Behavioral Finance ist beim aktiven Investieren von grosser Bedeutung. Zu diesem Schluss kommen Ian Heslop und Justin Wells von Old Mutal Global Investors.
Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ging 2017 an Professor Richard Thaler. Er hat Pionierarbeit auf dem Gebiet der verhaltensorientierten Finanzmarkttheorie (Behavioral Finance) geleistet und aufgezeigt, wie wichtig psychologische Erklärungen des Anlegerverhaltens im Gegensatz zur mathematischen Modellierung sind, die von den konventionellen Wirtschaftswissenschaften befürwortet wird.
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Konzepte Thalers auch zunehmend in der Öffentlichkeit durchgesetzt. Die verhaltensorientierte Finanzmarkttheorie ist beim aktiven Investieren überaus relevant, da man anhand derer nachvollziehen kann, wie irrational und unzweckmässig Anlegerentscheidungen mitunter sind – besonders kurzfristig.
Emotionslose Rechenmaschine
Das menschliche Gehirn ist keine emotionslose Rechenmaschine – es hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt, um mit einer komplexen und zuweilen unberechenbaren Welt umgehen zu können. Der Mensch hat Abkürzungen im Entscheidungsprozess entwickelt. Diese Mechanismen sind unter dem Namen Heuristik bekannt und beschleunigen die Entscheidungsfindung. Bei Heuristiken fungieren Emotionen und die Intuition häufig als Vermittler.
Sie sind damit fundamentaler Bestandteil des Anlegerverhaltens. Das Gehirn verschafft sich durch unvollständige Informationen einen Eindruck; alles Fehlende ergänzt es selbst. Das kann Verzerrungen oder Fehleinschätzungen zur Folge haben. Eine durch die verhaltensorientierte Finanzmarkttheorie gewonnene Erkenntnis ist, dass Investoren risikoscheu sind: Der durch Verluste erlittene Schmerz wiegt schwerer als das angenehme Gefühl, das Gewinne auslösen. Aufgrund der Verlustaversion ist bei Anlegern, denen ein Verlust droht, mitunter ein risikofreudiges Verhalten zu beobachten.
Täuschungen und Wahrnehmungsfehler
Viele Verhaltensökonomen können dem Einsatz von Heuristiken wenig Positives abgewinnen, weil diese die Fähigkeit des Abwägens ausser Kraft setzen. Das hat kognitive Täuschungen oder Wahrnehmungsfehler zur Folge. Unser Gehirn zeigt uns nicht immer die Wirklichkeit, und das kann zu Entscheidungsfehlern führen. Doch ohne die entsprechenden Heuristiken sind wir nicht in der Lage, effektiv Entscheidungen zu treffen.
Wir alle machen Fehler – aber wir können diese dank des deliberativen Teils des Gehirns korrigieren, und tun das sehr häufig. Fehler auszubessern ist allerdings zeitaufwendig, und oft ist dafür Bildung nötig.
Ineffzienzen nutzen
In unserem Team Global Equities verfolgen wir einen aktiven Anlageprozess, der so ausgelegt ist, dass Ineffizienzen am Markt genutzt werden, indem man die Abweichungen der Aktienkurse von ihrem fundamentalen Wert nutzt, die aufgrund der Verhaltensmuster der Anleger entstehen.
Mit unserem Anlageprozess möchten wir diese Muster dynamisch und benchmarkunabhängig nutzen. Hierzu kommen verschiedene Anlagestile zum Einsatz, mit denen wir bei der Titelauswahl auf Disziplin, ohne Emotionen und Subjektivität, abzielen.
Mythen der konventionellen Wirtschaftstheorie
- Homo oeconomicus
Der Homo oeconomicus (Wirtschaftsmensch) ist ein perfekt rationales, durch Eigeninteresse motiviertes Modell des Menschen, das Informationen fehlerlos verarbeiten kann. Der schottische Ökonom Adam Smith postulierte im 18. Jahrhundert, dass die freien Märkte nur aufgrund des Eigeninteresses funktionieren können.
