Investoren sollten sich über die Risiken einer Zuspitzung der Handelskonflikte bewusst sein. Das gilt umso mehr, da US-Präsident Donald Trump angedeutet hat, künftig auch Japan ins Visier zu nehmen.

Von Kristina Hooper, Chief Global Market Strategist, Invesco

Obwohl es Anfang September hiess, dass Kanada und die USA kurz vor einer Einigung in ihren Handelsbeziehungen stünden, gab es bis jetzt noch keinen Deal — und ich würde auch nicht viel darauf setzen, dass es kurzfristig dazu kommt. Mit Chrystia Freeland hat die kanadische Seite eine gleichermassen clevere wie harte Verhandlungsführerin, die weiss, dass Mexiko ein nordamerikanisches Freihandelsabkommen (Nafta) mit kanadischer Beteiligung will. Das gibt ihr mehr Verhandlungsspielraum, um Kanadas wichtigste Forderungen durchzusetzen.

Interessanterweise könnte die kanadische Notenbank (Bank of Canada, BOC) dabei sein, sich auf den schlimmsten denkbaren Fall vorzubereiten — ein Scheitern der Nafta-Verhandlungen. In der vergangenen Woche hat die Vize-Chefin der Bank, Carolyn Wilkins, signalisiert, dass die BOC die Zinsen auch dann weiter anheben könnte, wenn die Nafta-Gespräche scheitern sollten. Sie befürchtet, dass höhere Zölle die Inflation anheizen könnten.

Vor einem Dilemma

Meines Erachtens würden Zinserhöhungen eine durch Zölle geschwächte Wirtschaft allerdings nur noch mehr bremsen. Sollte es dazu kommen, könnte sich die BOC in einer ähnlichen Lage wie die Bank of England (BOE) wiederfinden.

Nach dem Brexit-Votum stand diese vor dem Dilemma, dass die Inflation (währungsbedingt) anzog, während der Wachstumsmotor zu stottern begann – sie also die Inflation kaum bekämpfen konnte, ohne die Wirtschaft weiter zu schwächen.

Weitere Zölle auf chinesische Waren?

Das viel grössere Thema aber ist China. Die öffentliche Anhörungsfrist zu den geplanten US-Strafzöllen auf chinesische Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar ging gerade zu Ende, als US-Präsident Donald Trump bereits eine weitere Welle von Zöllen im Umfang von 267 Milliarden Dollar androhte.1

Einige Unternehmen werden diese zusätzlichen Kosten an ihre Kunden weiterreichen – Apple zum Beispiel hat bereits angekündigt, das zu tun –, andere dagegen nicht. Gut ist keines der beiden Szenarien. Entweder wird die Kaufkraft der Verbraucher ausgehöhlt, oder die Unternehmen müssen sich auf schmalere Gewinnmargen einstellen.

Auf einen Handelskrieg eingestellt

Wie ich bereits in der Vergangenheit gesagt habe, glaube ich nicht, dass die Trump-Regierung nur einen politischen Schaukampf betreibt. Vielmehr bin ich überzeugt, dass sie es darauf anlegt, einen Handelskrieg mit China anzuzetteln.

Auch fällt mir kein guter Grund ein, warum China den weitreichenden und verwirrenden Forderungen der USA nachgeben sollte. Anstatt sich auf die Schutzrechteverletzungen zu konzentrieren, scheinen die USA völlig auf die Handelsbilanz-Thematik fixiert zu sein, die eine derartige Aufmerksamkeit meiner Ansicht nach nicht verdient.

Investoren sollten sich daher über das Risiko einer möglichen Zuspitzung der Handelskonflikte bewusst sein. Das gilt umso mehr jetzt, da Trump angedeutet hat, dass die USA im Dauerstreit mit ihren grossen Handelspartnern künftig auch Japan ins Visier nehmen werden.

Emerging Markets spüren Druck

Das Investmentumfeld wird prekärer, wobei insbesondere die Schwellenmärkte unter Druck stehen. Belastet werden die Emerging Markets durch eine Kombination länderspezifischer Faktoren und dem Druck der USA, namentlich der US-Notenbank (Federal Reserve, Fed), welche die Rückführung ihrer Bilanz beschleunigt.

In Verbindung mit dem höheren Volumen an neu emittierten amerikanischen Staatsanleihen zur Finanzierung der grösseren Haushaltsdefizite hat das zu einem Szenario geführt, in dem die Liquidität aus den Schwellenmärkten gesogen worden ist. Zugleich ist es durch die Fed-Zinserhöhungen zunehmend schwieriger geworden, auf Dollar lautende Schulden zu bedienen.

Sicherer Hafen

Unterdessen wertet der Dollar vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Handelskonflikte immer weiter auf – ein Signal für die Überzeugung der Investoren, dass die USA jeden Handelskrieg gewinnen würden. Auch das hat die Schwellenmärkte unter Druck gesetzt.

Wie ich bereits erwähnt habe, werden amerikanische Anlagewerte in diesem risikobewussten Umfeld als «sicherer Hafen» betrachtet. Daher dürften die Schwellenmärkte weiter unter Druck stehen — zumindest bis zu der erwarteten Fed-Zinserhöhung im September.

Interviews in Jackson Hole

Den grössten Druck dürften die krisenanfälligsten Länder wie die Türkei und Argentinien verspüren. Während ich mit einer Zinserhöhung im September rechne, halte ich einen weiteren Zinsschritt im Dezember aber noch nicht für ausgemacht. Grund dafür sind die Sorgen der Fed über eine mögliche Invertierung der Zins-Strukturkurve — die auch in den Reden und Interviews im Umfeld der Notenbankkonferenz in Jackson Hole im August zum Ausdruck kamen.

Ich hoffe auch, dass die Fed ihre Rolle als Stabilisator der Finanzmärkte ernst nehmen wird. Dafür müsste sie ihre Pläne für die Konsolidierung ihrer Bilanz überdenken (wie es heisst, will die Fed in diesem Herbst über ihre Bilanz sprechen) — oder angesichts der potenziellen Turbulenzen, die der Dollar in den Emerging Markets auslösen könnte, bei der Zinsstraffung einen Gang zurückschalten.


1 Quelle: CNBC, «Trump says he's ready to hit China with another $267 billion in tariffs», 7. September 2018


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