Mit einem Prämienvolumen von 8 Milliarden Franken und 2'200 Beschäftigten verfügen die dem Verband Schweizerischer Versicherungsbroker (SIBA) angeschlossenen Broker über ein grosses Gewicht im Schweizer Versicherungsmarkt. Umso wichtiger ist es für sie, sich bei wichtigen Fragen auch Gehör zu verschaffen.
Der SIBA vertritt die Interessen seiner fast 80 Mitgliedsfirmen gegenüber Behörden, dem Schweizerischen Versicherungsverband und Konsumentenschutz-Organisationen.
Geschätzte Herren, welches sind die aktuellen Herausforderungen im Brokermarkt?
Lehmann: Einerseits hält uns – wie die ganze Versicherungsbranche generell – natürlich die Digitalisierung auf Trab. Auf der anderen Seite sind wir mit vielen regulatorischen Fragestellungen konfrontiert.
Inwieweit sind die Broker vom regulatorischen Umfeld betroffen?
Lehmann: Die Regulierung nimmt auch in der Versicherungsbranche zu. Das Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) schreibt Verhaltensregeln vor, die Finanzdienstleister gegenüber ihren Kunden einhalten müssen. Das ist im Kern eine gute Sache, sorgt aber auch für sehr viel administrativen Aufwand und offene Fragen.
«Wir sind eine unabhängige Branche und wollen auch so wahrgenommen werden»
Das Fidleg wurde wegen der Banken und nicht wegen den Versicherern und Brokern lanciert. Die ganze Assekuranz muss unbedingt davor verschont bleiben und sich über das VAG selber regeln. Wir kämpfen vehement dafür, dass wir als unabhängige und ungebundene Versicherungsvermittler anerkannt werden. Zudem sind wir vor allem im Unternehmensgeschäft und weniger im privaten Segment tätig.
Eine Registrierung der ungebundenen Vermittler (Broker) über das VBV-Modell Cicero macht deshalb für uns überhaupt keinen Sinn. Für uns zählt die Finma-Registrierung, die international anerkannt ist. Wir haben auch eigene Ausbildungsgefässe für Broker. Kurzum: Wir sind eine eigene, unabhängige Branche und wollen von Politik und Wirtschaft auch so wahrgenommen werden.
«Der Schweizer Versicherungsmarkt ist gesättigt, die Prämien gehen tendenziell zurück»
Gangshontsang: Grundsätzlich ist die Idee hinter Cicero als Gütesiegel für kompetente Beratung in der Versicherungswirtschaft sehr gut und enorm wichtig. Wir als Versicherungsunternehmen akkreditieren Broker aber nur, wenn sie im Finma-Register eingetragen sind.
Da stellt sich für uns schon die Frage: Welches Register ist künftig relevant – Cicero oder Finma? Für Broker wäre es vorteilhaft, wenn sie selbst ein Qualitätslabel entwickeln würden, das auf hohen Ausbildungsstandards basiert. Aber zwei unterschiedliche Register zu führen, macht überhaupt keinen Sinn.
Wie entwickelt sich der Brokermarkt insgesamt?
Gangshontsang: Der Brokermarkt verändert sich rasant. Es hat in diesem Bereich gerade in den letzten beiden Jahren sehr viel Bewegung gegeben. Der Schweizer Versicherungsmarkt ist gesättigt, die Prämien gehen tendenziell zurück, es gibt weniger Umsatz und Gewinnmöglichkeiten.
«Wir sind nur unseren Mandanten verpflichtet»
Ähnlich wie die Versicherungsgesellschaft sind Broke stark mit dem Thema Wachstum beschäftigt und wollen organisch oder anorganisch wachsen – beispielsweise durch Partnerschaften oder Zusammenschlüsse. Das habe ich bislang in diesem Ausmass noch nicht erlebt. Es birgt aber auch Chancen für uns als Versicherungsgesellschaft.
Lehmann: Die Konsolidierung steigert auch die Qualität. Durch Effizienzsteigerungen im Brokergeschäft können wir noch schneller für unsere Kunden arbeiten. Das ist ein Riesenvorteil. Und je besser das Zusammenspiel zwischen Versicherern und Brokern ist, desto sicherer kann sich der Kunde fühlen. Wichtig ist festzuhalten, dass wir nur unseren Mandanten verpflichtet sind.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung für Broker?
Lehmann: Es ist sehr wichtig, dass die Schnittstellen wie Courtagen, Offerten oder Schadenbearbeitung durch die Digitalisierung so optimiert werden, dass ein Broker dadurch weniger Aufwand hat und effektiv Arbeitszeit einspart. Die kann er effizienter nutzen als für den tagtäglichen «Papierkrieg».
«Die Versicherungsbranche hat sicherlich noch einen grossen Nachholbedarf»
Ich stelle allerdings fest, dass die Qualitätsstandards bei den einzelnen Versicherungsgesellschaften diesbezüglich noch immer sehr unterschiedlich sind. Es gibt also noch viel Potenzial. Aber grundsätzlich wird kein Weg an der Digitalisierung vorbeiführen.
Gangshontsang: Die Versicherungsbranche hat sicherlich noch Nachholbedarf. Die Allianz Suisse hat in den vergangenen Jahren bei der Digitalisierung ihrer Prozesse sehr grosse Fortschritte erzielt, und wir haben verschiedene Interaktionsfelder geschaffen, um die Zusammenarbeit mit den Brokern effizienter zu gestalten – ob an den Schnittstellen oder bei Portallösungen und standardisierten Tools.
Die Digitalisierung wird in allen Belangen zunehmen, vor allem im Massengeschäft mit Privatkunden. Aber eines darf man nicht vergessen: Das Broker- und Unternehmensgeschäft wird zwar immer digitaler, ist aber vor allem auch ein «people business», in dem der persönliche Austausch wichtig ist und wichtig bleibt.