Einige sehr vermögende Anlegerinnen und Anleger scheinen den Schlüssel zum erfolgreichen Investieren zu besitzen. Der Leiter UHNWI Europa bei der LGT weiss, was man von ihnen lernen kann.


Herr Petrachi, sehr vermögende Privatpersonen, sogenannte Ultra-High-Net-Worth-Individuals (UHNWIs), verfügen je nach Definition über mehr als 20 Millionen Franken Anlagevermögen. Investieren sie anders als «gewöhnliche» Reiche?

Die Frage, wie Milliardäre investieren, wird mir oft auch von Kundinnen und Kunden gestellt. Sie glauben, dass diese eine Art Erfolgsrezept haben müssen. Meine Antwort lautet dann jeweils: Es kommt darauf an.

Worauf?

Es gibt bei den UHNWIs verschiedene Subsegmente, die sich im Anlageverhalten stark unterscheiden. Ein für uns wichtiges Subsegment sind beispielsweise die Family Offices. Zu diesem Segment erscheinen jeweils pünktlich zum Frühjahr verschiedene Studien, worin unter anderem auch das Anlageverhalten untersucht wird.

Wir haben mehrere dieser Studien ausgewertet und dabei etwas Interessantes festgestellt: Viele Family Offices, insbesondere die grösseren und professionell ausgerichteten, sind in der Tendenz sehr ähnlich investiert wie unsere Eigentümerin, die Fürstenfamilie von Liechtenstein.

Das deckt sich auch mit unseren eigenen Erfahrungen, die wir mit dieser Kundengruppe machen.

Und wie investiert die Fürstenfamilie?

Der von der LGT verwaltete Endowment Fund, wir nennen es das Fürstliche Portfolio, ist überdurchschnittlich in Privatmärkte wie Private Equity oder Private Credit sowie andere alternative Anlagen wie Hedgefonds investiert und nur mit einem vergleichsweise kleinen Teil in Anleihen und anderen Festzinsinstrumenten.

Diese Übereinstimmung ist bemerkenswert. Allerdings gibt es eine wichtige Abweichung zwischen dem Fürstlichen Portfolio und den untersuchten Family Offices, und zwar beim Real-Estate-Anteil. Diesen hat die Familie bewusst auf drei Prozent limitiert.

Hierzu gibt es aber eine einfache Erklärung: Die non-bankable Assets der Fürstenfamilie umfassen bereits einen sehr grossen Immobilienbestand.

Privatmärkte sind in der Regel wenig liquide. Werden diese grossen Family Offices tatsächlich mit der vielzitierten Illiquiditäts-Prämie entschädigt?

Auch hierzu gibt es mehrere Studien. Diese zeigen in der Tendenz: Je grösser das Anlagevermögen, desto mehr wird in Privatmärkte investiert und desto höher fallen auch die Renditen aus. Man sieht es aber auch an den Marktindizes: Vergleicht man beispielsweise Private Equity mit dem MSCI-World, also dem wichtigsten weltweiten Aktienindex, dann betrug die Mehrrendite über die letzten 25 Jahre zwischen drei bis vier Prozent pro Jahr.

Das ist ein Durchschnittswert. Noch stärker profitieren kann, wer wie die LGT über den begehrten Zugang zu den führenden Private-Equity-Managern verfügt.

Sie haben andere UHNWI-Subsegmente erwähnt. Was fällt bei deren Anlagen auf?

Ein spannendes Subsegment sind die Entrepreneurs, noch aktive, aber auch ehemalige, die ihr Unternehmen schon verkauft haben. Gerade wer sein Unternehmen vor kurzem verkauft hat, muss seine finanzielle Situation in der Regel ganz neu organisieren.

Viele gehen dabei sehr professionell vor, diversifizieren ganz bewusst, auch zwischen verschiedenen Banken, denen sie je nach spezifischen Stärken gezielte Mandate verteilen. Auch ein eigenes Family Office oder ein philanthropisches Engagement können dann zum Thema werden.

Es gibt aber auch andere Unternehmer, die sehr vertraut mit ihrer Branche und den Unternehmen dieser Branche sind und dann dazu tendieren, Klumpenrisiken einzugehen. Sie investieren schwergewichtig wieder in ähnliche Unternehmen, meist im Heimmarkt, den sie am besten kennen.

Vielleicht tätigen sie sogar Direktinvestments im Venture-Bereich. Oft überschreiten sie ihr Risikobudget auf diese Weise massiv, ohne dass sie sich dessen bewusst sind.

Was raten Sie in diesen Fällen?

Am wichtigsten ist eine vernünftige Diversifikation, nicht nur geografisch und zwischen verschiedenen Anlageklassen, sondern auch innerhalb einer Anlageklasse. Wer beispielsweise Direktinvestments in Venture-Unternehmen tätigt, kann diese Investments mit Private-Equity-Fonds diversifizieren, die sich bezüglich Anlagestil und Geografie von den Direktinvestments des Portfolios unterscheiden.

Wir raten immer auch, gerade im Hinblick auf die Nachfolgegeneration, einen Teil des Vermögens zu separieren, also eine Art «Safety Bucket» zu öffnen, und diesen Teil konservativ anzulegen.

Nachhaltigkeit ist ein Megatrend im Anlagegeschäft. Welche Rolle spielt diese bei den UHNWI?

Auch hier unterscheiden sich die Subsegmente: Für Stiftungen, öffentlich-rechtliche aber auch viele private, spielt Nachhaltigkeit, also die Beachtung der ESG-Kriterien und insbesondere der CO2-Fussabdruck des Portfolios eine grosse Rolle.

