Die Eskalation des Handelskonflikts sorgt weiter für Unruhe an den Märkten. China als wichtigstes Ziel der US-Attacken schlägt jedes Mal zurück und versucht, seine Wettbewerbsfähigkeit weltweit zu erhöhen.
Von Yoann Ignatiew & Charles-Edouard Bilbault, Co-Fondsmanager des R Valor, Rothschild Asset Management
In den Vereinigten Staaten wird die Situation für die Republikaner angesichts der anstehenden Zwischenwahlen komplexer. Im Repräsentantenhaus werden die Demokraten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Oberhand gewinnen. Im Senat ist dies zwar unwahrscheinlicher, doch es bleibt durchaus denkbar. Gegen einen solchen Wahlausgang spricht allerdings das Fehlen einer starken Führung in der Opposition.
Derzeit zielt Donald Trumps Strategie hauptsächlich darauf ab, die öffentlichen Debatten auf grosse strukturelle Themen zu lenken, wie es ihm mit seinem Handelskonflikt gelungen ist. Ausserdem zerrt er bestimmte Märkte ins Rampenlicht, um grundlegende Fragen zu stellen, etwa in Bezug auf die Regulierung grosser Technologieunternehmen mit Monopolstellung, den Datenschutz sowie jedes andere strittige Thema, das es ihm ermöglicht, die Aufmerksamkeit von seiner Person abzulenken.
Technologieunternehmen im Leerlauf
Dementsprechend hatten die grossen amerikanischen Technologiewerte Einbussen zu verzeichnen. Dies gilt besonders für Facebook, wo die Ergebnisse und der kurzfristige Ausblick relativ enttäuschend ausfielen. Wir gehen aber davon aus, dass dank der vielfältigen Monetisierungsmöglichkeiten das mittel- und langfristige Potenzial des Unternehmens von Mark Zuckerberg erhalten bleibt. Facebook ist für Anzeigenkunden weiterhin eine unverzichtbare Plattform, die sich für die verschiedenen Werbeagenturen kontinuierlich als lohnend erweist. Wir behalten unsere Position in diesem Titel bei. In China bekamen Titel wie Alibaba und Vipshop den Handelskonflikt mit voller Wucht zu spüren. Diese in den USA notierten Unternehmen weisen ihre Ergebnisse in Renminbi aus und gelten als Barometer für das derzeitige Marktumfeld.
Daher gerieten sie in besonderer Weise unter Druck und wurden in den vergangenen Monaten überdurchschnittlich stark in Mitleidenschaft gezogen. Dennoch behalten wir unsere Überzeugungen auf längere Sicht bei, weil wir auf die Entwicklung des chinesischen Konsums als strukturelles Thema vertrauen. Unserer Ansicht nach besitzen die chinesischen Titel weiterhin ein starkes Leistungspotenzial für den Fall, dass sich der Handelskonflikt zwischen China und den USA entschärft.
Enttäuschende Leistung der Finanzwerte
Auch der Finanzsektor verzeichnete insgesamt enttäuschende Ergebnisse. Das Quartal stand unter dem Eindruck der alles in allem zufriedenstellenden Ergebnisse von Stresstests.
«Die US-Zentralbank wird wohl ihre Obergrenze beibehalten, so dass die Zinskurve steiler wird»
Die erwartete Aufwertung des Sektors wurde jedoch von der Zurückhaltung der Anleger behindert, die ein Zyklusende der US Wirtschaft und ein Hard-Landing befürchten. All dies findet trotz einer weniger lockeren Geldpolitik der Fed statt, die den Sektor auf den ersten Blick eher begünstigt. Für die meisten Institute sorgt sie neben Rentabilitätszuwächsen für tendenziell bessere Effizienzkennzahlen. Die amerikanische Zentralbank wird wohl ihre Obergrenze beibehalten, sodass die Zinskurve steiler wird.
Das derzeitige Rentabilitätsniveau der Banken ist mit dem Stand vor der Krise vergleichbar und erreicht im Fall bestimmter Institute sogar Rekordhöhen. Die Bewertungsprofile der Banken bleiben im Vergleich zu den letzten zehn Jahren höchst attraktiv. Wie es die von der Fed organisierten Stresstests illustrieren, sind die amerikanischen Finanzinstitute heute wesentlich solider aufgestellt. Ihr Ausfallrisiko ist sehr gering, und sie können den Aktionären umfangreiche Ausschüttungsprogramme in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen bieten. Unsere Strategie hinsichtlich dieser Werte besteht darin, einen disziplinierten Ansatz beizubehalten und unsere Positionen je nach Marktchancen auszubauen.
