Vergangene Woche hat die Finanzwelt wieder Einblick in die Geldpolitik der US-Notenbank erhalten. Einerseits dank der mit Spannung erwarteten Rede von US-Notenbankpräsident Jay Powell und der Veröffentlichung des Protokolls zur letzten Sitzung des Offenmarktausschusses. 

Von Kristina Hooper, Chief Global Market Strategist, Invesco

Hier sind meine fünf wichtigsten Erkenntnisse aus der vergangenen Woche und die fünf Entwicklungen, die ich in der kommenden Woche besonders im Blick haben werde:

1. Der Offenmarktausschuss (FOMC)1 signalisiert, dass eine weitere Zinserhöhung im September erfolgen könnte.

Im Protokoll zur jüngsten FOMC-Sitzung heisst es: «Viele Teilnehmer deuteten an, dass es, wenn die neuen Daten ihren derzeitigen Wirtschaftsausblick weiterhin bestätigen sollten, schon bald angebracht sein werde, einen weiteren Schritt in der Straffung der Geldpolitik zu unternehmen.»

Anders ausgedrückt ist damit eine Zinserhöhung im September sehr wahrscheinlich – sofern nichts Unvorhergesehenes geschieht. Gleichzeitig hat das FOMC-Protokoll aber auch die anhaltenden Sorgen der US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) über die möglichen wirtschaftlichen Folgen von Handelskriegen zum Ausdruck gebracht: «Breit angelegte Zölle würden die Kaufkraft der amerikanischen Haushalte vermindern.»

Tatsächlich ist das Unbehagen so gross, dass sich einige FOMC-Teilnehmer bereits Sorgen machen, wie die Fed reagieren könnte: So heisst es im Protokoll, dass eine angemessene geldpolitische Reaktion die Notenbank angesichts der Komplexität der Handelsproblematik und ihrer möglichen Auswirkungen auf Wirtschaftsleistung und Inflation bei einer weiteren Eskalation der Handelskonflikte vor Herausforderungen stellen könne.

2. Jay Powell spricht das Risiko einer zu schnellen oder zu langsamen Straffung der Geldpolitik an.

In seiner Rede beim jährlichen Notenbank-Treffen in Jackson Hole versicherte der Fed-Vorsitzende seinen Zuhörern, dass die US-Notenbank weiter zwischen den zwei zentralen Risiken für die Wirtschaft navigieren werde:

  • dem Risiko, die Zinsen zu rasch zu erhöhen und damit die wirtschaftliche Expansion abzuwürgen
  • dem Risiko, sich zu langsam zu bewegen und damit eine destabilisierende Überhitzung der US-Wirtschaft zu riskieren

Zwar sei die Wirtschaft weiter erstarkt, es gebe aber keine Anzeichen eines erhöhten Überhitzungsrisikos, sagte Powell und stellte weitere schrittweise Zinserhöhungen in Aussicht.

Zudem betonte Powell die Vorteile eines «Risikomanagement-Ansatzes» für das neuartige Wirtschaftswachstum, mit der wir es heute zu tun hätten. Diesen Ansatz hatte Alan Greenspan als Fed-Chef Mitte der 1990er-Jahre erstmals verfolgt. «Im Vorfeld der letzten beiden Rezessionen traten die destabilisierenden Exzesse hauptsächlich auf den Finanzmärkten und nicht in der Inflation auf», erklärte Powell. «Daher spricht unter Risikomanagement-Gesichtspunkten alles dafür, nicht nur bei der Inflationsentwicklung nach Exzessen Ausschau zu halten.»

Konkret lobte er vor allem Greenspans Entscheidung, Ende der 1990er-Jahre mit Zinserhöhungen zu warten, weil sich die Inflation nicht beschleunigte. So habe Greenspan als einer der ersten erkannt, dass es ein neues Paradigma geben könne, in dem die Wirtschaft wächst, ohne dass sich die Inflation nennenswert erhöht.