Natürlich schauen auch professionelle Family Offices auf die ESG-Kriterien, bei ihnen stehen aber eher Risikoüberlegungen im Fokus, das heisst sie möchten primär die Risiken vermeiden, die aus der Nicht-Beachtung von ESG resultieren können.

Das bedeutet nicht, dass sie kein Interesse an positiven sozialen und ökologischen Wirkungen haben, sie suchen diese aber eher über sogenannte Impact Investments an den Privatmärkten oder sie beteiligen sich an Stewardship-Aktivitäten.

Sind UHNWIs in der Regel aktive Investoren?

Das hängt von der Professionalität ab. Ich beobachte oft, dass sogenannte independently Wealthy, also UHNWIs, die weder ein Unternehmen noch ein Family Office besitzen und häufig ihr Vermögen nicht selbst geschaffen, sondern geerbt haben, viel Zeit in die Titelselektion investieren – obwohl diese gemäss empirischen Studien nur einen geringen Beitrag an die Gesamtperformance leistet.

Viele professionelle Family Offices hingegen separieren ihr Gesamtportfolio bewusst in einen Alpha- und einen Beta-Anteil. Den Beta-Teil investieren sie in effiziente Märkte, die liquide sind und von Analysten stark abgedeckt werden. Solche Märkte replizieren sie in der Regel mit kostengünstigen ETFs.

Für weniger effiziente Märkte setzen sie dann eher auf aktive Instrumente, die eine sogenannte Skillprämie versprechen. Dieses Vorgehen ist sinnvoll und empfiehlt sich eigentlich für alle Anlegerinnen und Anleger. Nachhaltig orientierte Stiftungen, die bestimmte Branchen oder Unternehmen aus ihrem Anlageuniversum ausschliessen möchten, setzen eher selten passive Instrumente ein, da sie hier keine Ausschlussmöglichkeiten haben.

Welche Investment-Expertise bringen UHNWIs selbst mit und welche suchen sie bei ihrem Bankpartner?

Das hängt direkt von der Grösse ab. Ein independently Wealthy hat vielleicht einen externen Berater, der ihn beim Investieren berät und unterstützt. Dieser wird aber kaum Zugang zu den notwendigen umfassenden Datensätzen für ein professionelles Portfolio Management haben – also Daten zu Performance, Volatilitäten und Korrelationen von Märkten und einzelnen Instrumenten.

Hierfür braucht es normalerweise einen professionellen Bankpartner, der beispielsweise die strategische Asset Allocation eines Portfolios analysieren und optimieren kann. Das gleiche gilt für die meisten Stiftungen. Grosse Family Offices haben hingegen meist einen eigenen Chief Investment Officer und verfügen auch über die notwendige Infrastruktur.

Mit diesen Voraussetzungen benötigen sie unsere Expertise zwar nicht direkt, sind aber trotzdem im Sinn einer Zweitmeinung (Second Opinion) an einem Austausch mit unseren Expertinnen und Experten interessiert. Oft geht es dabei um den gegenseitigen Vergleich der sogenannten Capital Market Assumptions, also um die langfristigen Rendite- und Volatilitätserwartungen bei Aktien, Zinsen und Währungen als Basis für die strategische Asset Allocation.

Abgesehen von der Investment-Expertise: Was muss eine Bank mitbringen, um sich bei UHNWIs erfolgreich zu positionieren?

Ich glaube, wichtig ist ein breiter, holistischer Ansatz. Dies umfasst beispielsweise die Expertise im Bereich Family-Governance, in Fragen der internationalen Vermögensstrukturierung oder zu philanthropischen Fragestellungen. Ganz wichtig sind auch Capabilities und der Zugang zu Netzwerken in Privatmärkten.

Darüber hinaus muss man sich als Unternehmen authentisch differenzieren können. Für die LGT ist es sehr hilfreich, dass unsere Eigentümerfamilie einen starken unternehmerischen Background hat und unsere Kundinnen und Kunden in die gleichen Anlagelösungen investieren können wie die Eigentümerin.

Last but not least suchen UHNWIs top-ausgebildete und erfahrene Ansprechpartnerinnen und -partner, die mit ihnen auf Augenhöhe sind und ihnen fachlich auch mal die Stirn bieten können.

Mit einem Anteil von über 50 Prozent hat die LGT als klassische Privatbank eine überdurchschnittliche UHNWI-Penetration. Wie beurteilen Sie die Zukunft dieses Segments bei der LGT?

Ich bin sehr zuversichtlich. Der Markt wächst immer noch, nicht zuletzt wegen der überdurchschnittlichen Anlageperformance von UHNWIs. Gleichzeitig ist der Markt sehr fragmentiert. Wenn man es also gut macht und für dieses Kundensegment eine glaubwürdige Value Proposition hat, ist das Potenzial riesig.

Gleichzeitig gilt: Auch wenn wir im UHNWI-Segment weiterhin wachsen wollen, bleibt für uns die Balance zwischen den UHNWIs und unseren HNWI- Kundinnen und Kunden wichtig. Diese Segmente alimentieren und ergänzen sich gegenseitig.


Riccardo Petrachi ist seit 2016 bei der LGT Bank Schweiz als Leiter der UHNWI Solution Partners und seit 2021 als Leiter des UHNWI Europa bei LGT Private Banking tätig. Nach Stationen im Investmentbanking, unter anderem bei Goldman Sachs in New York, London und Zürich, arbeitete er in führenden Positionen im Private Banking der UBS sowie als Leiter des Private Banking bei der Rothschild Bank in Zürich.