Rosige Aussichten für Healthcare
Unser Engagement im Gesundheitssektor erwies sich als vorteilhaft, was insbesondere auf das Abklingen der öffentlichen Debatte über Medikamentenpreise in den USA zurückzuführen ist. Die Gefahr, dass dieses Thema wieder auf die Tagesordnung rückt, bleibt jedoch bestehen, wenn auch wahrscheinlich nicht vor den Ergebnissen der Zwischenwahlen.
Wir glauben weiterhin an diesen Sektor und behalten vorerst unsere, im Vergleich, prominentere Gewichtung bei. Die defensive Sektor-Rotation der amerikanischen Indizes lässt sich an der Leistung dieser Branche besonders eindeutig ablesen.
Gewinnmitnahmen bei Industriewerten in der Eurozone
Im Industriesektor haben wir mit dem Verkauf von Safran wegen steigender Erfüllungsrisiken Gewinnmitnahmen getätigt. Dieses auf die Lieferanten zurückzuführende Risiko erschwerte die Beibehaltung des Produktionsrhythmus im Unternehmen. Das Problem wurde Schritt für Schritt gelöst, sodass der Titel nun stärkere langfristige Gewissheit bietet und aufwertete. Gegenüber den Werten aus der Vergangenheit befindet er sich momentan auf hohem Stand.
Mit der Integration von Zodiac sahen wir zudem eine weitere Unsicherheit voraus. Die vor fast einem Jahr angekündigte Übernahme scheint relativ komplex. Ausserdem kündigte die französische Regierung kürzlich an, ihre Beteiligung an dem Unternehmen zu reduzieren. Aufgrund der Kombination all dieser Faktoren beschlossen wir, unsere Gewinne mitzunehmen und den Titel zu verkaufen.
Neue Übereinkunft
Bei den übrigen Positionen des Sektors behalten wir den Status quo bei. Bemerkenswert sind die gute Leistung amerikanischer Industriewerte wie Honeywell sowie die gestiegene Volatilität bei Magna wegen der nordamerikanischen Freihandelsgespräche.
«Der Vertrag zwischen den USA, Kanada und Mexiko wirkt sich positiv auf unser Portfolio aus»
Nachdem die Verhandlungen zunächst von Spannungen gekennzeichnet waren, werden sie nun zu einem eher positiv zu bewertenden Abschluss führen. Die neue Übereinkunft zwischen den Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko mit dem Namen USA-Mexiko-Kanada-Abkommen (USMCA) enthält einige gegenüber dem Nafta relativ marginale Anpassungen.
Dieser Abschluss ist eine gute Nachricht für die Werte in unserem Portfolio und für den kanadischen Dollar im Allgemeinen, der in den letzten anderthalb Jahren gegenüber dem Dollar und dem Euro abgewertet hatte. Die aktuelle Phase der Aufwertung dürfte noch anhalten und stellt einen positiven Faktor für die in kanadischem Dollar notierten Werte im Portfolio dar.
Aufwertung des Dollars belastet Goldwerte
Unsere Positionen in Goldwerten haben sich leider nicht so rentabel erwiesen wie gehofft. Dies ist im Wesentlichen auf die Stärke des Dollars und die Schwäche des Renminbi zurückzuführen. Dennoch erhöhen, aufgrund der aktuellen geopolitischen Unsicherheiten und des Preisniveaus, die Zentralbanken von Russland und anderen Schwellenmärkten ihre physischen Goldreserven. Wir erwarten ausserdem eine Goldaufwertung sobald der Dollar Schwäche zeigt.
«Wir suchen global nach neuen Investmentmöglichkeiten»
Schliesslich halten wir unsere Positionen in Goldwerten, denn ihre Bewertungsprofile bleiben besonders wettbewerbsfähig. Gleiches gilt für Mining-Werte, die unserer Meinung nach faire Bewertungen haben. Gold und Mining stehen zudem in Korrelation zu den Inflationsbewegungen. Genau wie die Finanzwerte dürften sie im Fall einer zunehmenden Steigung der Zinskurve besonders stark reagieren. Ausserdem bleibt die Nachfrage hoch, sodass die momentan sehr niedrigen Metallpreise im Fall einer Lösung des Handelskonflikts stark ansteigen könnten.
