Verkaufen werde dann problematisch, wenn eine Bank Druck auf ihre Kundenberater mache, bestimmte Produkte zu «pushen» und hierfür Umsatzziele vorgibt, erklären Oliver Pernet und Mike Brun von der LGT im Interview.


Herr Pernet, das Umfeld im Private Banking hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Manche Kundenberater bemängeln, dass ihr Gestaltungsspielraum kleiner geworden ist. Teilen Sie diese Einschätzung?

Oliver Pernet: Wenn man unter Gestaltungsspielraum primär versteht, dass man für seine Kunden in alle möglichen Wertschriften und Anlageformen ohne Einschränkung und administrative Hürden investieren kann, dann hat die starke Regulierung der letzten Jahre den Spielraum sicherlich verkleinert.

Ich denke, entscheidend ist, wie eine Bank mit diesen Rahmenbedingungen umgeht. Bei der LGT haben wir Technologie genutzt, um unsere Kundenberater durch IT-gestützte, automatisierte Prozesse weitgehend von administrativen Arbeiten und aufwendigen Compliance-Checks zu entlasten. Trotz der Regulierung kann er deshalb sein Zeitbudget vermehrt ins Kundengespräch und in die Qualität der Beratung investieren.

«Es liegt an der Kreativität und am Engagement des einzelnen Beraters, ob er diese Chancen auch nutzt»

Mike Brun: Aus meiner Sicht ist der Gestaltungsspielraum inhaltlich sogar grösser geworden: Dass sich die Rolle des Kundenberaters gewandelt hat, vom Produktspezialisten zum Finanzcoach, der eine ganzheitliche Vermögensberatung anbietet, ist mittlerweile ein Gemeinplatz, auch wenn der Anspruch nicht immer eingelöst wird.

Hinzugekommen sind aber ganz neue Themen wie nachhaltiges Anlegen, Impact Investing oder Philanthropie. Dies gibt einem Berater die Möglichkeit, seine Kunden auf einer viel persönlicheren Ebene anzusprechen und ihn so besser kennenzulernen. Es liegt an der Kreativität und am Engagement des einzelnen Beraters, ob er diese Chancen auch nutzt.

Oft hört man, Kundenberater seien heute primär Verkäufer und weniger den Interessen des Kunden verpflichtet. Ist daran etwas wahr?

Zunächst einmal: Einem Kunden etwas zu verkaufen ist für sich gesehen nichts Falsches. Voraussetzung ist natürlich, dass eine Anlagelösung oder ein Produkt für den Kunden Sinn machen und ihn dabei unterstützen, seine finanziellen Ziele zu erreichen.

«Ein rein verkäuferischer Ansatz mag kurzfristig positiv sein, langfristig wird er sich negativ auswirken»

Dies wiederum setzt voraus, dass ich den Kunden, seine Bedürfnisse und seine Risikotoleranz möglichst gut kenne. Problematisch wird es dann, wenn eine Bank Druck auf ihre Kundenberater ausübt, bestimmte Produkte zu «pushen» und hierfür Umsatzziele vorgibt, wenn also gewissermassen «the flavour of the week» am Montag vorgibt, was ich in der laufenden Woche meinen Kunden verkaufen muss und wie hoch mein Umsatz sein soll.

Pernet: Die Beratung in Vermögensfragen ist Vertrauenssache. Vertrauen wird über Zeit aufgebaut und entsteht nur bei Interessenkongruenz. Ein rein verkäuferischer Ansatz, wie ihn mein Kollege beschrieben hat, mag kurzfristig positiv für die Erträge sein, langfristig wird er sich mit Sicherheit negativ auf die Kundenbeziehung auswirken.

«Die Frage ist, was ‹unternehmerisch› bedeutet»

Ich glaube, es macht einen grossen Unterschied, ob eine Bank lang- oder kurzfristig orientiert ist und ich denke, dass familiengeführte Unternehmen wie die LGT hier einen echten Vorteil besitzen. Neben der langfristigen Orientierung zeichnet die LGT auch aus, dass die Kunden, die Fürstliche Familie und unsere Mitarbeitenden in die gleichen Anlagelösungen investieren können. Auch dies fördert die Interessenkongruenz.

Im Idealfall sollen Kundenberater heute «unternehmerisch» handeln. Doch wie soll das als Angestellter einer Bank denn möglich sein?

