Schweizer Bundesobligationen und der Franken dürften von einer Verschlechterung der Handelsbeziehung zwischen der EU und den USA profitieren, während der lokale Aktienmarkt weniger leidet als der Rest Europas.

Von Christoph Schon, Executive Director für Applied Research in EMEA bei Axioma

Am 15. Mai 2019 verkündete Präsident Donald Trump einen Aufschub der Entscheidung bezüglich der Strafzölle auf Automobilimporte aus der EU um bis zu sechs Monate. Allerdings dürfte diese Verschnaufpause vermutlich nur temporär sein, denn die Bedrohung bleibt nach wie vor bestehen.

Die Sonderabgaben von bis zu 20 Prozent wurden erstmals im Juni 2018 angekündigt. Seitdem haben beide Seiten mehrfach ihre Bereitschaft zu einem Handelsabkommen signalisiert, um die schädlichen Zölle zu vermeiden, aber es war bisher nur wenig Fortschritt zu vermelden.

Sichere Häfen

In der Zwischenzeit erstellte das US-Handelsministerium einen Report für das Weisse Haus, in dem untersucht wurde, ob Kraftfahrzeuge und Teile aus Europa eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten darstellen.

Es ist abzusehen, dass spezifische Zölle auf Autoimporte die deutsche Wirtschaft mit ihrer starken Abhängigkeit von der Automobilindustrie besonders hart treffen werden. Allerdings ist auch eine nachteilige Auswirkung auf dem Schweizer Aktienmarkt zu erwarten, insbesondere auf zyklische Branchen. Der Franken und Bundesobligationen hingegen sollten von ihrem Status als sichere Häfen in einem solchen Szenario profitieren.

Deutschland wahrscheinlich am stärksten betroffen…

Eine mögliche Auswirkung einer Verschlechterung der amerikanisch-europäischen Handelsbeziehungen konnten wir bereits in der zweiten Junihälfte 2018 beobachten, als der deutsche Aktienmarkt innerhalb von zwei Wochen um 6 Prozent einbrach. Der Automobilsektor wurde dabei doppelt so stark getroffen, verglichen mit einem Rückgang von gerade einmal 3 Prozent für den europäischen Gesamtmarkt.

Ein Abwärtsschock von 6 Prozent für den deutschen Aktienindex (DAX) erscheint daher ein geeigneter Startpunkt zu sein, um ein solches Szenario mit Hilfe eines Stresstests zu modellieren.

Verschiedene Wellen

Die untenstehende Tabelle zeigt simulierte Renditen von ausgewählten Ländern und Sektoren in Axioma‘s europäischem Multi-Anlageklassen-Portfolio. Die Zahlen in der zweiten Spalte basieren auf den tatsächlichen Marktbewegungen von Mitte bis Ende Juni 2018, während die Renditen in der dritten und vierten Spalte mithilfe von sogenannten transitiven Stresstests in der Axioma-Risk-Portfolioanalyse-Plattform simuliert wurden.

In den beiden letzten Fällen wird der erwähnte Schock auf den deutschen Leitindex angewandt und die Effekte dann mittels der Korrelationen während des zweiten Quartals 2018 beziehungsweise über die drei Monate bis zum 6. April 2019 auf die übrigen Preisfaktoren übertragen, um die Gesamtauswirkungen für das Portfolio zu schätzen.

Simulierte Renditen ausgewählter Länder und Sektoren

Axioma simulierte Renditen Full

Quelle: Axioma Risk™

Die Resultate bestätigen, dass Deutschland in solch einem Szenario eines der am stärksten betroffenen europäischen Länder sein dürfte. Unter aktuellen Korrelationen können wir auch einen grösseren Effekt auf den französischen Markt feststellen, der die jüngste Welle an negativen (wirtschaftlichen) Schlagzeilen dort widerspiegelt.

…insbesondere die hochwichtige Automobilbranche

Der deutsche Automobilsektor zeigt erneut die grösste Negativrendite von -9 Prozent, die allerdings geringer ausfällt als die tatsächlichen -12 Prozent, die wir im Juni 2018 beobachten konnten. Auf gesamteuropäischer Ebene wiesen Nicht-Basiskonsumgüter-Produzenten, zu denen auch die Automobilhersteller zählen, zusammen mit anderen zyklischen Branchen wie Rohstoffe, Industrieunternehmen und Informationstechnologie zu den grössten Verlierern.

Letztere sind allerdings auch allesamt kritische Teile der deutschen Volkswirtschaft. Defensivere Industrien wie Versorgungsbetriebe, Immobilien und Basiskonsumgüter waren hingegen tendenziell weniger stark betroffen.

Franken und Bundesobligationen sollten profitieren

Sichere Staatsanleihen sollten hauptsächlich von der Flucht in Qualitätstitel profitieren. Obligationen der Schweizerischen Eidgenossenschaft zeigten die höchste, durationsbereinigte Rendite (normalisiert auf eine Durschnittsduration von 7 Jahren), die grösser ausfiel als bei vergleichbaren Papieren aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Periphere Emittenten hingegen müssten mit einem Anstieg ihrer Risikoprämien rechnen.

Insbesondere basierend auf den Korrelationen vom 2. Quartal 2018 zeigte Italien eine ausgeprägte negative Rendite, da diese Zeitperiode den Anfang der Budget-Streitigkeiten zwischen der neugewählten, populistischen Regierung und der Europäischen Kommission markierte. Aber auch unter den jüngsten Bedingungen weisen italienische BTPs nach wie vor ein erhebliches Zinsaufschlagsrisiko auf.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Schweizer Investoren ihre Geldmittel im heimischen Markt behalten sollten, wenn sie in solch einem Szenario auf Nummer sicher gehen wollen, da ausländische Anlagen dem doppelten Risiko eines Kursverfalls und einer Währungsabwertung gegenüber dem Franken ausgesetzt sind. Wenn jedoch das Kapital in Euro oder Dollar verbleiben muss, sollte man hochqualitative Staatsanleihen oder zumindest defensivere Branchen in Betracht ziehen.



Christoph Schon, CFA, CIPM, ist seit Mai 2016 als Executive Director für das Applied Research in EMEA bei Axioma in London verantwortlich. Er hat mehr als zehn Jahre Erfahrung im Bereich der Portfoliorisiko- und Performance-Analyse bei verschiedenen Systemanbietern (POINT, UBS Delta) und war davor sechs Jahre als Rentenanalyst bei der Dresdner Bank tätig. Er ist diplomierter Wirtschaftsingenieur von der TU Darmstadt.