Können nur Grossbanken die Bedürfnisse von superreichen Kunden, richtig abdecken? Riccardo Petrachi von der LGT erklärt, wie auch mittelgrosse Privatbanken im Kampf um dieses attraktive Kundensegment Erfolg haben können, und worauf man bei sogenannten Beauty-Contests achten sollte.
Herr Petrachi, sehr wohlhabende Kunden, sogenannte Ultra-High-Net-Worth-Individuals (UHNWI), sind oft international ausgerichtet und gelten als besonders anspruchsvoll bezüglich Dienstleistungen und Produkten. Kann eine mittelgrosse Bank wie die LGT in diesem Geschäft überhaupt mit den Grossbanken mithalten?
Es ist tatsächlich so, dass UHNW-Kunden von ihrem Bankpartner Dienstleistungen, Produkte und Kompetenzen erwarten, die weit über das klassische Private Banking hinausgehen. Es stimmt auch, dass in der Schweiz viele UHNW-Kunden international aufgestellt sind.
Dies zeigt bereits ein schneller Blick in die Liste der 300 reichsten Schweizer im Monatsmagazin «Bilanz». Unser Erfolg in diesem Kundensegment beruht deshalb stark darauf, dass die LGT als Gruppe ebenfalls global aufgestellt ist.
Was bedeutet das konkret?
Das heisst beispielsweise, wir können einen Schweizer Kunden auch an seinem Zweitwohnsitz in London persönlich betreuen und für ihn ein in Singapur gebuchtes Portfolio mit asiatischen Aktien mit lokalen Spezialisten vor Ort verwalten. Man kann es auch so ausdrücken: Ohne starke internationale Präsenz wird man sich im Geschäft mit UHNWI eher schwertun.
Und wie sieht es mit dem Offering und den Kompetenzen aus?
Für viele unserer UHNW-Kunden ist wichtig, dass wir über spezielle Kompetenzen in alternativen Anlagesegmenten verfügen sowie überhaupt weltweit Zugang zu führenden Anlagemanagern haben, sei dies in Privatmärkten, beispielsweise Private Equity oder Private Debt, sei dies in liquiden alternativen Anlagesegmenten wie Hedge Funds oder versicherungsbasierten Anlagen.
«Diese Kunden wollen für ihre Bankgeschäfte gar nicht unbedingt einen One-Stop-Shop»
Gerade im jetzigen Anlageumfeld mit Negativzinsen und volatilen, hoch bewerteten Aktienmärkten sind solche Anlagen für UHNWI sehr interessant, da sie wenig mit traditionellen Anlagen korrelieren. Zudem können sie im illiquiden Anlagebereich von jährlichen Illiquiditäts-Prämien bis zu rund 5 Prozent per annum im Vergleich zu traditionellen liquiden Anlagen profitieren.
Diese Kunden verfügen über das notwendige Know-how für solche Investments, sie können langfristig investieren und die oft relativ hohen Mindestanlagesummen sind für sie keine Hürde. Impact Investments und Philanthropie sind weitere Bereiche, die für diese Kunden immer wichtiger werden.
Stimmt es, dass UHNW-Kunden von ihrer Vermögensverwaltungsbank zwingend auch Investment-Banking-Dienstleistungen erwarten?
Das sehe ich nicht so: Diese Kunden verfügen in der Regel über mehrere Bankbeziehungen und ziehen für jedes Bedürfnis den aus ihrer Sicht bestgeeigneten Partner bei. Dabei lassen sie durchaus auch die Konkurrenz spielen. Sie wollen für ihre Bankgeschäfte also gar nicht unbedingt einen One-Stop-Shop, wo sie alles unter einem Dach bekommen.
«Man sollte ehrlich sein und nicht behaupten, alles tun zu können»
Viele unserer Kunden schätzen es sogar, dass die LGT nicht im Investment Banking aktiv ist: Wegen der tieferen Risiken und damit der höheren Stabilität, aber auch, weil so gewisse Interessenskonflikte entfallen.
Mandate von UHNW-Kunden werden oft im Rahmen von Konkurrenzausschreibungen vergeben. Gibt es aus Ihrer Erfahrung ein spezielles Erfolgsrezept, um bei diesen Beauty- Contests erfolgreich abzuschneiden?
Erstens: Man sollte ehrlich sein und nicht behaupten, alles zu können und überall der beste Anbieter zu sein. Auf der anderen Seite des Tischs sind oft Spezialisten, ehemalige Banker und professionelle Family Offices. Die wissen genau, welches die Stärken einer Bank sind und welches Ranking sie in einem bestimmten Anlagesegment hat.
Zweitens: Die präsentierten Lösungen dürfen nicht mit einem individuellen Anstrich übertünchte Lösungen ab Stange sein. In diesem Segment bedeutet massgeschneidert wirklich noch massgeschneidert!
Drittens, und das ist oft nicht selbstverständlich: Man muss sophistizierte Dienstleistungen im Anlagebereich anbieten können. Stichworte hierzu sind beispielsweise Portfolio-Stresstest, Monte-Carlo-Simulationen oder strategische Asset-Allocation-Analysen, die bei uns von einem qualifizierten Kompetenz-Center durchgeführt werden.
«Diese Kunden wissen sehr genau, was sie benötigen»
Ein vierter Punkt hängt mit unserem Eigentümer zusammen: Kunden schätzen es, dass die LGT im Besitz einer Familie ist und auch von dieser geführt wird. Hinzu kommt, dass sie mit dem Eigentümer Co-Investieren können. Im Investmentjargon hat die Fürstliche Familie «skin in the game» – das ist für uns ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal.
Worin unterscheiden sich denn grundsätzlich UHNWI von HNWI?
