Die fieberhafte Atmosphäre in Italien hat sich wieder etwas beruhigt – zu verdanken ist dies vor allem der Abkehr der Regierung von ihren ursprünglichen Ausgabeplänen, durch die das italienische Haushaltsdefizit in den nächsten drei Jahren bei 2,4 Prozent gelegen hätte.

Von Stephanie Butcher, Invesco Euro Equities Team, Henley

Für 2019 wird jetzt zwar immer noch mit 2,4 Prozent geplant, 2020 und 2021 soll das Defizit nun aber auf 2,1 Prozent bzw. 1,8 Prozent sinken. Die Wachstumsannahmen sind jedoch ambitioniert, und es hilft auch nicht, dass die Regierung bei der Rentenreform zurückrudert und laut über Steueränderungen nachdenkt, um sich bei den Banken Geld zur Finanzierung von Sozialleistungen zu besorgen.

In diesem Zusammenhang lohnt es, daran zu erinnern, dass mit der italienischen Verfassung ein System der gegenseitigen Kontrollen geschaffen werden sollte, um die Launen der Politik zu zügeln und genau solch ein Verhalten zu verhindern.

Letzte Instanz

Die mit der EU-Mitgliedschaft verknüpften Verpflichtungen sind Teil der italienischen Verfassung. Für eine Verfassungsänderung bräuchte die Regierung eine Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern des Parlaments – und müsste diese Stimmen gleich zweimal zusammenbekommen, damit sichergestellt ist, dass alle wirklich wissen, was sie tun.

Als letzte Instanz hat der Präsident ein eigenes Veto, damit gewährleistet ist, dass das Land keinen Staatshaushalt verabschiedet, der den EU-Regeln zuwiderläuft. All das soll den Schaden, der bereits angerichtet worden ist, nicht leugnen. Die Methoden, zu denen die führenden Vertreter der Populisten gegriffen haben, sind marktfeindlich und es ist viel Vertrauen verspielt worden.

Deutlicher Abschlag

Wie immer ist es unsere Aufgabe zu bewerten, was von alledem in die Märkte eingepreist ist, und zu entscheiden, ob jeder einzelne Anlagewert realistisch bewertet ist. Aktuell werden italienische Aktien gemessen am zyklisch bereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)1 mit einem deutlichen Abschlag gegenüber Aktien in anderen europäischen Märkten gehandelt. Anders ausgedrückt spiegelt sich die Komplexität der italienischen Politik bereits in einer höheren Risikoprämie wider.

Bemerkenswert am jüngsten Ausverkauf italienischer Staatsanleihen (BTP) war, dass dieser nicht von ähnlichen Abverkäufen in anderen europäischen Anleihemärkten begleitet war – nicht einmal in anderen Peripherieländern.

Verschlechterung der Staatsfinanzen

Daraus schliessen wir zweierlei: erstens, dass das europäische System viel robuster ist als zum Höhepunkt der Staatsschuldenkrise 2011/12, als die Sensitivität für eine Verschlechterung der Staatsfinanzen zu durchweg höheren Spreads führte, und zweitens, dass der Markt die Situation in Italien als länderspezifisches Problem betrachtet – italienische Politiker ziehen das Land in eine zunehmend missliche wirtschaftliche Lage, aber der Markt sieht kein Ansteckungsrisiko für das europäische Projekt.

Am italienischen Aktienmarkt haben die jüngsten Ereignisse den Finanzsektor am stärksten in Mitleidenschaft gezogen. Seit Bekanntwerden der Details zu den Haushaltsplänen der Regierung haben die italienischen Banken im MSCI um über 10 Prozent an Wert eingebüsst (Schlusskurse vom 27. September bis zum 5. Oktober).

Entschlossene Massnahmen

Die Banken (Intesa, Unicredit, BAMI, je nach Mandat) haben seit der Staatsschuldenkrise allesamt entschlossene Massnahmen ergriffen, um ihre Bilanzen zu heilen und besser vor derartigen Entwicklungen zu schützen. Bei Intesa und Unicredit sind diese Schritte weitgehend abschlossen.

Beide Banken weisen inzwischen eine sehr gute Kapitalausstattung auf und haben kaum noch faule Kredite in ihren Bilanzen. BAMI hat enorme Fortschritte beim Abbau fauler Kredite gemacht; eine weitere grosse Transaktion im Rahmen der Bilanzgesundung könnte noch vor Jahresende durchgeführt werden.

Was riskant ist

BAMI ist die risikoreichste der drei Aktien, aber damit stellt sich nur wieder die Frage: Was ist eingepreist? Die impliziten Eigenkapitalkosten sind eine hilfreiche Kennzahl zur Beantwortung dieser Frage. Anhand des Verhältnisses von wachstumsadjustierter Eigenkapitalrendite und Kurs-Buchwert-Verhältnis lässt sich der Abschlag berechnen, mit dem die Aktie aktuell am Markt gehandelt wird.

