Die Transformation zu einer Netto-Null-Wirtschaft erfordert enorme Investitionen. Die Vermögensverwalter stehen in der Pflicht, die grosse Verantwortung, die sie bei diesem Wandel tragen, mit Transparenz und Integrität wahrzunehmen, schreibt André Thali von Axa Investment Managers.
Bei allem Gerangel um Ziele und Verpflichtungen an der COP26 in Glasgow ist eines klar: Der Übergang zu einer Netto-Null-Wirtschaft wird in den nächsten Jahrzehnten enorme Investitionen erfordern. Es wird die Aufgabe der Vermögensverwalter sein, Kapital für diejenigen Unternehmen, Projekte und Innovationen bereitzustellen, die am besten geeignet sind, den notwendigen Wandel zu unterstützen und davon zu profitieren; dies zusammen mit unseren institutionellen Kunden und an der Seite von Regierungen, Regulierungsbehörden, Unternehmen, Banken und Privatpersonen.
In diesem gemeinsamen Unterfangen werden die Vermögensverwalter die Kraft von etwa 100 Billionen Dollar einsetzen1.
Aspiration und Vorgehen
Unsere kollektive Macht basiert auf der Fähigkeit zu entscheiden, ob wir dieses Kapital zuweisen oder zurückhalten. Sie entsteht einerseits durch geschicktes Engagement mit Unternehmen, um die Entscheidungsfindung des Managements zu beeinflussen, und andererseits durch die Zusammenarbeit mit unseren Kunden.
Es ist gut, höhere Ziele zu haben und sie auch zu äussern. Entscheidend ist jetzt aber die Integrität unseres Engagements. Wir alle wollen uns anspruchsvolle Ziele setzen und der Welt zeigen, dass wir mutige Pioniere auf dem Weg zu Netto-null sind. Aber diese Aspiration sorgt auch für negative Schlagzeilen.
Den Unternehmen wird vorgeworfen, sie betrieben Greenwashing und brächten ihr Marketing in Gang, Fortschritte in Richtung Netto Null zu preisen, bevor ihr operatives Geschäft überhaupt so weit sei. Der Vermögensverwaltungssektor ist mit ähnlichen Risiken konfrontiert: Wenn die Unternehmen, in die wir investieren, denken, dass wir nur zu PR-Zwecken oder als Reaktion auf Vorschriften zu ESG-Themen handeln, reduziert das die Wirkung unseres Engagements deutlich. Und wenn unsere Kunden, die Vermögensbesitzer, am Wert der ESG-Integration und des Impact Investing zweifeln, stellen sie nicht genügend Mittel für diese Strategien zur Verfügung.
Mut und Transparenz
Die Frage ist also: Wie können wir sicherstellen, dass dies nicht geschieht? Die Antwort ist einfach: Durch Mut und Transparenz. Wir müssen beweisen, dass wir es mit der Schaffung echter Veränderungen ernst meinen. Wir müssen unsere verantwortungsbewussten Anlageziele offen darlegen und aufzeigen, wie sich unsere Überzeugung konkret auf die Aktienauswahl auswirkt. Wenn wir entscheiden, ein Unternehmen in unseren Portfolios zu lassen, das vermeidbare Treibhausgasemissionen verursacht, müssen wir gute Argumente liefern.
Das bedingt grundlegende Überlegungen. Wollen wir weiterhin Anlageprodukte anbieten, die in den nächsten Jahren Renditen liefern – und mit denen sich Renten bezahlen lassen –, können wir nicht jedes Unternehmen abstossen, das ein Kilo CO2 produziert. Auch werden sich nicht alle, denen die Verantwortung für die treuhänderische Verwaltung von Geldern übertragen wurde, wohl fühlen, wenn sie von der gemütlichen Welt von Investitionen in traditionelle Versorgungsunternehmen in die bahnbrechende Welt der Start-ups im Bereich der erneuerbaren Energien wechseln.
Das Tempo des Wandels muss sensibel gesteuert werden, die besten Unternehmen müssen belohnt, Unternehmen in der Übergangsphase unterstützt werden. Unsere Beweggründe sind klar zu kommunizieren. Ja, wir werden das Kapital zur Verfügung stellen, dass eine neue Kohorte von Netto-Null-Unternehmen zum Erfolg führt, aber wir werden auch veränderungswillige etablierte Unternehmen finanzieren.
Neue Horizonte
Vermögensverwalter sollten auch in der Zusammenarbeit mit Unternehmen Mut beweisen. Wir müssen proaktiv zeigen, mit welchen Mitteln wir die Entscheidungsfindung der Unternehmen in Bezug auf den Klimawandel beeinflussen können, wie durch die Wahrnehmung von Aktionärsrechten und Abstimmungen.
Wir müssen uns auch über eine sehr wichtige Überzeugung im Klaren sein: Ein nachhaltigerer Investitionsansatz, der sich mit den erheblichen Risiken des Klimawandels auseinandersetzt, wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zu stärkeren und stabileren Finanzerträgen führen. Diese Überzeugung untermauert die Argumentation der Vermögensverwaltung für verantwortungsvolle Investitionen; wir investieren in unsere langfristige Zukunft. Dabei müssen wir von unserem verankerten Fokus auf kurzfristige Gewinne abweichen und auf langfristigen Wohlstand hinarbeiten, indem wir langfristige Herausforderungen angehen.
Die Zeit zu Handeln ist jetzt
In der Praxis bedeutet das, dass die Vermögensverwalter wirklich «aktiv» sein müssen. Von grossen Treibhausgas-Emittenten, die nicht zum Umstieg bewegt werden können oder zu langsam sind, erfolgt die Trennung. Es bedeutet auch, den Wandel für Unternehmen zu finanzieren, die sich für den Aufbau nachhaltigerer Geschäftsmodelle einsetzen. ESG-Instrumente müssen genutzt und entwickelt werden, um Risiken und Chancen aufzuzeigen. Dabei sind Vermögensverwalter gefordert, die Führung übernehmen, weil wir einen branchenweiten Anstoss brauchen, um möglichst effektiv zu sein.
Ökologisches Bewusstsein war finanziell noch nie so sinnvoll wie heute – und der Vermögensverwaltungssektor hat die Grösse und die Kraft, den Aufbau eines neuen nachhaltigen Rahmens für die Weltwirtschaft massgebend zu unterstützen. Jedes Mal, wenn wir das Kapital unserer Kunden zum Einsatz bringen, sollten wir sicherstellen, dass wir dies mit Blick auf eine lebenswerte Zukunft tun.
André Thali ist Head Client Group CORE DACH bei Axa Investment Managers.