Ölproduktion im Permira-Becken unter Druck
Der Ölpreis stieg im Berichtszeitraum deutlich an, aber das Angebot ändert sich kaum und bleibt unter Druck, insbesondere wegen der US-amerikanischen Sanktionen gegenüber dem Iran sowie der Situation in Libyen und Venezuela. Die Nachfrage hängt weiterhin zum grössten Teil von China und Indien ab. Auch die «Driving Season» in den USA begünstigte den Verbrauch, dessen Dynamik sich zum Ende des Jahres fortsetzen dürfte. Dies deutet einen weiteren Anstieg der Ölpreise an. Allerdings ist auf ein Problem beim Öltransport im Permira-Becken zu verweisen, wo mehrere der in unserem Portfolio enthaltenen Unternehmen ansässig sind.
Die meisten dortigen Ölproduzenten verfügen nicht über ausreichende Kapazitäten für die Beförderung des Rohstoffs, was ihre Wachstumsprognosen in Frage stellt. Die Exportinfrastruktur in dieser Gegend mit zahlreichen Ölunternehmen ist unzureichend. Diese Situation, die sich im Verlauf der Jahre 2019 und 2020 noch verschärfen dürfte, schafft momentan ein Klima der Unsicherheit und sorgt für Preisdifferenzen zwischen Brent, WTI und dem im Permira-Becken produzierten Öl.
Gleichzeitig hat sich bei Unternehmen, die Dienstleistungen für die Ölindustrie erbringen, die Volatilität erhöht. Dazu zählen Halliburton und Schlumberger, aber auch Titel wie Concho Ressources. In den letzten Wochen verzeichneten diese Werte eine deutliche Erholung.
Grünes Licht für den Verkehrssektor
Auf den Verkehrssektor wirkt sich diese Problematik genau umgekehrt aus. Hier entstehen Chancen für die von uns gehaltenen Bahnunternehmen. Der Sektor verzeichnet hohe Leistungen und ist ein Barometer für den guten Zustand der amerikanischen Wirtschaft und die Intensivierung der Handelsbeziehungen – trotz des Handelskonflikts und noch vor einem Entschluss zum ehemaligen Nafta.
Die Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen erweist sich nach wie vor als widerstandsfähig, Binnen und Aussenhandel erreichen fast Rekordstände. Zu Jahresbeginn und im Verlauf des zweiten Quartals wurden Sorgen bezüglich Erfüllungsrisiken bei Gesellschaften wie Canadian National Railway laut, weil die plötzliche Vergrösserung der Volumen eine Neuverteilung der Ressourcen erforderlich machte. Diese Massnahmen dürften ein langfristiges Kurswachstum ermöglichen und lassen für die nächsten sechs bis zwölf Monate eine Ausweitung der Margen erwarten.
Mehr Disziplin im Luxussektor
In der Branche für Luxusgüter bleiben wir uns des hohen Bewertungsniveaus bewusst. Wir nahmen bei LVMH Gewinne mit und legten sie in Richemont an, weil wir im Bereich Uhren und Schmuck grosses Potenzial sehen. Dieses wird getragen von der in Asien weiterhin sehr starken und in Nordamerika durchaus widerstandsfähigen Nachfrage. Ausserdem scheint uns diese Gesellschaft ausreichend neu strukturiert, dass eine Verbesserung der Margen miteinkalkuliert werden kann.
Beruhigt sich der Handelskonflikt?
Unserer Ansicht nach könnte die amerikanische Konjunktur weiter wachsen, denn die US-Notenbank lässt sich ausreichend Spielraum, um bei Notwendigkeit Zinsen vorsorglich zu senken. Dies könnte im Fall einer wirtschaftlichen Abkühlung, eines Anstiegs der Arbeitslosenquote oder unerwartet starker Auswirkungen des Handelskonflikts eintreten.
Diesbezüglich erwarten wir ein Abkommen zwischen China und den USA, sobald die Zwischenwahlen vorbei sind, und in der Folge eine Wiederaufnahme des Dialogs, was Schritt für Schritt eine Entspannung ermöglichen dürfte. Dennoch folgen wir aufgrund des Reifegrads der amerikanischen Konjunktur bei der Suche nach neuen Anlagechancen einem stärker international ausgerichteten Ansatz.