Viele Banken befinden sich 2021 nach einer langen Vorbereitungsphase für die IBOR-Ablösung auf der Zielgeraden. Bei neuen Produkten werden schon alternative Referenzzinssätze eingeführt. Trotzdem bleibt noch viel zu tun. Bei der Befragung von IBOR-Programmverantwortlichen stellte EY fest, dass die Hälfte der Banken das Risiko, das durch den Umfang und die Grössenordnung der erforderlichen Front-to-Back-Tests entsteht, als hoch oder sehr hoch einschätzt.

Von Eveline Hunziker, IBOR Country Leader, EY Schweiz

Der «IBOR Transition Readiness Banking Survey» von EY liefert Erkenntnisse darüber, wie sich der globale Bankensektor auf die bevorstehende Ablösung des IBOR durch neue Referenzzinssätze vorbereitet. Als bedeutender Finanzplatz ist die Schweiz davon stark betroffen.

Angesichts der knappen Fristen und Ressourcen sollten Banken auf Technologie, die aktive Kontaktaufnahme zu Kunden und die Anpassung von Verträgen fokussieren, um per Ende Jahr bereit für die IBOR-Ablösung zu sein.

Wo steht der Schweizer Finanzsektor in diesem Prozess?

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma hat beaufsichtigten Instituten aktiv Wegleitungen für die IBOR-Ablösung an die Hand gegeben. Für 2020 hatte sie ihre Erwartungen im Hinblick auf CHF-LIBOR-basierte Cash-Produkte klar formuliert. Unter anderem sollten CHF-LIBOR-Verträge ohne robuste Rückfallklauseln deutlich reduziert werden. Zwar richtete die Finma ihre Aufsichtsmitteilungen in erster Linie an die 26 am stärksten betroffenen Institute, empfiehlt aber allen Banken, sie zu berücksichtigen.

In ihrem im Dezember 2020 veröffentlichten Fahrplan sind die Schritte, mit denen Beaufsichtigte und Marktteilnehmende die Umstellung reibungslos und fristgerecht bewerkstelligen können, im Detail beschrieben. Für das Jahr 2021 sieht die Finma eine Abfolge von Fristen vor, die eine möglichst effektive Nutzung der verbleibenden Zeit bis Ende 2021 fördern sollen. Befolgen die betroffenen Parteien die Empfehlungen der Finma, sollten sie in der Lage sein, die operationelle Bereitschaft für die Ablösung des LIBOR in CHF, EUR, GBP und JPY (für alle Laufzeiten) und in USD (für 1-Wochen- und 2-Monats-Laufzeiten) bei allen Produkttypen sicherzustellen.

Worin bestehen die grössten Risiken und Herausforderungen?

Die LIBOR-Ablösung könnte ein erhebliches operationelles Risiko für beaufsichtigte Institute bergen, wenn diese sich nicht rechtzeitig und effektiv darauf vorbereiten. Bei den Schweizer Banken bereiten die operationelle Bereitschaft, rechtliche Risiken und Bewertungsrisiken am meisten Grund zur Sorge.

Die Finma geht davon aus, dass selbst kleinen oder mittelgrossen Banken (Aufsichtskategorien 3 bis 5) aufgrund der LIBOR-Ablösung komplexe Anpassungen bevorstehen. Bei Banken dieser Grösse fliesst der LIBOR im Durchschnitt in zwei bis drei interne Systeme, vier bis fünf ausgelagerte Systeme und elf Berichtsgebiete ein, die auf genaue Referenzzinssätze angewiesen sind. Ohne gezielte Massnahmen werden ihre IT-Systeme – von Kernbankensystemen und Handelsplattformen bis hin zu Buchhaltungssoftware – mit alternativen Referenzzinssätzen und Rückfallklauseln kaum zurechtkommen. Nach der Umstellung könnten diese Banken demnach Schwierigkeiten haben, entsprechende Berichte richtig und rechtzeitig zu erstellen.

