Seit die Künstliche Intelligenz Einzug in die Finanzwelt gehalten hat, warten Investorinnen und Investoren auf die Erfindung des ultimativen Anlage-Algorithmus'. Doch vielleicht wird er gar nie kommen.

Der besagte Algorithmus würde in Zukunft exakte Produktpreise vorhersagen; die Finanzmärkte, wie wir sie kennen, stören, und den regulären Handel überflüssig machen.

Unabhängig davon, ob es tatsächlich passieren wird, hält dieser Wartemodus Investoren davon ab, das zu nutzen, was Künstiche Intelligenz (KI) heute zu bieten hat – zum Beispiel die Lösung anderer konkreter Probleme im Handel.

Man kann nicht zu viel des Guten haben – oder doch?

Die Zahl der ETFs (Exchange Traded Funds) hat sich seit 2007 versechsfacht. Heute kann man in fast 7'000 verschiedene Produkte dieser Art investieren. Gleichzeitig ist die Zahl der Investmentfonds in den vergangenen zehn Jahren weltweit um 40'000 gestiegen.

Hinzu kommt, dass die Finanzinstitute darum konkurrieren, den Kunden eine möglichst grosse Produktvielfalt anzubieten. Können Sie das Problem erkennen?

Wer heute Produkte selbst auswählt, ist von der Auswahl überfordert. Das lenkt die Investoren ab und beeinträchtigt ihre Rendite. Anstatt nach neuen Chancen zu suchen, sind wir damit beschäftigt, zu analysieren, welches Produkt das richtige ist.

Wir haben Dutzende von Möglichkeiten, in eine Branche zu investieren, und die Wahl des richtigen Produkts ist zu einem Problem geworden.

Alles ist relativ

Stellen Sie sich zwei Autos auf einem Parkplatz vor, die kurz vor einem Rennen stehen. Eines davon ist schnell – können Sie sagen, welches es ist? Sicher, man kann vor dem Rennen Vermutungen anstellen. Aber wir alle wissen, dass es davon abhängt, was unter der Haube steckt.

Ausserdem ist «schnell» relativ. Es wäre doch viel einfacher, diese Vermutungen anzustellen, während die Autos schon in Bewegung sind, oder?

Das Gleiche gilt für das Rennen um den höchsten ROI – es geht darum, zu erraten, welches Produkt das beste ist, aber das Rennen ist bereits gelaufen. Klingt einfach, und aus der Perspektive der Vorhersagen von KI-Algorithmen ist es das auch wirklich.

Bei der Suche nach dem besten Produkt, in das Sie investieren können, geht es nicht unbedingt darum, immer und überall das beste Produkt zu bekommen. Es kann darum gehen, das beste Produkt aus einer vergleichbaren Gruppe auszuwählen.

Das ist etwas, womit bestehende KI-Algorithmen umgehen können, und das ist auch im Interesse der Investoren. Es würde das wachsende Problem der Produktauswahl lösen und den Menschen einen erheblichen Mehrwert bringen.

Algorithmen mögen es, wenn bereits eine Vielzahl von Eingabedaten zur Verfügung stehen, denn dieser Wettlauf läuft schon seit Jahren. Produktnotierungen, Konjunkturindikatoren, frühere Marktrückgangsszenarien, all das können die Algorithmen kennenlernen, bewerten und anpassen.

KI kann in 49 Prozent der Fälle falsch liegen

Genau wie beim Blackjack ist bei der richtigen Strategie die Anzahl der Deals das entscheidende Kriterium für Geld. Beim Investieren kann das richtige Handelsmanagement Ihnen solide Renditen bringen, selbst wenn der von Ihnen verwendete KI-Algorithmus nicht 100 Prozent richtig ist.

Wie Peter Lynch schon vor Jahren sagte: «Wenn man in diesem Geschäft gut ist, hat man in sechs von zehn Fällen recht. Du wirst niemals in neun von zehn Fällen richtig liegen».

Deshalb kann es eine gute Option sein, mehr Vertrauen in KI zu setzen, auch wenn die Vorhersagen nicht immer richtig sind. Anstatt auf den Heiligen Gral zu warten, sollten einige konsistente Ergebnisse ausreichen, um mit KI zu investieren und mit den neuesten Technologien Gewinne zu erzielen.

Worauf warten wir noch?

Es ist gut möglich, dass wir als Investoren zu lange auf ein Tool gewartet haben, dass die Zukunft vorhersagt. Wenn dem so ist, sollten wir vielleicht einen Schritt zurücktreten und uns umsehen, ob KI-Algorithmen eine weichere Form haben können.

Wie ein Super-Indikator, der relativ gesehen sagen kann, welches Produkt besser ist. Und wenn Sie das haben, sieht das Rennen um Gewinne für Sie vielleicht ganz anders aus.

Dominik Łyżwa ist Business Consultant bei Comarch und deckt die Plattformen für Vermögensverwaltung und Asset Management ab. Sein beruflicher Werdegang konzentriert sich auf die Bereiche Finanzen und Kapitalmärkte, mit einschlägiger Erfahrung sowohl auf der Kauf- als auch auf der Verkaufsseite. Er ist ein lizenzierter Börsenmakler und Anlageberater.