Es gibt auch im UHNWI-Bereich verschiedene Subsegmente. Eines davon sind die sogenannten «independently wealthy», also Personen und Familien, die ein sehr grosses Vermögen geerbt haben, meist in Form von handelbaren oder bankfähigen Vermögenswerten, und die vom Vermögensertrag leben. Diese Kunden wollen zwar eine erstklassige Betreuung, ihre Bedürfnisse unterscheiden sich jedoch nicht grundsätzlich von denen eines «normalen» oder eben HNWI-Kunden.
Eine zweite wichtige Gruppe sind Multi- oder Single-Family-Offices, wo wir als Profis mit Profis sprechen. Diese wissen in der Regel sehr genau, was sie benötigen und ziehen uns vielleicht nur für ein spezialisiertes Teilmandat bei.
«Hinzu kommt, dass die Lebensverhältnisse solcher Unternehmer manchmal sehr komplex sind»
Die dritte Gruppe sind erfolgreiche Unternehmer, die häufig immer noch aktiv sind, und deren Familien. Als Unternehmer sind sie Risiken und Illiquidität gewohnt und gehen deshalb auch als Anleger bei entsprechender Gewinnaussicht grosse Risiken ein, die ein anderer Private-Banking-Kunde kaum eingehen würde.
Zum Beispiel?
Ein gutes Beispiel sind konzentrierte Positionen in einer Branche oder sogar in einer einzelnen Aktie, die ein Anleger von seinem beruflichen Hintergrund sehr gut kennt. Oder seine Bereitschaft, ein illiquides Investment zu tätigen, weil er aus seiner unternehmerischen Aktivität genügend liquide Mittel generieren kann.
Hinzu kommt, dass die Lebensverhältnisse solcher Unternehmer manchmal sehr komplex sind, mit weitverzweigten Familien, die Domizile und wirtschaftliche Interessen in verschiedenen Ländern haben.
«Wir bieten unseren Kundinnen und Kunden ein konsolidiertes Reporting an»
Ebenso komplex kann ihr Vermögen strukturiert sein, vor allem, wenn noch ein Teil im Familienunternehmen gebunden ist. Nebst ihrem bankfähigen Vermögen, das meist auf verschiedene Banken verteilt ist, besitzen sie häufig auch nicht-bankfähige Vermögensbestandteile in Form von Immobilien, Kunstsammlungen, Privatflugzeugen, Yachten oder Oldtimer-Sammlungen. Diesen Vermögensbestandteilen können dann verschiedene Verbindlichkeiten gegenüberstehen, beispielsweise in Form von Lombardkrediten oder Hypotheken.
Kann man hier überhaupt noch den Überblick behalten?
Um bei einer derart komplexen Vermögensstruktur den Gesamtüberblick zu behalten, muss man laufend unterschiedlichste Daten aktualisieren und aufbereiten, was sehr aufwändig werden kann.
Ein solcher Gesamtüberblick, basierend auf transparenten, konsistenten und aktuellen Informationen über die einzelnen Vermögensbestandteile ist aber zentral, um sinnvolle Entscheide über die strategische und taktische Vermögensaufteilung zu treffen und die damit verbundenen Risiken zu steuern.
Und wie unterstützen Sie dabei Ihre Kunden?
Wir bieten unseren Kunden ein konsolidiertes Reporting an. Dieses gibt ihnen den Überblick über ihre Vermögenswerte, über eine beliebige Anzahl von Depotstellen und Ländern hinweg, inklusive der nicht-bankfähigen Vermögenswerte. Dies stellt sicher, dass die einzelnen Konten und Anlagen einer übergeordneten Anlagestrategie entsprechen.
«Für die meisten UHNWI ist das ein zentrales Thema»
Ein besseres Verständnis der Performance- und Risikotreiber in ihrem Gesamtzusammenhang erlaubt es auch, gezielt die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um die Robustheit des Gesamtvermögens gegenüber ungünstigen Markt- und Umweltbedingungen zu optimieren.
Das UHNWI-Segment ist im Private Banking hart umkämpft. Welche mittelfristigen Ziele verfolgt die LGT in diesem Markt und wie möchte sie das angehen?
Bereits heute macht dieses Segment gemessen am Volumen über 50 Prozent unseres Geschäfts in der Schweiz aus. Unser Ziel ist, die Assets weiter signifikant auszubauen. Hierzu werden wir unter anderem unsere Dienstleistungspalette für diese Kunden gezielt ergänzen.
Beispielsweise planen wir, UHNW-Kunden, die zu klein für ein eigenes Investment Office sind, einen dedizierten Chief Investment Officer zur Seite zu stellen. Dann möchten wir auch unsere Beratung in Fragen der Family Governance verstärken.
Hier geht es beispielsweise um Fragen des Vermögenserhalts und dessen Transfer an die nächste Generation. Für die meisten UHNWI ist das ein zentrales Thema. Hier können wir unsere Expertise aus der Verwaltung grosser Familienvermögen sowie die Jahrhunderte alte Erfahrung der Fürstenfamilie, die ja selbst seit 26 Generationen erfolgreiche Unternehmer sind, nutzstiftend zu einem interessanten Gesamtpaket kombinieren.
Riccardo Petrachi ist seit 2016 bei der LGT Bank Schweiz als Leiter des UHNWI Competence Center tätig und betreut UHNWI sowie Family Offices. Zudem ist er für die Koordination des globalen UHNWI-Geschäfts der LGT Gruppe verantwortlich. Nach Stationen im Investment Banking, unter anderem bei Goldman Sachs in London und Zürich, arbeitete er in führenden Positionen im Private Banking der UBS sowie als Leiter des Private Banking bei der Rothschild Bank in Zürich.