Stéphane Déo, Head of Markets Strategy bei Ostrum Asset Management, sagt, wie digitale Zentralbanken-Währungen das globale Finanzsystem, wie wir es kennen, von Grund auf verändern könnten.


Stéphane Déo, das Projekt der People’s Bank of China zu einem digitalen Yuan ist bereits in einem fortgeschrittenen Stadium, und die Europäische Zentralbank (EZB) hat unlängst ein Konsultationsverfahren zum digitalen Euro abgeschlossen. Welchen Nutzen könnten solche digitalen Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currencies, CBDCs) bieten?

Sie könnten die finanzielle Infrastruktur in jedem Rechtsraum, in dem sie eingeführt werden, massgeblich verändern. Die Transaktionskosten und Abwicklungsfristen für Zahlungen könnten verringert werden, was zu Effizienzsteigerungen in kompletten nationalen – und im Falle der EZB transnationalen – Volkswirtschaften führen würde.

Unserer Meinung nach, können sie die Kosten für die Produktion und Verteilung von physischem Bargeld senken, den Wettbewerb zwischen Zahlungsanbietern verstärken und Barrieren zwischen abgeschotteten Zahlungsumgebungen und dem breiteren Zahlungssystem einreissen – etwa für die geschützten Ökosysteme, die mehreren chinesischen Online-Einzelhandelsplattformen unterstehen.

«Die Zentralbanken könnten im Notfall weit schneller Liquiditätshilfen anbieten»

Ebenso könnten CBDCs eine deutlich direktere Übersetzung der Geldpolitik bewirken als derzeit möglich. Die Zentralbanken könnten im Notfall weit schneller Liquiditätshilfen anbieten als zurzeit machbar und auf diese Weise Kettenreaktionen in künftigen Finanzkrisen vermeiden helfen.

Die Verarbeitung der Transaktionsdaten in Echtzeit würde allen Aufsichts- und Währungsbehörden eine Fülle von Informationen liefern. Die Verarbeitung dieser Daten ist ein wesentlicher Aspekt des People’s Bank of China (PBOC)-Projekts, der wichtige Fragen zum Datenschutz aufwirft.

Abschliessend ist da noch die tonangebende Wirkung, die mit einer Einführung einhergehen würde – schwer vorhersagbare Effekte zweiter Ordnung, bei denen Innovation in einem positiven Kreislauf weitere Innovationen auslöst.

Was würde das für die Bankenbranche bedeuten?

Theoretisch könnte das gewaltige Auswirkungen haben.

Zahlen Sie einen Euro auf Ihr Bankkonto ein, ist das für Ihre Bank de facto eine Verbindlichkeit. Sie haben Ihren Euro der Bank geliehen, die ihn in ihrer Bilanz verbuchen und bestimmen kann, in welchem Umfang sie ihn weiterverwendet, wenn sie Kredite vergibt, Hypothekendarlehen gewährt, in Aktien investiert und mehr. Ihr Euro ist praktisch eine Finanzierungsquelle für die übrigen Geschäfte der Bank.

«Das ist natürlich ein extremes Szenario»

Mit einer CBDC halten Sie Ihr Vermögen theoretisch direkt bei der Zentralbank – in unserem Beispiel der EZB. Für die Banken hätte das schwerwiegende Konsequenzen, da die Einlagen, mit denen sie ihre sonstigen Tätigkeiten finanzieren, schwinden oder ganz versiegen könnten. Jede grössere Verschiebung in den Bilanzen von Grossbanken hätte massive Störeffekte auf die gesamte Realwirtschaft.

Das ist natürlich ein extremes Szenario, und jede Umwälzung in dieser Grössenordnung wird sicherlich ins Visier der Aufsichtsbehörden und der Lobbyarbeit der Banken geraten. Es sollte aber deutlich machen, wie gross potenzielle Veränderungen ausfallen könnten.

Betrachten wir beispielsweise noch einmal das Projekt der PBOC zum digitalen Yuan. Darin ist vorgesehen, dass das von der Zentralbank ausgegebene Digitalgeld weiterhin von den Geschäftsbanken verwahrt wird. Das wäre dann mit Einlagen zu vergleichen. Damit bliebe den Banken ihre Finanzierungsquelle in der Praxis erhalten – und es würde ein wertvoller Eindruck von Kontinuität zwischen den beiden Betriebsmodellen vermittelt.

Im Hinblick auf mögliche komplementäre Chancen: Wie passen Cybersicherheit, Kundenidentifizierung (KYC) und Geldwäscheprävention (AML) ins Bild?

Sollte es im Bankensystem langfristig zu einer Umstrukturierung kommen, erscheint nur folgerichtig, dass sich die Banken eher zu IT-Anbietern entwickeln werden. Diese Veränderung klingt aber dramatischer, als sie ist, wenngleich feststeht, dass Cybersicherheit eine immer zentralere Rolle spielen wird, wenn sich die Risiken von den Banken in die Zahlungskette verlagern.

«Wir bewegen uns hier im Bereich der Spekulation»

In Bezug auf KYC, AML und andere Praktiken zur Betrugsbekämpfung erkennen wir eine gewaltige Chance. Selbst ein kleines Institut kann jeden Tag Tausende verdächtiger Transaktionen veranlassen: Die Art von Daten, die eine digitale Währung in jede Transaktion einbettet, bedeutet, dass sich eine Triage erheblich beschleunigen lässt.

Was für Innovationen könnten digitale Währungen in der breiteren Wirtschaft herbeiführen?

Auf kurze Sicht können digitale Währungen schnellere, billigere und effizientere Abläufe im inländischen und internationalen Zahlungsverkehr bewirken – doch das ist nur der erste Schritt.

Wir bewegen uns hier im Bereich der Spekulation, doch wie könnte beispielsweise ihr Effekt auf das Kreditwesen aussehen? Es dürfte gleich auf mehreren Ebenen Umwälzungen geben, doch diese sind schwer vorhersagbar, weil jede auf der vorausgegangenen aufbaut – in einer Kette, deren Wirkmacht mit der Zeit zunimmt. Wir können uns diese Entwicklungen als Grundlagentechnologie vorstellen, die das Potenzial hat, Innovation in der gesamten breiteren Wirtschaft auszulösen und zu ermöglichen.

Die Währungen als solche sind dabei nicht das Ende der Geschichte – sondern erst der Anfang.


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