Es gilt, keine Zeit zu verlieren und schnellstens eine Strategie festzulegen

Technologie ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Umstellung vom IBOR auf alternative Referenzzinssätze. Es überrascht daher nicht, dass die Finma frühzeitiges Handeln fordert. So empfiehlt die Aufsichtsbehörde, System- und Prozessveränderungen bis zum 30. Juni 2021 abzuschliessen. Vor einem Jahr bestanden die grössten Herausforderungen noch rund um die Frage, welche Systeme betroffen sein würden und wie diese Komplexität bewältigt werden könnte.

Dieses Jahr gilt statt der Komplexität eher die Grössenordnung als grösstes Risiko. Rund die Hälfte der Befragten gaben gegenüber EY an, den Umfang und die Grössenordnung der Front-to-Back-Tests als hohes oder sehr hohes Risiko einzuschätzen. Vor diesem Hintergrund gilt es, schnellstens eine Strategie, eine Führung und Massnahmen festzulegen.

Schweizer Banken haben positiv reagiert

Die aktive Kontaktaufnahme zu Kunden betreffend die Umstellung auf alternative Referenzzinssätze erfolgt nach wie vor eher sporadisch. Die Befragung von EY zeigt, dass die Umstellung hinter den Erwartungen zurückbleibt. Gemäss dem Fahrplan der Finma sollten die meisten Schweizer Banken inzwischen keine Neugeschäfte mehr abschliessen, die auf dem CHF- oder EUR-LIBOR basieren, nach Ende 2021 fällig werden und keine robusten Rückfallklauseln vorweisen.

Dasselbe Ziel sollte möglichst auch für GBP-, JPY- oder USD-LIBOR-basierte Neugeschäfte angestrebt werden. Banken sollten in der Lage sein, Kredite zu vergeben, die nicht auf dem CHF-, EUR-, GBP-, JPY- oder USD-LIBOR basieren. Die Schweizer Banken haben positiv reagiert. So führten viele 2020 erstmals Hypotheken auf Basis des Swiss Average Rate Overnight (SARON) ein.


Umfragemethodik: Im Rahmen der dritten jährlichen Umfrage zur Bereitschaft von Banken für die IBOR-Ablösung befragte EY zwischen November 2020 und Januar 2021 IBOR-Programmverantwortliche in 28 Banken mit überregionaler Präsenz. Dazu zählten globale systemrelevante Banken ebenso wie in Grossbritannien, im EMEIA-Raum und in den USA tätige lokale Banken.


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Eveline Hunziker, wo steht der Schweizer Markt derzeit in der Vorbereitung der IBOR-Ablösung?

Schweizer Unternehmen haben erhebliche Fortschritte bei der Einführung neuer SARON-basierter Produkte wie Swaps oder Hypotheken gemacht. Die Liquidität stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Allerdings wird erwartet, dass die Liquidität bei SARON-Derivaten durch das wachsende Volumen SARON-basierter Cash-Produkte zunehmen wird.

Der Fokus muss sich nun von der Bereitstellung SARON-basierter Produkte auf die Umstellung von Altverträgen verlagern, die noch auf dem CHF-LIBOR basieren.

Worin bestehen die grössten Herausforderungen für Unternehmen?

Unternehmen müssen 2021 hauptsächlich zwei Herausforderungen meistern. Erstens müssen sie Kontakt mit ihren Kunden aufnehmen, um die CHF-LIBOR-basierten Verträge neu zu verhandeln und anzupassen. Dafür benötigen sie eine Kommunikationsstrategie, die auf die Kenntnisse und Erfahrung ihrer Kunden sowie die Komplexität der Produkte zugeschnitten ist.

Technologie ist die andere Herausforderung, denn mehrere IT-Systeme und Modelle müssen so angepasst werden, dass sie die neuen SARON-basierten Produkte verarbeiten können.

Welche Schritte sollten Unternehmen dieses Jahr anvisieren?

Im Jahr 2021 dreht sich alles um die Ausführung. Bei der Kontaktaufnahme mit ihren Kunden müssen Unternehmen darauf achten, dass sie deren Feedback berücksichtigen, damit sie ihren Ansatz gegebenenfalls anpassen können.