Banken wickeln den Transfer zwischen Krypto-Börsen und ihrer eigenen Fiatgeld-Welt ab. Aber sie gehören zunehmend auch zu den Krypto-Verwahrern. Das macht AML-Compliance zur Herausforderung.
Von Heike Jennewein (CAMS), Principal Business Solutions Manager Fraud & Compliance, SAS
Die einschlägigen KYC- bzw. KYT (Know Your Transaction)-Risk-Ratings für Krypto-Börsen zu integrieren, ist nur ein erster Schritt. Erst mit künstlicher Intelligenz (KI) kann Geldwäscheprävention künftig wirklich funktionieren. Der Bitcoin und andere virtuelle Währungen haben 2022 dramatische Kursverluste hinnehmen müssen.
Ist die Zeit dieser virtuellen Währungen also schon wieder vorbei? Keineswegs: Alle grossen Institute wollen an diesem Geschäft teilhaben. Die rote Flagge dabei: Geldwäscherei. Deshalb steigt der Handlungsdruck, technisch, methodisch und prozessual für Compliance zu sorgen.
Banken müssen neben der strategischen Entscheidung pro Krypto eine Entscheidung pro Analytik und KI in der Geldwäschebekämpfung treffen. Warum?
Faktor 1: Banken wollen am Krypto-Geschäft teilhaben
Banken wollen ins Krypto-Geschäft einsteigen – nicht zuletzt, weil sie glauben, einsteigen zu müssen, um Kunden halten zu können. Sie möchten damit unter anderem demonstrieren, dass sie aktuelle Trends aufnehmen, also am Puls der Zeit agieren. Und sie wollen Kunden, die nach Krypto-Assets fragen, nicht zum Wettbewerb schicken müssen.
Schweizer Banken hatten sich bei dem Thema bisher sehr zurückhaltend gezeigt. Das hat sich geändert: Mehr als die Hälfte der Banken gab im jüngsten EY-Bankenbarometer an, innerhalb der nächsten drei Jahre ein Angebot zur Investition in Krypto-Anlagen zu lancieren.
Faktor 2: Die organisierte Geldwäsche hat die Krypto-Welt längst für sich entdeckt – einschliesslich Sanktionsumgehungen
Der kriminelle und anonyme Handel von illegalen Waren und Dienstleistungen in Darknet-Märkten (DNMs) blüht. DNMs sind ein wesentlicher Bestandteil des Ökosystems böswilliger Akteure, die Krypto-Assets nutzen. In Verbindung mit Darknet-Märkten machen sie zwar nur einen kleinen Anteil davon aus – 1,2 Prozent der Bitcoin-Wallets –, der gesellschaftliche Schaden dagegen ist erheblich.
Wie gross das Volumen der Geldwäsche via Krypto-Börsen heute ist, darüber gibt es nur unzuverlässige Schätzungen. Ein Chainalysis-Bericht hat ergeben, dass im Jahr 2021 insgesamt 8,6 Milliarden Dollar über Krypto-Währungen gewaschen wurden.
Das bedeutet einen Anstieg um 25 Prozent gegenüber dem Jahr 2020 und nähert sich damit wieder dem bisherigen Höchststand von 2019 an. Ein weiterer Indikator ist zum Beispiel die Entwicklung der Krypto-Guthaben seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine.
Nach dem 24. Februar 2022 ist die Anzahl der sogenannten «Whales» (Wallets mit Guthaben von mehr als 1'000 Bitcoin, also im zweistelligen Millionen-Dollar-Bereich) um rund 30 Prozent angestiegen. Das lässt vermuten, dass hier vermehrt Gelder getauscht wurden.
Denn es ist anzunehmen, dass diese Gelder irgendwo auf der Welt – zumindest teilweise – wieder ausgezahlt werden.
Faktor 3: Auch Schweizer Banken sind indirekt in Krypto-Transfers involviert – ob sie wollen oder nicht
Fakt ist: Schon heute führen Schweizer Banken regelmässig Transfers zwischen Fiatgeld-Konten und den Fiatgeld-Konten sogenannter Krypto-Börsen durch – ob wissentlich oder, im schlechteren Fall, unwissentlich und auch, ohne selbst Verwahrer zu sein.
Krypto-Börsen vollziehen den Umtausch von Fiat- in Krypto-Währung. Von dem Fiatgeld-Konto der Krypto-Börse respektive des VASP (Virtual Asset Service Provider) landet der so angewiesene Euro-Betrag letztendlich als Krypto-Währung auf der Krypto-Wallet der Kundschaft.
Damit verlässt es erst einmal den Fiat-Kreislauf – und kann potenziell ganz ungestört in der Krypto-Welt gewaschen werden. Gleichermassen wird auf diesem Weg das gewaschene Geld auch wieder aus der Krypto-Welt in die Fiat-Welt übertragen.
Diese initialen Transfers sind üblicherweise ganz simple IBAN-Überweisungen und als solche nicht per se beachtenswert. Das Problem dabei ist, dass nicht immer erkenntlich ist – oder es sogar aktiv verschleiert wird –, ob es sich beim Empfänger um eine «gute» oder um eine eher risikobehaftete Krypto-Börse handelt.