3. In Europa zeigt sich die Zentralbank weiter vorsichtig.

Das Protokoll der jüngsten Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) signalisiert, dass die europäischen Währungshüter an der langsamen und vorsichtigen Normalisierung der Geldpolitik festhalten könnten. So heisst es, dass die EZB die Zinsen frühestens im nächsten Sommer anheben werde. Darüber hinaus zeigt das Protokoll, dass die – Ende dieses Jahres erwartete – vollständige Beendigung der Anleihenkäufe von der Entwicklung der Wirtschaftsdaten in den nächsten Monaten abhängt.

4. US-chinesische Handelsgespräche laufen ins Leere.

Trotz grosser Hoffnungen sind die US-chinesischen Handelsgespräche in der vergangenen Woche ohne nennenswerte Ergebnisse zu Ende gegangen. Als die Aktienmärkte vor einigen Wochen mit starken Kursgewinnen auf die Nachricht über die geplanten Handelsgespräche reagierten, hatte ich den Eindruck, dass sich die Investoren an einen Strohhalm klammerten.

Wie verfehlt ihr Optimismus war, hat sich jetzt gezeigt. Das Treffen nachrangiger Regierungsvertreter ist nicht nur weitgehend ergebnislos verlaufen, sondern endete ironischerweise zeitgleich mit dem Inkrafttreten neuer amerikanischer Zölle auf chinesische Importgüter.

Ausserdem sollte man nicht übersehen, dass die chinesische Regierung in der vergangenen Woche den Startschuss für ein gross angelegtes Infrastrukturprogramm gegeben hat. Mit neuen Stimulusmassnahmen scheint sich China für die Errichtung weiterer Handelsbarrieren zu rüsten. Investoren sollten zwischen den Zeilen lesen: Ich rechne damit, dass sich die Handelskonflikte weiter zuspitzen werden, bevor es zu einer Entspannung kommt.

5. Aktien markieren neuen Rekord, aber Anleihen sprechen für Vorsicht.

Wie ich erwartet hatte, sind die Aktienkurse in den USA in der vergangenen Woche weiter gestiegen und haben am Mittwoch mit dem längsten Bullenmarkt seit mehreren Jahrzehnten einen neuen Rekord markiert. Am Freitag erklommen dann sowohl der S&P-500-Index als auch der NASDAQ-Composite-Index neue Allzeithochs.

Parallel dazu sank aber die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe (Treasury) bis auf 2,81 Prozent.2 Dadurch verengte sich der Renditeabstand zwischen 2- und 10-jährigen Treasuries bis Freitag auf 19 Basispunkte3, dem tiefsten Stand seit mehr als zehn Jahren.

Damit kommen wir einer inversen Zinsstrukturkurve inzwischen gefährlich nahe. Bei aller Euphorie über die Aktienmarktrally dürfen wir die Warnsignale vom Anleihenmarkt nicht übersehen, zumal Anleihen in der Vergangenheit gewöhnlich ein weitaus besserer Indikator rationaler Ängste waren als Aktien.


1 Zwölfköpfiger Ausschuss der amerikanischen Notenbank (Federal Reserve), der achtmal jährlich über die Zinspolitik befindet und eine Erhöhung respektive Senkung der Leitzinsen festsetzt.
2 Quelle: Bloomberg, L.P., Stand: 24. August 2018
3 Quelle: Bloomberg, L.P., Stand: 24. August 2018


Risikohinweis: Der Wert von Anteilen kann schwanken. Dies kann teilweise auf Wechselkursänderungen zurückzuführen sein. Es ist möglich, dass Anleger bei der Rückgabe ihrer Anteile weniger als den ursprünglich angelegten Betrag zurückerhalten. Wichtige Informationen: Daten vom 28. August 2018, sofern nicht anders angegeben. Die in diesem Material dargestellten Prognosen und Marktaussichten sind subjektive Einschätzungen und Annahmen des Fondsmanagements oder deren Vertreter. Diese können sich jederzeit und ohne vorherige Ankündigung ändern. Diese Publikation ist nicht Bestandteil eines Verkaufsprospektes. Sie enthält lediglich allgemeine Informationen und berücksichtigt keine individuellen Erwartungen, steuerliche oder finanzielle Interessen. EMEA6491/2018

Advertisement