Inmitten der Herausforderungen des vergangenen Jahres vollzog sich mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz eine digitale Revolution, die das Banking grundlegend verändern wird. Matchentscheidend bleibt jedoch auch mit den neuen technologischen Möglichkeiten der Kundenfokus.
Von Simon Tribelhorn, Präsident von Liechtenstein Finance und Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV)
Blicken wir heute auf das vergangene Jahr zurück, dominieren Zukunftsängste, Krisen und Kriege. Dennoch wage ich die Prognose, dass 2023 der nächsten Generation als das Jahr in Erinnerung bleiben wird, das mit dem Durchbruch von Künstlicher Intelligenz (KI) unser Leben verändert hat.
Schon Carly Fiorina, die ehemalige CEO von Hewlett-Packard (HP), hatte vor Jahren darauf hingewiesen, dass «alles, was digitalisiert werden kann, digitalisiert werden wird».
Wichtiger Treiber für Veränderungen
Dies gilt auch für das Banking. Hier wird die fortschreitende Digitalisierung nicht zuletzt in der Finanzbranche ein bestimmender Treiber für Veränderungen sein. Liechtenstein und sein Bankenplatz haben mit dem Blockchain-Gesetz gezeigt, dass sie beim Thema Innovation «Leader» und nicht bloss «Follower» sind.
Doch in einer schnelllebigen Zeit können die Gewinner von heute rasch zu den Verlierern von Morgen gehören. So muss es also auch für einen vergleichsweise kleinen Finanzplatz Ziel bleiben, mit den digitalen globalen Champions im Markt Schritt zu halten und die Rahmenbedingungen für Innovationen laufend zu optimieren.
Kundenbedürfnisse geben den Takt vor
Hat man in den vergangenen Jahren vor allem in die Digitalisierung der Prozesse in die rückwärtigen Bereichen investiert, rückt in Zukunft das «Frontend», also die Kundenschnittstelle, in den Fokus. Ein Grundsatz wird aber bestehen bleiben: Der Kunde entscheidet, wie und wo er mit seiner Bank in Kontakt tritt.
Aus diesem Grund wird es meiner Ansicht nach immer hybride Modelle geben. Diese müssen jedoch so ausgestaltet sein, dass Kundinnen und Kunden sowohl die persönliche als auch die digitale Ansprache wie aus einem Guss wahrnehmen, ihre Bedürfnisse effizient und umfassend erfüllt werden, und sie jeden Berührungspunkt mit einem positiven Erlebnis verbinden.
Digitalisierung stärkt die Nachhaltigkeit
Mit Digitalisierung werden aber nicht bloss die Geschäftsmodelle der Banken umgestaltet, sondern die Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit vorangetrieben. Zwar mag es auf den ersten Blick so erscheinen, als ob die digitale Revolution im Widerspruch zur Nachhaltigkeit steht, insbesondere im Hinblick auf deren Energieverbrauch.
Jedoch können neue Technologien die effizientere Nutzung und Einsparung von natürlichen Ressourcen unterstützen und werden damit nicht nur mit Nachhaltigkeit vereinbar, sondern können gar dazu beitragen, Nachhaltigkeit zu fördern.
Das Ziel definiert den Weg
Die Banken spielen hier eine wichtige Rolle, können sie doch zudem das Anlagekapital der Kundschaft in nachhaltige Produkte und Dienstleistungen lenken und damit eine Transformation hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft begleiten. Für Liechtensteins Banken mit ihren auf Langfristigkeit ausgelegten Geschäftsmodellen ist «Sustainable Finance» denn auch schon lange ein Kerngeschäft. Die zunehmende Digitalisierung wird Sustainable Finance ebenfalls einen grossen Schritt nach vorne bringen.
Dabei darf nie aus den Augen verloren werden, mit welchem Ziel die neuen Technologien wie KI eingesetzt werden sollen. Denn sie sind als Investition in die Zukunft zu verstehen, die bedingen, dass das «Wie» klar mit dem «Was», sprich dem Zweck, Hand in Hand gehen.
Simon Tribelhorn ist Präsident von Liechtenstein Finance und Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV). Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen war er als Jurist sechs Jahre lang in der Finanzbranche tätig, zuletzt vier Jahre als Rechtskonsulent im Bereich Legal/Compliance bei einer Schweizer Bank. Seit Februar 2006 ist er für den LBV tätig, zunächst als Jurist, später als stellvertretender Geschäftsführer. Im Januar 2010 wurde er zum Geschäftsführer ernannt.