Welche Prioritäten haben die Schweizer Banken als Schlüssel für ihren Erfolg definiert. Eine Umfrage von Bottomline Technologies zeigt interessante Unterschiede zwischen den hiesigen Finanzinstituten und ihren ausländischen Konkurrenten.
Von Vitus Rotzer, Direktor Financial Messaging, Bottomline
Schweizer Finanzinstitute bewegen sich in einer Landschaft voller spannender und potenziell herausfordernder Veränderungen. Die Pandemie hat die Entwicklung hin zu digitalisierten Zahlungen sowie die Erwartungen der Kunden in Bezug auf Geschwindigkeit, Flexibilität und Betrugsschutz beschleunigt.
Auch Fintechs sind in der Schweiz aktiv und sorgen für neue Nutzererlebnisse und mehr Wettbewerb um Kunden. Ungeachtet all dieser Herausforderungen sollte ein Ziel weiterhin ganz oben auf der Agenda eines jeden Finanzinstituts stehen: Teilnahme am Wettbewerb.
Welche Prioritäten setzt die Schweiz im digitalen Bankgeschäft?
Vor einigen Monaten hat Bottomline, ein global führender Anbieter von Lösungen für komplexe Zahlungsprozesse, eine weltweite Erhebung zu den Prioritäten initiiert, die die Banken als Schlüssel zu diesem Wettbewerb festgelegt haben.
Die Studie mit dem Titel «The Future of Competitive Advantage in Banking & Payments» (Die Zukunft des Wettbewerbsvorteils im Bank- und Zahlungsverkehr) ergab, dass die digitale Transformation für 64 Prozent aller Befragten die höchste Priorität hat. Echtzeit-Zahlungen standen an zweiter Stelle, grenzüberschreitende Zahlungen an dritter.
Das sind die globalen Ergebnisse, die sich denn auch in den meisten Länder exakt so spiegeln. In Bezug auf die Schweiz lassen sich jedoch einige sehr aufschlussreiche Unterschiede hinsichtlich der konkurrierenden Prioritäten feststellen.
Während der Rest der Welt die digitale Transformation als oberste Priorität sieht, fokussieren die Schweizer Teilnehmer deutlicher stärker auf grenzüberschreitende Zahlungen und Echtzeit-Nachrichten und -Technologie. Anhand dieser Ergebnisse lassen sich zu Beginn des neuen Jahres wichtige Erkenntnisse über die Lage der Schweizer Finanzwelt gewinnen.
Zuerst die digitale Transformation: Wieso haben die Schweizer diesen Punkt auf Platz drei der Prioritätenliste gesetzt, wo er doch weltweit die klare Nummer eins war? Die Vermutung liegt nahe, dass die digitale Transformation für Schweizer Finanzinstitute schon seit geraumer Zeit im Fokus steht – wofür es etliche Hinweise gibt. EY.com sieht den Grund für die im Ländervergleich gute Bewältigung der Pandemie in der Schweiz zum Beispiel in den digitalen Investitionen in den letzten Jahren.
Auch nutzen die Konsumenten in der Schweiz das digitale Banking früher und stärker als die Bewohner der EU: Die neuesten verfügbaren Daten für die Schweiz ergeben gemäss Eurostat eine Nutzungsrate von 73 Prozent für digitales Banking, verglichen mit 55 Prozent für die EU.
Was macht die Schweiz so einzigartig?
Die Schweiz kann sich auf grenzüberschreitende und Echtzeit-Zahlungen konzentrieren, da ihre Regulierungs- und Beratungsbehörden, einschliesslich der Schweizerischen Nationalbank, bereits lange vor der Pandemie der Ansicht waren, dass die digitale Transformation für die Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene unabdingbar ist.
Damit sind wir bei der Hauptsorge, dem grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr: Ohne eine Lösung für die digitale Transformation hat jedes Finanzinstitut im Wettbewerb beim grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr eine schwache Position. Die Schweizer Finanzverantwortlichen haben den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr wahrscheinlich aber aus einem anderen Grund hervorgehoben, und mehrere Marktdynamiken bieten eine Erklärung dafür. Erstens ist die Schweiz weltweit führend in der Vermögensverwaltung, und dieses Vermögen stammt aus bestehenden wie aus neuen Märkten.