Entkräftung des Mythos: In Wirklichkeit hat eine Reihe soziologischer und psychologischer Kräfte einen Einfluss auf das Anlegerverhalten. Dazu gehören unter anderem die Meinung von Fachkollegen, gesellschaftliche Normen, die Medien sowie ihre eigene Persönlichkeit und ihre Gefühle.
- Die Effizienzmarkthyptohese
Laut dieser Theorie spiegeln die Marktpreise alle verfügbaren Informationen perfekt wider und notieren stets zum fairen Wert. Zwischen dieser Theorie und dem Konzept des Homo oeconomicus besteht ein Zusammenhang, da völlig rationale Investoren alle relevanten Informationen fehlerlos verarbeiten würden.
Entkräftung des Mythos: Kritiker der Effizienzmarkthypothese haben bewiesen, dass Anleger auf neue Informationen über- oder unterreagieren und andere Verhaltensmuster wie beispielsweise Herdenverhalten an den Tag legen.
- Marktgleichgewicht
Darunter versteht man einen Zustand, in dem Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht und die Preise daher stabil sind. Seit Adam Smith sind viele Ökonomen der Auffassung, dass freie Märkte zum Gleichgewicht tendieren.
Entkräftung des Mythos: Für Gleichgewichtstheoretiker sind Börsencrashs schwierig zu erklären. Der Wirtschaftswissenschaftler Hyman Minsky arbeitete unbeachtet an seiner Hypothese der finanziellen Instabilität; nach der grossen Finanzkrise von 2007 und 2008 erlangte diese jedoch Bekanntheit.
Testen Sie sich selbst
- Frage 1: Was würden Sie bevorzugen?
A: Einen sicheren Gewinn in Höhe von 240 Franken
B: Eine 25-prozentige Chance, 1'000 Franken zu gewinnen und eine 75-przentige Chance, nichts zu gewinnen
- Frage 2: Was würden Sie bevorzugen?
A: Einen sicheren Verlust in Höhe von 740 Franken
B: Eine 75-prozentige Chance, 1'000 Franken zu verlieren und eine 25-prozentige Chance, nichts zu verlieren
Antworten: Die Antwort auf Frage 1 lautet nach einer Wahrscheinlichkeitsberechnung B (da 0,25 mal 1'000 grösser ist als 240) und bei Frage 2 ist die Antwort A (weil 740 weniger ist als 0,75 mal 1'000). Interessanterweise antworten die meisten Befragten andersherum: A bei Frage 1 und B bei Frage 2. Arbeiten der Psychologen Amos Tversky und Daniel Kahneman deuten darauf hin, dass das daran liegt, dass die Menschen risikofreudig sind, wenn ein Verlust droht.
Ian Heslop ist Leiter Global Equities bei Old Mutual Global Investors. Er verwaltet verschiedene Hedge- und Publikumsfonds sowie Einzelmandate, darunter marktneutrale und Long-only-Fonds. Ian Heslop verfügt über mehr als 20 Jahre Anlageerfahrung und das Team hat für seine Fonds zahlreiche Auszeichnungen gewonnen. Er besitzt einen MA in Chemie von der Universität Oxford und promovierte in medizinischer Chemie an der Universität Edinburgh. Er ist ausserordentliches Mitglied der Society of Investment Professionals.
Justin Wells stiess 2014 zu Old Mutual Global Investors und ist Stratege im Team Global Equities. Er war zuvor bei UBS Global Asset Management als Stratege im Emerging Market Equities Team tätig. Zuvor arbeitete Justin Wells in Asien als Anlageberater des damaligen CIO der Shinsei Bank in Tokio. Sein Schwerpunkt lag auf Anlagechancen in Schwellenländern in Asien und der EMEA-Region. Er besitzt einen LLB (Hons) der University of Durham und einen BA (Hons) der Queen's University Belfast.