Faktor 4: Die Aufsicht hat Krypto-Währungen bereits im Fokus
Kenneth A. Blanco, Direktor der US-Bundesbehörde FinCEN, liess schon 2020 keinen Zweifel daran, dass Aufsichtsbehörden weltweit hellhörig werden, wenn Banken unter die Krypto-Verwahrer gehen: «Banken müssen sich der Risiken, die Krypto-Währungen mit sich bringen, bewusst sein. Dies sind Bereiche, nach denen Prüfer sie fragen werden, wenn sie die Effektivität ihres AML-Programms bewerten.»
Einen spezifischen Regulierungsrahmen auf EU-Ebene gab es über solche nationalen Rechtsvorschriften hinaus bisher nicht. Jetzt haben sich das EU-Parlament, die EU-Kommission und der Europäische Rat auf den Text der MiCA (Markets in Crypto Assets) geeinigt.
Die EU bringt Krypto-Assets, Krypto-Asset-Emittenten und Krypto-Asset-Dienstleister erstmals in einen regulatorischen Rahmen.
Faktor 5: Zu KYC kommt KYT
Banken sind seit Jahren verpflichtet, neben der AML-Transaktionsüberwachung KYC-Prüfungen in ihren Kundenannahmeprozess zu integrieren. KYC-Massnahmen sind ein Standardinstrument zum Schutz der Finanzinstitute geworden; mangelhafte Ausführung wird mit hohen Bussgeldern sanktioniert und birgt erhebliche Reputationsrisiken.
Inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass Standard-AML-, -KYC- und -CFT-Prozesse nicht mehr ausreichen, um Geldwäsche über die Kluft zwischen Fiat- und Krypto-Währung zu erkennen. Beispielsweise operieren viele Krypto-Börsen nicht unter ihrem gängigen Namen.
Ein reiner KYC-Namensabgleich ist deshalb nicht ausreichend, um alle riskanten Krypto-Börsen zu identifizieren. Eine Anreicherung durch Third-Party-Daten wie zum Beispiel VASP-Watchlisten sowie Analyseergebnisse von Blockchain-Forensikern wie Chainalysis, CipherTrace, Coinfirm, Elliptic oder Scorechain sind deshalb zwingend notwendig.
Deshalb sind Banken gefordert, ihre AML- und KYC-Massnahmen zu überdenken und zu modernisieren. Über die etablierten AML- und KYC-Prozesse hinaus ist deshalb heute auch KYT gefordert.
Das Ziel von KYT ist die Erkennung von potenziell risikoreichen Transaktionen und dem sich dahinter verbergenden ungewöhnlichen Verhalten zur Aufdeckung von Geldwäsche, Betrug oder Korruption. Um das optimal zu erreichen, wäre eine automatisierte Anreicherung der Transaktionen mit exakten und relevanten Informationen nötig, die direkt aus den ursprünglichen Datenquellen stammen.
KI macht AML-Compliance für Krypto-Transfers beherrschbar
Die Herausforderung für traditionelle Banken sowie VASPs oder Blockchain-Analysten besteht darin, eine Transaktion über die Brücke, die die Fiat- und die Krypto-Welt verbindet, zu verfolgen und somit eine übergeordnete Compliance zu realisieren.
Krypto-Forensiker wie Scorechain oder Elliptic haben in der Regel keinen Zugriff auf Fiat-Transaktionen oder IP-Adressen, sondern nur auf die Krypto-Transfers, Wallets und Blockchain-Informationen. Auf der anderen Seite kennen Banken, die keine Krypto-Verwahrer sind und keine Krypto-Transfers durchführen, nur die Fiat-Transaktionen.
Ist eine Bank gleichzeitig eine Krypto-Börse, dann hat dieses Institut ggf. beide Informationen – Fiat und Krypto –, aber die Überwachung findet meist in verschiedenen Systemen statt. Das kann zum Beispiel einerseits in einem Fraud-/AML-Monitoring-System für Fiat-Transaktionen und andererseits mit einem Drittanbieter, der die Krypto-Transfers überwacht, ablaufen.
Zwischen diesen beiden Systemen klafft eine Lücke, die Geldwäscheaktivitäten ermöglicht oder sogar begünstigt. Mit einem übergeordneten, ganzheitlichen «Investigation Hub» liesse sich dieser Gap schliessen. Dass das allerdings nicht trivial ist, liegt auf der Hand.
Doch angesichts der hochkomplexen Daten und der grossen Datenmengen ist eine manuelle Bearbeitung quasi ausgeschlossen – der Aufwand ist viel zu hoch und das Tempo zu langsam. Auch regelbasierte Monitoring-Systeme kommen hier schnell an ihre Grenzen.
Die KI spielt eine entscheidende Rolle
Da kommt KI-Technologie ins Spiel. Ein zentrales Tool zur effizienten Identifikation von Transaktionen ist die Netzwerkanalyse. Aus Daten wird ein Netzwerk gebildet, das bei verdächtigen Beziehungsmustern Alerts generiert. Auffällige Muster sind zum Beispiel Kunden mit Transfers zu Hochrisiko-Börsen mit anschliessenden Transfers von ihren Wallets zu Wallet-Adressen, die als riskant eingestuft worden sind.
KI-basierte Überwachung und Analyse kann damit versteckte Netzwerke und Geldwäsche- oder Betrugsmuster aufdecken, die mit regelbasierten Systemen nicht erkennbar sind. Zukunftsmusik? Mitnichten. Bereits heute haben erste Banken weltweit über eine SAS Plattform Blockchain-Informationen in ihrem traditionellen AML-System in die Alert-Analyse integriert und realisieren damit eine umfassendere Recherche.
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