Ambitionierte strategische Ziele und Veränderungen im Umfeld der Banken: Matthias Oberholzer, Global Head Human Resources der LGT, über Aufgaben und Herausforderungen für Human Resources, und wie die LGT es geschafft hat, zu einer der besten Arbeitgeberinnen zu werden.


Herr Oberholzer, die LGT wird auch von Dritten, beispielsweise der Organisation «Great Place to Work», für ihre besondere Unternehmenskultur gerühmt. Was macht sie anders?

Ich kam vor einem Jahr von einer Grossbank zur LGT, die als familiengeführtes Unternehmen in vielerlei Hinsicht ganz anders agiert. Um mich einzuarbeiten, habe ich gleich nach meinem Einstieg damit begonnen, die Unternehmenskultur genauer zu analysieren.

Dafür habe ich über 100 Gespräche mit Mitarbeitenden aller Führungsstufen geführt. Herausgefunden habe ich, dass der Umgang bei der LGT über alle Einheiten und Hierarchiestufen hinweg sehr partnerschaftlich ist, man hat ein kollegiales bis freundschaftliches Verhältnis, und es gibt eine grosse Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit.

Man möchte gemeinsam etwas bewegen – und das trotz des enormen Wachstums und der Herausforderungen, die ein sehr dynamisches Umfeld mit sich bringt.

Welche sind Ihre grössten Herausforderungen?

Das wichtigste Thema, das uns auch längerfristig beschäftigen wird, ist der Mangel an Talenten. Es wird immer schwieriger, gute Talente zu gewinnen. Das wird noch dadurch verstärkt, dass die Finanzbranche als Arbeitgeber nicht mehr so attraktiv ist wie früher, als Banken noch zu den beliebtesten Arbeitgebern zählten.

Das zweite grosse Thema ist die Umstrukturierung der Arbeitswelt. Mitarbeitende möchten zunehmend mehr Flexibilität, etwa Homeoffice oder Teilzeitarbeit. Das gilt für alle Funktionen und Bereiche, egal ob Marketing, Business, Compliance oder IT. Die Herausforderung besteht darin, hybride Arbeitsmodelle zu entwickeln, welche diese Erwartungen, die Bedürfnisse des Unternehmens sowie die teilweise engen regulatorischen Anforderungen im Sinne einer partnerschaftlichen Kultur unter einen Hut bringen.

Eine weitere Herausforderung, auch für HR, ist die Digitalisierung. Durch sie verändern sich viele Rollen und Arbeitsformen. Die agile Arbeitsweise wird immer wichtiger und führt vermehrt zu Projektarbeiten, bei denen die Mitarbeitenden nicht mehr nur für eine oder einen Linienmanager arbeiten, sondern für mehrere.

Wir müssen also nicht nur dafür sorgen, dass sie die entsprechenden Skills haben, sondern auch die kulturelle Veränderung begleiten und unterstützen.

Was macht die LGT in dieser Richtung?

Um herauszufinden, was wir für unsere Zukunftsfähigkeit tun müssen, haben wir eine unternehmensweite Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus allen Niederlassungen und unterschiedlichen Einheiten zusammengestellt.

Diese hat in einem ersten Schritt analysiert, wie unsere Unternehmenskultur gruppenweit gesehen und erlebt wird. In einem zweiten Schritt hat sie erarbeitet, wie unsere starke Firmenkultur uns auch in Zukunft helfen und erweitert werden kann, um unsere strategischen Ziele zu erreichen.

Mit welchen Massnahmen kann man das erreichen?

Mögliche Ansatzpunkte sind zum Beispiel, an unserer Feedbackkultur und dem Empowerment unserer Mitarbeitenden zu arbeiten. Der Einsatz von agilen Arbeitsmethoden oder das Kickbox-Programm zur Innovationsförderung, mit dem wir unseren Mitarbeitenden mehr Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten bieten, zeigen, wohin es gehen könnte.

Ein wichtiger Punkt ist auch die Ausbildung unserer Führungskräfte in diese Richtung. Dafür haben wir gemeinsam mit unserer hauseigenen Liechtenstein Academy zwei neue Leadership-Programme entwickelt. Mit diesen bereiten wir Teamleiterinnen und Teamleiter auf den Schritt ins mittlere Management beziehungsweise Führungskräfte im mittleren Management auf ihre weitere Führungskarriere vor.

In diese Programme werden die kulturellen Themen und deren Einfluss auf unser Führungsverständnisintegriert und somit unsere Führungskräfte optimal auf die Zukunft vorbereitet.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Arbeit der Personalabteilung stark gewandelt. Früher hat sie die Auszahlung der Löhne abgewickelt – heute organisiert sie auch Gratis-Obst, Wellness-Angebote und Kurse zur Sensibilisierung hinsichtlich Diversität und Inklusion. Welche sind denn die wirklich wichtigen HR-Aufgaben?

Wir machen zunächst einmal alle diejenigen Dinge, die einfach funktionieren müssen: Lohn, Pensionskasse, Versicherungen. Aber damit differenziert sich ein Unternehmen nicht von anderen, damit motiviert man Mitarbeitende nicht dazu, sich mit Herz und Seele für die Aufgabe und die Firma zu engagieren.

Heute fordern Mitarbeitende mehr als einen angemessenen Lohn. Sie achten auf die Unternehmenskultur und möchten sich mit dem Unternehmenszweck identifizieren. Und sie wollen natürlich auch interessante Aufgaben und Entwicklungsperspektiven.

Nicht zuletzt sind ihnen Themen wie Nachhaltigkeit und Diversity wichtig, die in der Gesellschaft diskutiert werden und die auch unsere Zusammenarbeit und den Umgang miteinander beeinflussen. Die Diskussion über solche Themen müssen und möchten wir auch innerhalb des Unternehmens führen und wir bieten den Raum dafür.

Kann es manchmal zu viel sein aufs Mal?

Ja, die Gefahr besteht.

Human Resources ist den Mitarbeitenden und der Unternehmensleitung verpflichtet. Wie gehen Sie mit den widerstreitenden Interessen um?

Es mag zwar Themen geben, bei denen die Interessen vordergründig gegensätzlich sein könnten – bei der Höhe des Lohns etwa, beim Umwandlungssatz der Pensionskasse, oder bei der Frage, ob es mehr Mitarbeitende in einer Abteilung braucht.

Für diese Fälle muss man gemeinsam die richtige Balance finden. In den meisten Fällen sind die Interessen aber durchaus gleichgerichtet. Die Mitarbeitenden sind im Dienstleistungsbereich der wichtigste Erfolgsfaktor. Zum Wohl der Mitarbeitenden wirken sich Förderungsmassnahmen positiv auf die Motivation aus und verbessern gleichzeitig die Qualität des Kundenservice.

Daher hat auch das Management ein genauso grosses Interesse daran, das sich die Mitarbeitenden geschätzt und unterstützt fühlen.