum Klimaschutz beiträgt.

CO2-neutraler Fahrspass

Umweltverschmutzung bei der Rohstoffgewinnung hat die Elektromobilität als solche und die Rennserie Formel E im Besonderen bis dato auch nicht lösen können. Trotzdem begeistert mich die Formel E, weil es um visionäres Denken und das Testen innovativer Technologien geht, die CO2-neutralen Fahrspass bringen.

Die Batterien der Elektro-Boliden werden über Generatoren, die mit Glyzerin angetrieben werden, geladen. Glyzerin ist ein Nebenerzeugnis aus der Herstellung von Biodiesel und damit CO2-neutral. Es ersetzt fossilen Treibstoff als Kraftstoff, erhöht die Effizienz und reduziert Schadstoffe wie Stickoxide (NOx) und Feinstaubpartikel um mehr als 90 Prozent.

Das zweite Formel-E-Rennen der Saison 2016/17 fand in Marrakesch statt; zeitgleich mit der Klimakonferenz der UNO. Die Staatengemeinschaft hat in Marrakesch nochmals bekräftigt, die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius zu beschränken und den Klimawandel zu stoppen. Die UNO-Mitgliedsstaaten haben in der so genannten «Partnership for Global Climate Action» festgehalten, dass bereits vor 2020 Klimaschutzmassnahmen ergriffen werden müssen, um das ambitionierte Ziel von Paris zu erreichen. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, gilt das Paris-Abkommen doch erst ab 2020.

Weg von fossiler Mobilität

Um das propagierte Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, müssen wir von fossilen Treibstoffen wegkommen und sie durch neue Antriebstechnologien ersetzen. Ob es eine Rennserie wie die Formel E benötigt, um auf dieses Thema aufmerksam zu machen, darüber lässt sich genauso trefflich streiten wie darüber, ob und wie nachhaltig die Formel E ist. Fakt ist jedoch: Autorennen sind hoch emotionale Happenings – und diese helfen, die Elektromobilität in der breiten Gesellschaft zu verankern.

Ausserdem zeigen sie, dass wir auf den Fahrspass nicht verzichten müssen. Für viele nimmt der Fahrspass sogar zu, weil ein Elektrofahrzeug beispielsweise schon vom Start weg ein höheres Drehmoment hat. Und nicht zuletzt kommen auch die Tüftler nicht zu kurz.

Schliesslich werden bei der Elektro-Rennserie die Antriebstechnologien laufend weiter entwickelt, um sie noch effizienter zu machen. Die in Elektroboliden eingebaute Technik und das Know-how fliessen auch in die Automobilindustrie ein.

Jetzt beginnen endlich auch alteingesessene Automobilfirmen, sich verstärkt mit der neuen Technik zu befassen und Innovationen im Bereich der Elektro-Antriebe zu fördern. Aber auch die Politik macht Druck: Der deutsche Bundesrat will die EU-Kommission auffordern «die bisherigen Steuer- und Abgabenpraktiken der Mitgliedsstaaten auf ihre Wirksamkeit hinsichtlich der Förderung emissionsfreier Mobilität auszuwerten (...), damit spätestens ab dem Jahr 2030 unionsweit nur noch emissionsfreie Pkw zugelassen werden.»

Das kommt einem Paradigmawechsel gleich! Norwegens Regierung möchte bereits ab dem Jahr 2025 keine neuen Verbrennungsmotoren mehr zulassen; schon heute sind 15 Prozent der neu zugelassenen Personenwagen elektrisch angetrieben. Die Automobilindustrie bekundet Mühe mit einem solchen Vorgehen; doch manchmal führt nur eine staatliche Vorschrift zu einem notwendigen Paradigmenwechsel – in diesem Fall zum Schutz der Umwelt, des Klimas und damit letztlich auch des Menschen.

Die Rennserie Formel E kann hier unterstützend und aufklärend wirken. Denn dank dem geringen Lärmpegel und der geringen Umweltbelastung können die Rennen in Innenstädten stattfinden. Die Boliden kommen sozusagen direkt zu den Leuten, sie werden fassbar und die E-Mobilität wird zum Thema der gesamten Gesellschaft. Doch Staus und Verkehrschaos kann auch die Elektromobilität nicht lösen. Der Individualverkehr wächst nach wie vor, und zwar weltweit. 2015 wurden rund 69 Millionen Personenwagen weltweit produziert – so viele wie noch nie zuvor.

Eine neue Art von Mobilität

Daher wird «smart mobility» weit über die Entwicklung von neuen Antriebstechnologien hinausgehen müssen. Das wird unser Mobilitätsverhalten in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Die Schweizerische Bundesbahnen (SBB) haben diesen Herbst zusammen mit BMW, Mobility Car Sharing und PubliBike ein sogenanntes SBB-Green-Class-Angebot herausgebracht.

Es verbindet Produkte und Dienstleistungen für Pendler, Privat- und Geschäftsreisende, damit sie flexibel und nachhaltig von Tür zu Tür unterwegs sein können. Das Angebot umfasst zum Pauschalpreis von jährlich 12'200 Schweizer Franken ein Erste-Klasse-Generalabonnement, einen BMW i3, Park & Ride an einem Bahnhof in der Nähe des Wohnorts sowie je ein Abonnement von Mobility Carsharing und für Verleihvelos in den Städten.

Die in dieser ersten Pilotphase zur Verfügung gestellten 100 Abonnemente wurden den SBB richtiggehend aus der Hand gerissen – womit niemand gerechnet hatte. Das zeigt, dass die Menschen bereit sind für einen Paradigmenwechsel. Allerdings mangelt es noch an guten Angeboten.

Die Wende schaffen

Ich bin aber zuversichtlich, dass wir die Wende schaffen. Die LGT achtet bereits in ihrer Investmentstrategie, dass sie in Zukunftstechnologien investiert. Auch als Unternehmen wollen wir unseren Beitrag zum erklärten Ziel leisten, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken. Unseren Mitarbeitenden stellen wir unter anderem E-Zapfsäulen zur Verfügung, die zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie aus unseren Photovoltaik-Anlagen gespiesen werden.

Das Sponsoring des Formel-E-Teams ABT Schaeffler Audi Sport gibt uns immer wieder die Möglichkeit, unsere Mitarbeitenden und die interessierte Öffentlichkeit für das Thema Nachhaltigkeit und Innovation zu sensibilisieren – zum Beispiel mit Videos zum Thema.