Nach Jahren rückläufigen Wachstums und wiederholter Wechselkurs-Korrekturen nehmen die Spannungen in zahlreichen aufstrebenden Volkswirtschaften zu, wie Maarten-Jan Bakkum von NN Investment Partners feststellt.
Maarten-Jan Bakkum ist Senior Emerging Market Strategist bei NN Investment Partners (NN IP)
Die Zahl der Firmenpleiten steigt, während die Gewinne der Banken rapide sinken. Aber auch gesellschaftlich und politisch macht sich der Abschwung bemerkbar: Steigende Arbeitslosenzahlen und Zinsen höhlen die Kaufkraft aus, während die Regierungen mit wachsenden Defiziten und sinkendem Rückhalt in der Bevölkerung zu kämpfen haben.
Es braucht Reformen, um der Wirtschaft eine Atempause zu verschaffen, doch die Furcht vor unpopulären Entscheidungen lähmt jetzt das System. Die Wirtschaftskrise verändert die Gemengelage innerhalb und ausserhalb der Regierungen, führt zu gegenseitigen Vorwürfen sowie Enthüllungen von Machtmissbrauch.
Pressefreiheit und Bürgerrechte leiden
Nicht von ungefähr kommen Korruptionsskandale gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ans Licht.
Jedes Land geht anders mit zunehmenden wirtschaftlichen Problemen um. In Staaten mit autokratischer Tradition verschärfen die Regierungen die staatliche Kontrolle; Pressefreiheit und Bürgerrechte leiden.
Das war in den letzten Jahren in Russland, Thailand, China und der Türkei zu beobachten. Offizielle Antikorruptions-Kampagnen sowie Konflikte mit ausländischen Mächten dienen dabei zur Ablenkung von den wahren Problemen im Land.
Instrumentalisierte Skandale
In Ländern, in denen demokratische Traditionen stärker verwurzelt sind oder die Regierungen weniger Kontrolle über Gesellschaft und Institutionen ausüben können, eskalieren die Konflikte in der Regel im politischen System.
Korruptionsskandale werden instrumentalisiert, um politische Rechnungen zu begleichen. Südafrika und vor allem Brasilien und Malaysia sind Paradebeispiele für diese Kategorie. Der Schmiergeldskandal rund um den brasilianischen Ölkonzern Petrobras und die Protestwelle gegen Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff haben das Land in Aufruhr versetzt; wie es weitergehen soll, ist ungewiss.
Völlig aus dem Lot
In Malaysia geht es um staatliche Gelder, die auf das Konto von Malaysias Premier Najib Razak geflossen sein sollen. Dieser Skandal könnte das prekäre Gleichgewicht in Malaysia, mit seinen unterschwelligen ethnischen Spannungen, völlig aus dem Lot bringen.
Die politischen Risiken in den aufstrebenden Volkswirtschaften – ob erster oder zweiter Kategorie – steigen rapide. Das erklärt zumindest teilweise, warum es an den Anleihe- und Devisenmärkten weiterhin abwärtsgeht.
Wirtschaftliche Ungleichgewichte
Korruptionsskandale, Regierungskrisen und zunehmende Repressalien unterminieren die Reformbestrebungen. Reformen sind dringend geboten, um die wirtschaftlichen Ungleichgewichte abzubauen, das Investitionsklima zu verbessern und die Weichen für erneutes Wachstum zu stellen.