Die Renditen bleiben niedrig, doch unter der Oberfläche tut sich einiges: Der Boom bei Green Bonds und Social Bonds geht weiter, niedrige Zinsen fördern den Trend zu Ultra-Langläufern, und für Investoren am Anleihenmarkt nehmen Auswahl, aber auch Komplexität zu.
Von Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement Anleihen, Union Investment
Auf den ersten Blick bleibt 2021 am europäischen Anleihemarkt alles wie es war. Die Notenbanken der Europäischen Währungsunion kaufen weiter Anleihen auf, niedrige Renditen prägen das Bild. Doch unter der Oberfläche tut sich einiges. Der Anleihemarkt wird vielfältiger und bunter: grüner, blauer, langlaufender.
Neue Anleiheformen und Titel mit äusserst langen Laufzeiten gewinnen an Prominenz. Zeit für eine Bestandsaufnahme, was sich hinter den «Exoten» verbirgt und worauf Anleger achten sollten.
ESG liegt im Trend
Seit der Pariser Klimakonferenz 2015 nimmt der Markt für nachhaltige Finanzanlagen enorm an Fahrt auf. Die Kriterien Environmental, Social und Governance (ESG) liegen im Trend. Kapitalanleger wollen durch ihre Investitionen einen Beitrag zur Finanzierung des Wandels hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft leisten.
Seit 2010 sind in der Gemeinschaftswährung über 900 nachhaltige Anleihen wie Green, Social, Sustainability und Sustainability-linked Bonds mit insgesamt rund 600 Milliarden Euro Volumen aufgelegt worden.
Tendenz stark steigend. Mit 342 Emissionen wurde über ein Drittel allein im Krisenjahr 2020 platziert. Dabei spielen die vom Branchenverband International Capital Market Association (ICMA) entwickelten Standards für Green und Social Bonds eine grosse Rolle.
Boom bei Green Bonds und Social Bonds
Der erste Green Bond wurde bereits 2007 von der Europäischen Investitionsbank begeben. Doch Ende 2015 lag das Gesamtvolumen dieses Marktes erst bei 52 Milliarden Euro.
Mittlerweile hat die Europäische Union (EU) einen ambitionierten Fahrplan für den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft vorgelegt, in dem sie explizit auf die Beteiligung der gesamten Finanzwirtschaft pocht. Unternehmen und Staaten stehen unter zunehmenden Druck, Mittel für ökologische und soziale Ziele einzusetzen.
Markt hat sich verzehnfacht
In der Folge hat das Interesse der Anleger ebenfalls weiter zugenommen. So erklärt sich das rasante Wachstum des Markts für Green Bonds. Mit einem Volumen von 508 Milliarden Euro hat sich der Markt in fünf Jahren etwa verzehnfacht.
Union Investment rechnet für 2021 mit einem weiteren Wachstum des Umlaufvolumens grüner Anleihen von etwa 75 Milliarden Euro.
Grün, blau, nachhaltig
Zu den bereits etablierten Green Bonds gesellen sich seit einigen Monaten weitere Formate für nachhaltige Anleihen. Was sind die Unterschiede?
Green Bonds sind ausschliesslich auf einzelne Projekte mit Klima- und Umweltzielen ausgerichtet.
Auch Sustainability Bonds oder Social Bonds sind auf bestimmte Zwecke begrenzt. Sustainability Bonds dienen der Finanzierung einer Kombination aus Umwelt- und Sozialprojekten und richten sich nach den Vorgaben der Vereinten Nationen für 17 Nachhaltige Entwicklungsziele (UN Sustainability Development Goals, SDG).
Enorme Nachfrage
Ein Social Bond fokussiert auf soziale Themen und kann beispielsweise der Finanzierung von sozialem Wohnraum dienen oder einer finanziell tragbaren Wasserversorgung. Social Bonds mit Bezug zum Thema Wasser werden auch Blue Bonds genannt. Die Nachfrage nach dem ersten Social Bond der EU war 2020 enorm.
Wenn die vom Europäischen Rat genehmigten Kredite und Zuschüsse des Corona-Krisenpakets vollständig abgerufen werden, würde die EU sich bis 2026 mit einem Anleihevolumen von bis zu 850 Milliarden Euro zu einem gewichtigen Spieler am Kapitalmarkt entwickeln.
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