Global tätige Versicherer wissen vermutlich mehr über ihre Risiken als Amazon über seine Kunden. Dennoch wird Amazon viel höher bewertet. Die Anleger trauen Amazon eher zu, das vorhandene Wissen besser zu nutzen. Das wollen ein Schweizer und ein deutsches Unternehmen ändern.
Der Zürcher Software-Entwickler Deon Digital sowie deutsche Firma Gossmann & Cie. haben das Gemeinschaftsunternehmen D|G|TAL (DGTAL) gegründet, wie einer Mitteilung vom Donnerstag zu entnehmen ist.
Die neue Firma digitalisiert verschiedene Arbeitsschritte im Back-Office von Versicherern, um die Prozesse in der Schadenbearbeitung zu beschleunigen und zu verbessern. Die digitale Fabrik wird als Software-as-a-Service-Plattform angeboten. So können Versicherer digitale Instrumente nutzen, ohne die eigene IT-Landschaft zunächst umrüsten oder modernisieren zu müssen, wie weiter zu erfahren war.
Einfach wie eine Google-Suche
Die neue Claims Audit Engine ist das erste Modul, das DGTAL auf der Plattform live stellt. Die Applikation übersetzt gescannte Schadenakten in maschinenlesbaren Text, so dass anschliessend alle Informationen als digitalisierte Daten zur Verfügung stehen und so einfach wie bei einer Google-Suche genutzt werden können.
Gerade die Kombination von verfügbaren Systemdaten mit dem digitalisierten Inhalt einer Schadenakte biete dabei völlig neue Möglichkeiten, Portfolios zu verwalten, schreiben die beiden Partner. Die Claims Audit Engine dekodiert bereits heute fast 90 Prozent der Inhalte, erkennt die Art des Dokuments und versteht auch seine Tonalität. Einmal digitalisiert können alle Auswertungen über gängige Softwarelösungen gemacht werden.
Joint-Venture wird in ganz Europa aktiv
Die Zürcher Firma Deon Digital beschäftigt 35 Personen und ermöglicht ihren Kunden den Aufbau von Plattformen für die Erstellung von digitalen Verträgen für automatisierte End-to-End-Geschäftsprozesse zwischen Unternehmen. Das Unternehmen nutzt dabei langjährige Forschungsergebnisse im Bereich von digitalen Verträgen und der Distributed-Ledger-Technologie. Ausser in Zürich unterhält das Fintech auch Büros in Kopenhagen, Hongkong und München.
«DGTAL wird in ganz Europa tätig sein und zielt darauf ab, zusätzliche Arbeitsplätze für Experten in den Bereichen Softwareentwicklung und Datenanalyse zu schaffen, indem zukünftig weitere Module und Fähigkeiten des neuen Tools entwickelt werden», so Dirk Sebald, CEO und Mitgründer von Deon Digital.
Experte für Restrukturierungen
Die in Hamburg ansässige Firma Gossmann widerum ist spezialisiert auf Eigenkapital- und Portfoliomanagement von Versicherungen. Das Unternehmen wurde 2018 von Arndt Gossmann, (Bild unten) einem Experten für die Restrukturierung von Altgeschäften in Europa, gegründet.
Das Unternehmen bietet datengesteuerte Lösungen für das Management von risikobezogenen Versicherungsverbindlichkeiten und unterstützt damit Finanzinstitute, Versicherer, Vermittler, institutionelle Investoren und andere Unternehmen bei der Strukturierung, Verwaltung und Übernahme von Risiken mit dem Ziel, ihre Portfolios zu verbessern und ihre Kapitalallokation zu optimieren.
Wie Amazon – für die Assekuranz eine Riesenchance
Eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Häusern bestand bereits seit 2019 und begann mit dem Ziel, die Genauigkeit bei der Portfoliobewertung zu erhöhen, Möglichkeiten für die Automatisierung zu schaffen und die Leistung im Schadenmanagement zu verbessern.
«Ein global tätiger Versicherer weiss wahrscheinlich mehr über seine Risiken als Amazon über seine Kunden. Dennoch wird Amazon viel höher bewertet. Man traut Amazon einfach eher zu, das vorhandene Wissen besser zu nutzen. Für die Assekuranz ist das eine riesige Chance. Die Digitalisierung bietet ein enormes Potenzial für Versicherer», sagte Arndt Gossmann.