Seit Ende 2023 feiert das Anleihensegment AT1 ein Comeback, selbst wenn die Langfristfolgen nach wie vor ungewiss sind.

Von Julien de Saussure, Fund Manager bei Edmond de Rothschild Asset Management

Am 19. März 2023 wurden durch eine Entscheidung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) im Rahmen der Rettung der Credit Suisse (CS) durch die UBS die AT1-Anleihen der CS im Wert von 16 Milliarden Franken vollständig abgeschrieben. Der CoCo-Markt verlor sofort rund 7 Prozent von seiner Zusammensetzung zu Jahresanfang und nur auf den Dollar-CoCo-Markt bezogen rund 13 Prozent.

Hinzu kam der Ansteckungseffekt im Rest des AT1-Marktes. Folglich betrug die Performance des ICE BofA CoCo Index am Abend des 20. März minus 14,3 Prozent, nach einem Höchststand von plus 6,0 Prozent am 3. Februar 2023. Ein Jahr später hat sich der Index weitgehend erholt: Er beendete das Jahr 2023 mit einer Performance von 5,7 Prozent und wies am 11. März 2024 ein Plus von 26,4 Prozent gegenüber dem Tiefststand vom März 2023 aus.

Attraktives Segment

Relativ gesehen bleibt das Segment attraktiv, vor allem bei der Yield to Call (7,06 Prozent), etwas weniger bei der Kreditmarge (371 Bp Kreditprämie), wobei viele andere Anleihensegmente in der Zwischenzeit enger zusammengerückt sind in Bezug auf Spreads.

Die europäischen und britischen Regulierungsbehörden haben dazu beigetragen, dass die Anlageklasse wieder attraktiv wurde, denn sie bekräftigten frühzeitig nach der CS-Rettung die Rolle der AT1 in der Kapitalstruktur der Banken und die Unmöglichkeit einer Besserstellung der Aktionäre gegenüber den Gläubigern, selbst den Juniorgläubigern.

Akzeptable Kostenbedingungen

Vor allem aber ist der Primärmarkt wieder voll in Gang gekommen: 2023 wurden Emissionen von insgesamt 30 Milliarden Euro lanciert. Zunächst über Euro-Emissionen ab Juni 2023 und in einer zweiten Phase über den Dollar-Markt ab August 2023 mit der lang erwarteten Emission von UBS im November 2023, deren Orderbuch mit 30 Milliarden Dollar einen Rekord darstellte.

Die Aufholjagd erklärt sich übrigens zum Teil aus dieser guten Entwicklung des Primärmarktes. Die meisten europäischen Banken haben ihr Zielvolumen für AT1-Emissionen mehr oder weniger erreicht. Durch die Fähigkeit, neue Bonds zu akzeptablen Kostenbedingungen zu emittieren wird die Ausübung von Rückrufoptionen (oder Calls) auf bestehende Bonds ermöglicht.

Hypothese mit Gültigkeit

Und folgende Hypothese behält für die Anleger auch 2024 weitgehend ihre Gültigkeit: Der Grossteil der Calls dürfte in diesem Jahr ebenso wie 2023 im AT1-Segment ausgeübt werden, wodurch sich die mit dem Call berechnete Yield to Call von 7,06 Prozent in eine für die Anleger attraktive Renditeerwartung verwandelt.

Vor diesem Hintergrund stellen wir die Rückkehr einer breiten Anlegerbasis fest, sowohl in Bezug auf die Typologie (CoCo-Fonds, diversifiziertere Vermögensverwalter oder Privatbanken) als auch auf die Herkunft (Nachfrage aus Europa und wiederkehrender Appetit aus Asien oder den USA).

Ist also alles verdaut?

Was die Performance und die Bewertung angeht, hat sich das Segment tatsächlich normalisiert. Die AT1 der Credit Suisse sind Gegenstand eines Rechtsverfahrens, das sich über mehrere Jahre hinziehen dürfte. Welche regulatorischen Auswirkungen das mittelfristig haben wird, ist ungewiss.

Manche Stimmen im Basler Ausschuss kritisieren nach wie vor die Funktionsweise der AT1 und ihre tatsächliche Fähigkeit, Verluste vor der Abwicklung zu absorbieren. Ebenso haben einige Marktteilnehmer fortgesetzt auf eine strengere Regulierung der als «akzeptabel» erachteten Bedingungen für die Ausübung von Rückrufoptionen gedrängt.

Strukturelle Änderung

Aber aktuell gilt weiterhin der Status quo. Die Auswirkungen auf die Schweizer AT1-Emittenten sind ebenfalls bemerkenswert. Die jüngsten UBS-Emissionen brachten eine strukturelle Änderung mit sich (Einführung einer echten Umwandlung in Aktien, nach Bestätigung durch die Generalversammlung im April 2024).

Die Kosten, zu denen UBS emittieren kann, haben sich normalisiert. Die Schätzung einer «schweizerischen» Restrisikoprämie auf dem CoCo-Markt ist schwieriger geworden, da der zweitgrösste Emittent Julius Bär aufgrund seines Engagements gegenüber der Signa-Gruppe derzeit ein Sonderfall ist.

Man darf nämlich nicht vergessen, dass die Normalisierung des Marktes vor allem auf die sehr gute Solvenz und Liquidität der Banken am aktuellen Punkt des Zyklus zurückzuführen ist. Die steigenden Zinsen haben den europäischen Banken Rentabilitätsniveaus ermöglicht, die im letzten Jahrzehnt unbekannt waren, wie die Ergebnisse des vierten Quartals 2023 erneut zeigen.

Wie ein Gespenst

Die makroökonomische Verlangsamung – die weniger rapide als befürchtet erfolgte – hält die Kreditqualität der Aktiva in den Bilanzen der Banken auf einem zufriedenstellenden Niveau, auch wenn bestimmte Engagements (Gewerbeimmobilien, insbesondere Bürosegment, vor allem in den USA) und gewisse spezifische Emittenten mit hohen Konzentrationen in diesen Segmenten besonders genau beobachtet werden.

Was schliesslich die Marktpsychologie betrifft, bleibt – wie ein Gespenst der Silicon Valley Bank oder der Credit Suisse – das Gefühl, dass eine spezifische, eingedämmte Situation sehr schnell ausser Kontrolle geraten kann, als ob die langsame Ausbreitung der Risikokosten nach einer sofortigen Kapitallösung verlangte.

Also, ja, alles ist tatsächlich verdaut... bis zur nächsten «Verdauungsstörung».


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