Die Finanzwirtschaft scheint vor allem eine Frage zu beschäftigen: Wann steigen die Zinsen? Dabei gibt es gute Argumente, dass es auch in die andere Richtung gehen könnte, sagt John McNeill.

Von John McNeill, Fondsmanager bei Kames Capital

Selten waren sich die Marktteilnehmer so einig: Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, wann die EZB und andere Notenbanken die Zinsen erhöhen und damit den Einstieg in eine steigende Zinskurve vollziehen. Spätestens Ende 2017, so hört man, sei es so weit.

Fast schon verzweifelt legt man etwa nach den turnusmässigen Sitzungen des EZB-Rat jedes Wort von Mario Draghi auf die Goldwaage, um das Ende des Anleihekauf-Programm (QE) und damit die Zinswende herauszuhören und auch herbeizureden. Allein: Die Signale bleiben weitgehend aus. Und das hat gute Gründe.

Undenkbares schon Realität

Seit Jahren flutet die Europäische Zentralbank die Märkte mit Geld. Was hat sie bislang erreicht? Die Zinsen sind bei Null, aber die Wirtschaft wächst dennoch nur sehr bescheiden und die Inflationsrate kann sich gerade so oberhalb von einem Prozent halten.

Wir sind überzeugt, dass die EZB deshalb sicher nicht die Zinsen hochfahren wird. Denn im Euroraum ist das Inflationsrisiko viel geringer als die Gefahr eines Wirtschaftsabschwungs. Das Unvorstellbare ist dabei schon Realität: Zinsen unter dem Nullpunkt. Nicht nur im Euroraum dürften die Zinsen unter die Null-Linie fallen. In einem Jahr wird es in vielen Ländern negative Zinsen geben.

USA und Europa entwickeln sich unterschiedlich

Wenn die Renditen zum Beispiel für Staatsanleihen jetzt kurzfristig ansteigen, ist das noch kein Indiz für eine strukturelle Veränderung. Es bleibt also ein anspruchsvolles Umfeld, bei oft fehlender Volatilität Erträge zu generieren. Wir haben aber die Möglichkeit, global zu investieren. Und hier entwickeln sich die Märkte unterschiedlich, zum Beispiel auch in den USA und Europa.

Das heisst auch, dass die Zentralbanken nicht alle den gleichen Kurs steuern können. Es gibt damit nicht nur verschiedene Zinsniveaus, sondern auch Unterschiede bei der Bewertung von Anleihen. Diese Differenzen versuchen wir durch Carry Trades zu nutzen.

Bankentitel interessant

Eine weitere Strategie, wie wir in diesem anspruchsvollen Bondmarkt Erträge für unsere Kunden genieren, ist unsere Asset Allokation. Hier lohnt sich aktuell ein Blick auf verschiedene Emerging Markets. Wir schauen aber weltweit, in welchen Sektoren des Anleihenmarktes preiswerte Anleihen zu finden, und wo die Papiere zu teuer sind.

Preiswerte Papiere gibt es aktuell unter anderem bei den Banken. Seit 2008 sind viele Anleger in Bezug auf diesen Sektor übervorsichtig. Doch viele Institute sind heute wesentlich besser kapitalisiert als damals. Ausserdem erhalten sie durch die Zentralbanken gute Unterstützung.

Wir halten den europäischen Bankensektor für sehr attraktiv, abgesehen von einigen italienischen Instituten. Wenn man genau hinsieht, finden sich aber sogar in Italien attraktive Anleihen. Auch unter den Anleihen der europäischen Versicherungen gibt es zahlreiche gute Möglichkeiten.

Eine gute Ergänzung

Wie erwähnt ist die Volatilität im Rentenmarkt derzeit niedrig. Wir rechnen damit, dass dies mindestens noch ein halbes Jahr so bleibt. Dennoch sollte man sich absichern, so schützen wir uns aktuell in unseren Kames Absolute Return Bond Global Fonds durch Credit Default Swaps und eine Höhergewichtung von Papieren mit niedrigem Beta, die also weniger schwanken als der Gesamtmarkt.

Natürlich kann man das Risiko nicht ganz ausschalten. Sonst müsste man alle seine Positionen in Cash halten. Doch ist der erwähnte Fonds eine gute Ergänzung zu stärker volatilen Investments im Portfolio von institutionellen Anlegern.

Signal vorschnell interpretiert

In den vergangenen Abwärtsphasen an den Obligationenmärkten haben wir uns ziemlich gut geschlagen. Und selbst nach der Rede von Mario Draghi im portugisischen Sintra Ende Juni 2017, die zunächst von einigen Beobachtern wohl etwas vorschnell als ein Signal für das Ende der Niedrigzinspolitik (miss)interpretiert wurde, schaffte unser Fonds eine Wertsteigerung.


John McNeill ist im Fixed Income-Team von Kames Capital verantwortlich für britische Staatsanleihen und indexgebundene Wertpapiere sowie Co-Manager des Kames Absolute Return Bond Global Fonds.