Das Instrument Contingent Convertible Bond, oder kurz Coco genannt, wurde in der Finanzkrise geboren. Der Markt hat den Ausfall der entsprechenden Anleihen der Credit Suisse gut überstanden. Doch nun gehen die Aufsichtsbehörden über die Bücher.
Peter Kuster ist Mitglied der Swiss Bond Commission (SBC), einer Kommission der Swiss Financial Analysts Association (SFAA).
Nein, über mangelnde Aufmerksamkeit darf sich diese Anlageklasse hierzulande nicht beklagen. Seit die Finma die Additional-Tier-1-Anleihen (AT1) der Credit Suisse (CS) im Nominalwert von rund 16 Milliarden Franken im Frühling 2023 zum Eigenkapital der Grossbank geschlagen und damit für die Anleger als wertlos erklärt hat, liefern die AT1-Bonds, für die auch die Bezeichnung Contingent Convertibles (Coco) gängig ist, zuverlässig Schlagzeilen.
Während sich der internationale Markt nach dem Schockmoment rasch gefangen hat und auch für Schweizer Banken wie UBS wieder offensteht, hat es am Coco-Frankenmarkt seither keine Neuemission mehr gegeben. An einem von der SBC initiierten, sicherlich auch dank der Aktualität sehr gut besuchten SFAA-Seminar Mitte April stand allerdings nicht der Fall CS samt den damit laufenden rechtlichen Auseinandersetzungen im In- und Ausland im Zentrum.
Vielmehr beleuchteten die drei mit der Materie schon seit vielen Jahren vertrauten Referenten Matthias Ogg (Zürcher Kantonalbank), Theis Wenke (UBS Group Treasury) und Daniel Sven Björk (Swisscanto) den Coco-Markt aus Emittenten- und Anlegerperspektive.
Eigenkapital dann, wenn es wirklich benötigt wird
Das Instrument Coco ist ein Kind der globalen Finanzkrise 2008. Damals mussten die Banken grosse Abschreibungen auf ihren Aktiven vornehmen - zulasten des Eigenkapitals. Dadurch erodierte das Vertrauen in die Solidität der Banken und ihrer Vermögenswerte zusätzlich, es drohte ein Teufelskreis.
Aktienkapital dann aufzunehmen, wenn man es in einer Krise am dringendsten braucht, ist aber sehr schwierig respektive kostspielig. Deshalb wurde auch unter massgeblicher Mitwirkung der Aufsichtsbehörden das Coco-Konzept entwickelt. Banken wird es dadurch ermöglicht, in normalen Zeiten relativ günstig in grossem Umfang Mittel aufzunehmen. Diese können in einer Krise in Eigenkapital umgewandelt werden, um Verluste absorbieren.
Das erhöht die Stabilität der Bank und damit des Finanzsystems insgesamt. Der erste Coco wurde 2009 von der Lloyds Bank emittiert, viele andere grosse Banken (darunter die CS 2011) folgten. Von 2011 bis heute haben allein europäische Banken AT1-Bonds im Gesamtwert von umgerechnet 365 Milliarden Franken herausgegeben.
Für eine Bank ist die Emission eines Coco kein Standardgeschäft, sondern ein Projekt von strategischer Bedeutung. Es gilt, im Geflecht der engen und national unterschiedlichen behördlichen Regulierungen sowie steuerlicher, buchhalterischer und rechtlicher Vorgaben die richtige Struktur zu finden.
Der Anreiz für diesen Effort liegt darin, dass Coco günstiger sind, als es normales Eigenkapital wäre.
Die üblichen Verdächtigen: Laufzeit, Coupon und Nominal
Wichtige Stellschrauben sind, ähnlich wie bei einer normalen Anleihe, die Laufzeit, der Coupon und der Nennwert (Nominal). Die Laufzeit ist grundsätzlich ewig, allerdings hat der Emittent (unter Vorbehalt der Zustimmung der Behörde) das Recht, die Anleihe vorzeitig zu kündigen.
Die meisten Banken machen in der Praxis davon auch Gebrauch. Die Banken können ausserdem die Couponzahlung ausfallen lassen, um ihre Liquidität zu schonen, was bislang aber nur sehr selten vorgekommen ist. Das grösste Risiko für den Anleger ist der Verlust des Nominals, also die Umwandlung in Eigenkapital; entweder, wie im Fall der CS, über eine Abschreibung oder, wie es der Name Coco eigentlich nahelegt, über eine Wandlung in Aktien der Bank (wobei der Investor aufgrund der Konditionen dann ebenfalls substanzielle Verluste in Kauf nehmen muss).
Bislang fielen weniger als 5 Prozent des Volumens der AT1-Bonds europäischer Banken aus – Coco können damit nicht nur aus Emittenten- und Behördensicht, sondern auch aus Anlegerperspektive reizvoll sein. Zu beachten ist, dass Coco zwar alle dem gleichen Zweck dienen, das Strickmuster indes in vielen nicht unwichtigen Punkten variieren kann.
Zudem ist der Einfluss der Aufsichtsbehörden gross – sie können auch wesentliche Spielregeln verändern, wenn sie dies wollen. Nach dem Fall CS gehen die Behörden nicht nur in die Schweiz über die Bücher. Ein heikler Punkt ist die Definition des Triggers, also des Auslösers für die Abschreibung respektive die Umwandlung in Aktienkapital.
Zwar geniessen ausstehende Coco Bestandesschutz und sind damit von allfälligen rechtlichen Änderungen nicht direkt betroffen. Doch ist ein solches «Grandfathering» immer zeitlich begrenzt, was diesen Anleihen ihren von den Behörden eigentlich erwünschten ewigen Charakter raubt.
Man darf gespannt darauf sein, wo die Behörden Handlungsbedarf orten und welche Anpassungen sich daraus ergeben werden.
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