Die Risikoaufschläge in Schwellenländern wachsen und wachsen. Inzwischen sind Schwellenländer-Anleihen die wohl am stärksten unterbewertete Anlageklasse innerhalb der Obligationenmärkte.

Von Edi Aumiller, Country Head Switzerland, Legg Mason

Anleger in Schwellenländer-Anleihen, sowohl in Hart- als auch in Lokalwährung, hatten es 2018 sehr schwer. Herausforderungen gab es etliche: länderspezifische Probleme in der Türkei, Brasilien und Argentinien, die Stärke des Dollar und die Sorge um eine aufziehende Rezession, die durch den Handelsstreit zwischen China und den USA hervorgerufen werden könnte.

Diese Probleme haben jedoch auch dazu geführt, dass Schwellenländer-Anleihen laut Ken Leech, Chief Investment Officer von Western Asset, die vielleicht am stärksten unterbewertete Anlageklasse innerhalb der Anleihenmärkte darstellen.

Fast auf Rekordniveau

Sein Ausblick für das vierte Quartal weist darauf hin, dass sich die Rendite der Schwellenländer-Anleihen als Anlageklasse gegenüber den Renditen der entwickelten Märkte fast auf Rekordniveau «ausgeweitet» hat, wenn man beide um ihre jeweiligen Inflationsraten bereinigt (siehe Grafik). Darüber hinaus sind die Schwellenländer-Währungen als Gruppe dank des starken Dollar 35 Prozent niedriger bewertet als noch vor fünf Jahren.

Legg Mason Chart

Unterschied in den Realrenditen: Schwellenländer vs. Entwickelte Länder (in Basispunkten) 1

All dies deutet darauf hin, dass die Schwellenländer-Anleihen zu den grössten Nutzniessern gehören würden, sollte auch nur eines der genannten globalen Risiken verschwinden, die derzeit die Anleger beschäftigen. Dies ist jedoch keine Vorhersage, dass die Welt ihre Ängste zu einem bestimmten Zeitpunkt ablegen wird.

Vielmehr deutet es darauf hin, dass diese Anlageklasse aktuell in einer Art Worst-Case-Szenario bewertet zu sein scheint. Dieses könnte sich tatsächlich so realisieren – oder eben auch nicht.

Im Aufschwung: Chinas Währung

Der Anstieg des Yuan um 1,8 Prozent seit dem 30. November – von 6,96 auf 6,83 gegenüber dem Dollar – wurde von einigen Beobachtern als Folge des Treffens der Präsidenten Xi Jinping und Donald Trump beim kürzlichen G20-Gipfel in Buenos Aires angesehen.

Andere Beobachter verweisen jedoch auf das gezeigte Vertrauen der People's Bank of China (PBoC), indem sie seit Ende Oktober weder Kapital in die Wirtschaft injiziert noch hat abfliessen lassen. Stattdessen reduzierte sie den geforderten Mindestreservesatz der Banken um einen Prozentpunkt auf 14,50 Prozent und gab rund 175 Millionen Dollar für die Wirtschaft frei, um sie möglicherweise für zusätzliche Bankkredite zu verwenden.

Ein weiteres wichtiges Signal für das zunehmende Vertrauen: Die Erholung der chinesischen Staatsanleihen, wobei die Rendite der 10-jährigen Anleihen um rund 70 Basispunkte auf 3,4 Prozent zurückging. Ihr Abschneiden in diesem Jahr gehört damit sicher zu den Erfolgsgeschichten – verglichen mit anderen Staatsanleihen.

Inversion in Sicht

Liebhaber von Rezessionssignalen bekamen endlich ihre lang erwartete Inversion, als der Spread zwischen zwei- und zehnjährigen US-Staatsanleihen unter Null fiel – wenn auch nur um knapp einen Basispunkt.

Es ist verlockend, diesen einzelnen Datenpunkt als Anomalie abzutun. Immerhin könnte ein möglicher Auslöser für eine Rezession bereits abgemildert worden sein, da die amerikanische Notenbank (Federal Reserve, Fed) die Gegenreaktion zu ihrer Ankündigung, dass sie ihren Zinssatz in eine restriktive und nicht in eine neutrale Bandbreite bringen könnte, nun als angemessen bezeichnet.

Eine andere Botschaft

Während die Marktbeobachter nach dem vermuteten Dezemberschritt der Fed noch drei Zinserhöhungen für 2019 erwarten, könnte die eigene Prognose des Offenmarktausschusses, die zusammen mit der Zinsentscheidung der Fed vom 19. Dezember veröffentlicht wird, sehr wohl eine etwas andere und beruhigendere Botschaft vermitteln.

Darüber hinaus ist die eigene Wachstumsprognose der Fed für die nächsten zwei Jahre zwar nicht auf eine Rezession hindeutend, sie liegt aber deutlich unter der annualisierten Wachstumsrate von 4,2 Prozent zum 30. Juni 2018.


Edi Aumiller ist seit 2014 bei Legg Mason als Head of Sales Schweiz tätig. Er ist Mitglied der Swiss Financial Analyst Association (SFAA), verfügt über ein Diplom in Banking und Finance, ist eidgenössisch diplomierter Finanzanalytiker und Vermögensverwalter, eidgenössisch diplomierter Finanz- und Anlageexperte, sowie Certified International Wealth Manager (CIWM) und Certified International Investment Analyst (CIIA).


1 Chart Western Asset Management. Quelle: Bloomberg; HSBC Stand: 31. Oktober 2018. Reale oder inflationsbereinigte Rendite ist die angegebene Rendite, adjustiert um die Auswirkungen der Inflation in den jeweiligen Märkten.