Laut einem aktuellen Bericht von BCG über die grenzüberschreitende Vermögensverwaltung erreichten die investierbaren Vermögenswerte von vermögenden Privatpersonen (HNWI) trotz der Pandemie im Jahr 2020 einen Höchststand, und sie werden voraussichtlich bis 2025 weiter ansteigen.
Die Schweiz wickelte im Jahr 2020 auch mehr grenzüberschreitende Transaktionen ab als jedes andere Land. Sie war sogar das grösste grenzüberschreitende Buchungszentrum im Jahr 2020. Nun wird laut BCG das grenzüberschreitend verwaltete Vermögen in der Schweiz in den nächsten drei Jahren nur mässig wachsen.
Allerdings (und hier wird deutlich, warum grenzüberschreitende Zahlungen für die Schweiz so wichtig sind) machten neue Wachstumsmärkte im Jahr 2020 59 Prozent des grenzüberschreitenden Vermögens der Schweiz aus, und es wird erwartet, dass sie bis 2025 auf 61 Prozent ansteigen. Grenzüberschreitende Vorschriften, Zahlungssysteme und Technologien sind also für die kurzfristigen Einnahmen in den Bilanzen von entscheidender Bedeutung.
Echtzeit-Zahlungen und -Abwicklungen sind dann ein logisches «Nummer–zwei-Anliegen». In der EU und der Schweiz werden sie als «Instant Payments» bezeichnet. Ähnlich wie in den USA wird hier ein grosser Akteur in den Markt eintreten – in Fall der USA die Federal Reserve (Fed) mit ihrer Echtzeit-Zahlungsplattform FedNow. Für die Schweiz ist das Swiss Interbank Clearing (SIC) die wichtigste Zahlungsverkehrplattform, das von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) überwacht und gesteuert und von der SIX verwaltet wird.
Wird die Schweiz ein eigenes Zahlungssystem einführen?
Zurzeit arbeitet die Schweizerische Nationalbank an der Einführung einer neuen Sofortzahlungsschiene, dem SIC IP Service, eng mit der SIX zusammen. Diese Initiative erfolgt im Zusammenhang mit der Aufrüstung der Zahlungsinfrastruktur von SIX auf SIC 5, einer völlig neuen technischen Lösung, die sowohl Real-Time Gross Settlement (RTGS) als auch Instant Payments unterstützt. SIX hat kürzlich angekündigt, dass Instant Payments im August 2024 für die ersten teilnahmeberechtigten Banken einsatzbereit sein werden, RTGS auf SIC 5 wird kurz darauf folgen.
Um die Widerstandsfähigkeit des SIC-Finanzsystems gegen Cyber-Risiken zu stärken, planen die Schweizerische Nationalbank (SNB) und SIX zu einem späteren Zeitpunkt die Einführung des Secure Swiss Finance Network (SSFN). Das SSFN ist eine neue, auf SCION-basierende Technologie die mit der Zeit das aktuelle Finance IPnet Netzwerk für die Abwicklung von Zahlungen ersetzen wird. Dabei setzt sich der Name SCION aus den Anfangsbuchstaben der Worte scalability, control, isolation, and next-generation zusammen.
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass das Zahlungsverkehrsumfeld der EU mit ihrer Mischung aus neuen Technologien, neuen Zahlungsverkehrsschienen, verbesserten Nachrichtenformaten (wie SWIFT CBPR+ oder ISO 20022) und vielen Akronymen wie SEPA und Target–2–Konsolidierung sehr komplex ist.
Für die Schweiz ist die Vereinfachung jedoch besser zu erreichen, da sie nicht der EU angehört. Trotzdem ist sie Teil des globalen Finanzsystems, so dass man davon ausgehen kann, dass grenzüberschreitende und sofortige Zahlungen in den nächsten drei Jahren für die Finanzinstitute höchste Priorität behalten werden.
«Aber was können wir von 2022 erwarten?», höre ich Sie fragen. In dieser Hinsicht gibt es eine Reihe von Faktoren, die im kommenden Jahr die Aufmerksamkeit von Fintech– und Finanzdienstleistern erfordern. Um einen Einblick zu geben, haben wir zwölf unserer Fachexperten gebeten, ihre Sichtweise zu mehreren weltweit aktuellen Themen darzulegen.
- Erfahren Sie mehr über die «Bottomline on 2022»–Studie hier.