Die Ereignisse der letzten Wochen an den weltweiten Finanzmärkten werden mit Sicherheit in die Geschichte eingehen. Die Aktienmärkte haben über den Globus verteilt innerhalb kürzester Zeit um die 30 Prozent von ihren erst im Februar neu ausgebildeten Allzeithochs verloren.

Von Bertan Güler, Senior Portfolio Manager Multi Assets bei Baloise Asset Management

Um eine derart schnelle Trendwende von einer «himmelhoch jauchzenden» Markteuphorie auf die aktuelle «zu Tode betrübt»-Stimmung in den Geschichtsbüchern zu finden, muss man schon weit zurückgehen und wird doch nicht fündig.

Im Schnitt haben die Aktienmärkte für die aktuelle 25- bis 30-prozentige Korrektur lediglich 24 Tage benötigt. Damit hat die aktuelle Panik derartige Verluste mehr als doppelt so schnell ausgebildet wie die Wall Street-Panik des Jahres 1929. Damals benötigte es 56 Tage ehe ein 25-prozentiger Verlust eingetreten war.

Schlimmster Crash

Der anfänglichen Panik in 1929 folgte der Crash der 1930er-Jahre, der in die Geschichte als die «Great Depression» oder die «Weltwirtschaftskrise» eingegangen ist. Die Verluste der Aktienmärkte haben sich in dieser Zeit von den 25 Prozent im Oktober 1929 auf weitere 80 bis 90 Prozent bis in den Sommer des Jahres 1932 ausgebaut. Damit gilt dieser Crash bis heute als der schlimmste Crash in der Geschichte der Finanzmärkte der vergangenen 120 Jahre.

Aktienmarkt-Crashes treten indes viel häufiger auf als man glauben möchte. In vielen Fällen legt sich die erste Panik jedoch schnell und die Märkte kehren wieder zur Normalität zurück. In einigen Krisen häufen sich hingegen Verluste auf, die weit über die ersten 25 Prozent hinaus gehen und nicht selten Niveaus von 50 bis über 70 Prozent erreichen.

Neben der Great Depression sind die Ölkrise der 1970er-Jahre, die Dotcom-Bubble zu Beginn dieses Jahrhunderts als auch die Finanzkrise von 2008 als derartige Megacrashes zu nennen. All diese Ereignisse besitzen typische Eigenschaften, auf die wir im Folgenden genauer eingehen.

Vergleich mit den ersten Wochen der Coronavirus-Krise

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Grosse Crashes treten verzögert, simultan und in Rezessionen auf

Bei der Analyse der Eigenschaften dieser Crashphasen offenbaren sich wiederkehrende Muster. Historisch bedurfte die Ausbildung eines 25-Prozent-Verlustes von einem vorherigen Allzeithoch stets einer Vorlaufzeit. Selbst der neue Rekordhalter in dieser Kategorie, die aktuelle Corona Virus-Krise, benötigte für diesen Verlust drei bis vier Wochen.

Während ein derartiger Verlust auch 1929 noch recht zügig in zwei Monaten auftrat, benötigte es in den allermeisten historischen Crashphasen im Durchschnitt mehr als sechs Monate, in manchen Fällen sogar mehr als ein Jahr.

Der «Flash Crash» von 1987 trat zwar an einem Tag auf, jedoch bildeten sich bereits in dessen Vorfeld Verluste über einen Monat hinweg aus. Betrachtet man die grösseren Verlustphasen von 40 Prozent und mehr, so nimmt diese Tendenz noch zu. Derartige Verluste benötigten historisch im Schnitt über ein Jahr bis zur Realisierung.

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Die Höhe der maximalen Verluste in Crashzeiten hängt ferner davon ab, ob der ersten Finanzmarktpanik ein Konjunktureinbruch folgt. Kommt es im Anschluss an derartige Krisen zu Rezessionen, so liessen sich in den meisten historischen Fällen weitere Verluste von 30 Prozent bis über 60 Prozent beobachten.

Was erwartet uns jetzt?

Die ersten Wochen der aktuellen Krise haben die Wall-Street-Panik von 1929 zwar in punkto Geschwindigkeit auf die Plätze verwiesen; sie müssen aber nicht zwangsläufig einen vergleichbaren Crash zur Folge haben. Leider sind aktuell zwei Zutaten im Corona-Cocktail auszumachen, die weitere Verluste an den weltweiten Finanzmärkten erahnen lassen: Neben dem simultanen Eintreten der Verluste an Aktienmärkten weltweit scheint auch eine Rezession unvermeidbar. Auch die zwischenzeitliche Erholung vieler Aktienmärkte konnte erst etwa 50 Prozent der vorherigen Verluste aufholen, so dass man trotz der aktuell wieder positiveren Marktstimmung weiter Vorsicht walten lassen sollte.

Je schneller eine Therapie, ein Medikament oder ein Impfstoff gefunden werden kann, desto schneller kann diese Krise überwunden werden – kann die Welt zur Normalität zurückkehren. Je länger wir hingegen in der Ungewissheit verharren, desto grösser ist der potenzielle Schaden für die globale Konjunktur.

Die Regierungen und Notenbanken weltweit sind sich mittlerweile dieses Risikos bewusst und ergreifen entsprechende Massnahmen, um die aus der Krise entstandenen Risiken möglichst zu begrenzen. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob die Massnahmen tatsächlich ausreichen.


Bertan Güler ist Senior Portfolio Manager Multi Assets bei Baloise Asset Management. Nach einem Studium der Wirtschaftsmathematik folgten berufliche Stationen im quantitativen Risiko- und Investmentmanagement. Aktuell liegt sein Schwerpunkt in der Entwicklung systematischer Investmentstrategien mit einem besonderen Fokus auf Absicherungen sowie dem Management von regelbasierten Multi Assets Fonds.


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