Asiatische Aktien haben sich 2017 überdurchschnittlich entwickelt. Trotz des erlebten Anstiegs ist Josh Crabb von Old Mutual Global Investor für die Region nach wie vor optimistisch.


Josh Crabb, haben Anleger bei asiatischen Aktien die Rally verpasst?

Nein, ich glaube nicht. Zunächst einmal ist die Bewertungsdifferenz zwischen dem MSCI Asia ex-Japan und dem S&P 500 immer noch gross – gemessen am Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,7 gegenüber 3,1 in den USA. Und das Wachstum der Unternehmensgewinne gewinnt an Fahrt.

In einigen Sektoren besteht Wertpotenzial, vor allem im Finanzwesen, und die Liquidität ist gut. Trotz des bereits erlebten Anstiegs in diesem Jahr blicke ich auf die Region nach wie vor optimistisch.

Welche Länder bevorzugen Sie für eine Anlage?

Ich mag China und Indien aus sehr unterschiedlichen Gründen. In China gibt es zur Zeit einige wirklich spannende Anlagethemen: das Wachstum bei künstlicher Intelligenz und dem Internet der Dinge sowie verstärkte Anstrengungen zur Verringerung der Umweltverschmutzung.

«Frontier Markets sind in meiner Strategie ein bedeutendes Thema»

Chinas Bemühungen zum Schutz der Umwelt werden wahrscheinlich ein wichtiger Punkt der Tagesordnung auf dem nächsten Parteikongress im Oktober sein. Ich mag besonders umweltfreundliche chinesische Unternehmen wie China Suntien Green Energy, Maanshan Iron & Steel und Taiwan Prosperity Chemical.

Mein Glaube an die indische Wirtschaft ist ungebrochen, doch werde ich Aktien nicht zu hoch bezahlen. Ich kaufe also sehr viel nach Kursrückgängen. Ich habe in Indien gute Gewinne gemacht, vor allem mit dem Aluminiumhersteller Hindalco und dem Infrastrukturkonzern Rural Electrification Corporation.

In welchem Land sind Sie untergewichtet?

Ich bin in Australien gegenüber dem Referenzindex deutlich untergewichtet. Im Vergleich zu den asiatischen Ländern sind die Unternehmen reifer, so dass Überraschungen bei den Gewinnen meiner Ansicht nach eher begrenzt sind.

Investieren Sie auch in Frontier-Märkte?

Frontier Markets sind in meiner Strategie ein bedeutendes Thema. Ich favorisiere insbesondere Unternehmen aus Vietnam, wie die Vietnam Joint Stock Commercial Bank for Industry and Trade. Ich glaube auch, dass ich in Sri Lanka Wertpotenzial ausfindig machen kann, auch weil Analysten so wenig über die Aktien berichten.

«Dass ein grosser Teil des Wachstums auf Asien entfällt, ist Value-Anlegern nicht entgangen»

Mir gefällt Tokyo Cement, Sri Lankas grösster Produzent und Lieferant von Zement – einer der vielen Nutzniesser von Chinas umfangreichem Infrastrukturprogramm «One Belt, One Road», mit dem alte Landstrassen und maritime Handelsrouten der einstigen Seidenstrasse modernisiert werden sollen.

Was könnte die Hausse am asiatischen Aktienmarkt beenden?

Offenkundig sorgt Nordkorea für die grössten Schlagzeilen in den Medien. Ich möchte hier nur sagen: Wenn Anleger meinen, dass sich etwaige weitere Feindseligkeiten auf einige wenige asiatische Länder beschränken würden, irren sie sich leider.

Es wurde auch viel über die Gefahren des Wachstums der Schattenbanken in China gesprochen. Aber das Entscheidende ist, dass die Behörden dagegen vorgehen, und trotz der Straffung der Geldpolitik geht es der Wirtschaft wirklich gut. Das muss ein gutes Zeichen sein.

Was ist Ihr Anlagestil, «Growth» oder «Value»?

Die Tatsache, dass ein grosser Teil des globalen Wachstums auf Asien entfällt, wird Value-Anlegern nicht entgangen sein. Warum also eine Prämie für qualitativ hochwertige Aktien zahlen, wenn das Umfeld für Wachstumswerte günstig ist? Vor dem aktuellen Hintergrund sollten sich Anleger sicherlich fragen, warum sie für Aktien, die vergleichsweise gering auf Konjunkturschwankungen reagieren, mehr zahlen sollen.

«Bisher ist der Trend gut, aber wir müssen ihn natürlich im Auge behalten»

Jüngsten Brokerberichten zufolge liegt die Bewertungsdifferenz zwischen Wachstums- und Substanzwerten auf dem höchsten Niveau seit den Tagen der Dot.com-Blase. Für die Mehrheit der Fondsmanager, die an einen Rückfall glauben, ist das gewiss eine klare Botschaft.

Haben Sie irgendwelche abschliessenden Kommentare?

Für die asiatischen Märkte ist eine steigende Ertragsdynamik ausschlaggebend, wenn sie ihren jüngsten Aufwärtstrend fortsetzen wollen. Bisher ist der Trend gut, aber wir müssen ihn natürlich im Auge behalten.

Der schwächere Dollar sorgte in der ersten Jahreshälfte für Rückenwind, insbesondere in China, dem grössten Rohstoffeinkäufer der Welt. In der Zukunft könnte jeder Dollaranstieg diese Auswirkung abmildern. Im Moment jedoch ist alles in Ordnung.


Josh Crabb ist bei Old Mutual Global Investors verantwortlich für den Bereich der asiatischen Aktien.