Generell notieren Bankaktien aktuell mit einer impliziten Eigenkapitalkostenquote von 9 bis 10 Prozent. Gemäss Daten von Citi notiert die Intesa-Aktie mit 12,8 Prozent, Unicredit mit 16,5 Prozent und BAMI mit 20,7 Prozent. Die Rangordnung scheint angemessen – Intesa am wenigsten riskant, BAMI am risikoreichsten. Aber das Ausgangsniveau von Intesa und die Abstände zwischen den dreien erscheinen uns – gemessen an den Fundamentaldaten – extrem und nicht angemessen. Unseres Erachtens stellt der Italien-Abschlag eine Anlagechance dar – auch wenn wir zustimmen würden, dass die Politik dem Land derzeit keinen Gefallen tut.

In ungeliebte Branchen investieren

Damit sind wir bei dem, was unseren Investmentansatz im Kern ausmacht. In einem Markt, der häufig heftig auf Nachrichten reagiert und absolutistische Meinungen vertritt – indem er ganze Länder oder Sektoren als «nicht investierbar» abstempelt –, versuchen wir, uns darauf zu konzentrieren, was der Markt eingepreist hat, und auf dieser Basis zu entscheiden, ob wir eine Anlagechance vor uns haben.

Häufig bedeutet das, dass wir in ungeliebten Branchen oder Anlagethemen investiert sind und dieses Engagement sogar ausbauen, wenn die Nachrichtenlage am bedrohlichsten erscheint.

Markt vergütet Risiken

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Uns ist klar, dass einige Bereiche zu deutlichen Abschlägen gegenüber anderen gehandelt werden sollten – aufgrund der Komplexität der italienischen Politik und des leider fehlenden Reformwillens der Regierung sollten italienische Anlagewerte unserer Ansicht nach nicht zu gleich hohen Bewertungen gehandelt werden wie die aus anderen europäischen Regionen. Wir glauben jedoch, dass die aktuellen Abschläge auf italienische Aktien gut für die speziellen Risiken dieses Marktes vergütet werden.


1 Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist eine häufig gebrauchte ökonomische Kennzahl zur Beurteilung von Aktien. Hierbei wird der Kurs der Aktie ins Verhältnis zu dem für einen Vergleichszeitraum bestimmten oder erwarteten Gewinn je Aktie gesetzt.


Risikohinweis: Der Wert von Anteilen kann schwanken. Dies kann teilweise auf Wechselkursänderungen zurückzuführen sein. Es ist möglich, dass Anleger bei der Rückgabe ihrer Anteile weniger als den ursprünglich angelegten Betrag zurückerhalten. Wichtige Informationen: Dieses Marketingdokument richtet sich an Privatkunden in der Schweiz. Daten vom 10. Oktober 2018, sofern nicht anders angegeben. Die in diesem Material dargestellten Prognosen und Marktaussichten sind subjektive Einschätzungen und Annahmen des Fondsmanagements oder deren Vertreter. Diese können sich jederzeit und ohne vorherige Ankündigung ändern. Diese Publikation ist nicht Bestandteil eines Verkaufsprospektes. Sie enthält lediglich allgemeine Informationen und berücksichtigt keine individuellen Erwartungen, steuerliche oder finanzielle Interessen.

Dieses Marketingdokument dient lediglich der Information und stellt keine Aufforderung zum Kauf, Halten oder Verkauf von Fondsanteilen, noch zur Übernahme einer Strategie dar. Dieses Dokuments stellt insbesondere keinen spezifischen Anlagerat dar, und lässt somit individuelle Bedürfnisse und Interessen eines Anlegers unberücksichtigt. Vor dem Erwerb von Anteilen sollten Anleger sich über die für sie geltenden Gesetze und Vorschriften informieren und unabhängigen Rat hinsichtlich der Geeignetheit der Strategie/des Fonds für ihre Anlagezwecke einholen. Dieses Marketingdokument stellt keine Empfehlung dar, in eine bestimmte Anlageklasse, Finanzinstrument oder Strategie, zu investieren. Das Dokument unterliegt nicht den regulatorischen Anforderungen, welche die Unvoreingenommenheit von Anlageempfehlungen/Anlagestrategieempfehlungen sowie das Verbot des Handels vor der Veröffentlichung der Anlageempfehlung/Anlagestrategieempfehlung vorschreiben. Diese Information dient ausschliesslich der Veranschaulichung und ist keine Empfehlung zum Kauf, Halten oder Verkauf von Finanzinstrumenten. Herausgeber in der Schweiz ist Invesco Asset Management (Schweiz) AG, Talacker 34, CH-8001 Zürich . EMEA7802/2018

Advertisement