Die Frage ist, was «unternehmerisch» bedeutet. Für mich bedeutet unternehmerisch, dass mein Vorgesetzter mir Ziele – auch ehrgeizige – vorgibt, ich aber grossen Freiraum habe, wie ich diese Ziele erreichen will. Ebenso wie ich meinen Beratern hohe Ziele vorgebe und es ihnen überlasse, wie sie diese konkret umsetzen. Wenn zusätzlich die Bank die geeignete Plattform und die richtigen Ressourcen zur Verfügung stellt, sind optimale Voraussetzungen für unternehmerisches Handeln gegeben.

«Ein unternehmerischer Ansatz fördert neue Ideen»

Brun: Unternehmerisch bedeutet für mich ebenso, dass ich als Kundenberater meine Kompensation durch meinen Einsatz und mein Können mitbeinflussen kann und dass ich die Möglichkeit habe, Neues auszuprobieren und dabei auch Fehler zu machen, aus denen ich lernen kann.

Welche Voraussetzungen sind dazu nötig?

Pernet: Es braucht ein Denken über das eigene Fachgebiet hinaus, die Fähigkeit, Chancen zu erkennen, eine grosse Portion Kreativität gepaart mit einer hohen Sozialkompetenz, Belastbarkeit, den Mut, kalkulierte Risiken einzugehen sowie einen gesunden Menschenverstand.

Ist ein verstärkt unternehmerischer Ansatz für die Bank selber nicht mit erheblich höheren Risiken und Gefahren verbunden?

Brun: Das hängt zum Teil davon, wie gut die Compliance im Unternehmen funktioniert, ist aber letztlich eine Frage der Risiko- und Unternehmenskultur. Ein unternehmerischer Ansatz fördert kreative und neue Ideen. Eine klare Kommunikation schafft die notwendige Transparenz, um Risiken und Gefahren rechtzeitig zu erkennen.

«Überehrgeizige Kundenberater, die nur ihre Karriere und ihren Bonus maximieren möchten, kommen nicht zu uns»

Pernet: Wichtig ist auch, dass man die «richtigen» Leute an Bord hat. Die LGT hat in der Branche sicher nicht den Ruf, Erträge kurzfristig zu maximieren und dabei unangemessene Risiken einzugehen. Überehrgeizige Kundenberater, die voll auf Risiko gehen, keine Teamplayer sind und lediglich ihre Karriere und ihren Bonus maximieren möchten, werden schon gar nicht zu uns kommen wollen.

Wie wird der Kundenberater in fünf Jahren tätig sein, insbesondere angesichts der technologischen Entwicklungen?

Technologie hat die Art der Kommunikation mit den Kunden in den letzten Jahren stark verändert und wird diese weiter verändern. Technologie wird es vermehrt auch ermöglichen, Daten besser auszuwerten, beispielsweise Kundenportfolios intelligent zu analysieren, und so die Beratungsqualität verbessern.

«Robo-Advisors werden unsere Rolle als Kundenberater nie übernehmen können – nicht im Private Banking»

Was sich nicht verändern wird: Der persönliche Kontakt zwischen Kunde und Berater bleibt zentral. Robo-Advisors werden unsere Rolle als Kundenberater nie übernehmen können – zumindest nicht im Private Banking.

Brun: Technologie und die intelligente Nutzung neuer Kommunikationsmedien werden mehr Flexibilität in der Gestaltung des Berufsalltages erlauben und vielleicht auch neue Chancen eröffnen, um Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bringen.

Sucht die LGT derzeit nach zusätzlichen Kundenberatern?

Pernet: Ja, wir suchen aktiv «unternehmerische» Kundenberater, die der obenstehenden Definition entsprechen.


Olivier Pernet absolvierte die Matura am HIF in Ftan, studierte dann Rechtswissenschaften an der Universität Basel, absolvierte ein Nachdiplomstudium am IFZ in Zug und machte ein Advanced Management Program am IMD in Lausanne. Er arbeitete mehr als zwölf Jahre bei der Credit Suisse, wo er auch verschiedene Führungsaufgaben im In- und Ausland übernahm. Seit 2014 ist er Regionalleiter im Markt Schweiz bei der LGT Vaduz.

Mike Brun studierte Betriebsökonomie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und bildete sich zusätzlich zum Certified Wealth Management Advisor (CWMA) aus. Er arbeitete mehr als zwölf Jahre bei der UBS im Bereich Corporate und Private Banking. Seit Anfang 2019 ist er Senior Relationship Manager im Markt Schweiz bei der LGT Vaduz.