Kundenbetreuung ist der Schlüssel zum Erfolg im Private Banking. Aber nicht nur als Schlagwort, sondern besser als heute, besser als die anderen. Wie können Schweizer Banken dies erreichen?

Von Jürg Frick, Senior Partner, Deloitte

Banken stehen unter Druck. Kundenberater stehen unter Druck. Was soll das Alleinstellungs-Merkmal des Schweizer Banking sein? Was können Kundenberater den Schweizer Banken bieten, was die ausländische Konkurrenz oder gar Robo Advisors nicht auch können?

Die Antwort auf diese Frage wird über den künftigen Erfolg entscheiden. Sie ist zugleich trivial und unheimlich herausfordernd: Kundenbetreuung.

Viele Probleme haben externe Ursachen, einige sind aber hausgemacht. Statt den Kunden tatsächlich in den Mittelpunkt zu rücken, wurden Kundenbetreuer in den letzten Jahren zunehmend als Verkäufer verstanden – und ihre Zielvorgaben und Entlohnung entsprechend darauf ausgerichtet.

Produkte wurden immer komplexer, ohne zwangsläufig immer besser zu Kundenbedürfnissen zu passen. Die Finanzkrise hat in grossem Masse Vertrauen in Banken und ihre Kundenberater verloren gehen lassen.

Wie Kundenbetreuung im Optimalfall aussehen kann, zeigt sich durch einen Vergleich mit medizinischer Betreuung. Ein guter Arzt wird die Gesundheit seiner Patienten in den Mittelpunkt stellen und nicht die Anzahl durchgeführter Operationen oder Patientenkontakte. Eine gute Klinik oder Praxis wird ein Umfeld schaffen, das genau dies ermöglicht.

Wie sollte ein «Care-Prozess» im Private Banking aussehen?

Ein «Care-Prozess» im Private Banking beginnt schon bei der Akquisition des Kundens und umfasst mehrere Phasen: Analyse, Kennenlernphase und dann darauf folgend die eigentliche Geschäftsbeziehung.

  • Analyse-Phase

Es scheint trivial, aber Kundenberater und Berater müssen zueinander passen und entsprechend zugeteilt werden. Dies ist wichtiger als die Grösse des Vermögens des Kunden. Ausserdem sollte eine ausführliche Analyse kundenrelevanter Informationen erfolgen, zum Beispiel Interessen, Netzwerk, Familie, oder finanzielle Mittel.

  • Kennenlern-Phase

Essentiell sind in dieser Phase Geduld, Fingerspitzengefühl und «weiche Faktoren». Vor allem letztere sind in der jüngeren Vergangenheit verloren gegangen. Diese lassen sich nicht durch einen Computer definieren, sondern sind durch den Kundenbetreuer in zum Teil langen Gesprächen, gemeinsamen Anlässen oder Ähnlichem herauszufinden.

Für einen eigentlichen Verkauf ist es in dieser Phase zu früh, vielmehr geht es darum, ein gemeinsames Vertrauensverhältnis aufzubauen und sich dann langsam als Berater für relevante Themen zu positionieren.

  • Start und Verlauf der Geschäftsbeziehungs-Phase

In der Folge kann die Geschäftsbeziehung langsam ausgebaut werden. Idealerweise geht dieser Schritt vom Kunden aus. Wichtig hier ist wieder eine schrittweise Vorgehensweise. Das Verhalten sollte gleich bleiben, weder übertriebene Aktivität noch nachlassendes Interesse wären förderlich. Mehr und mehr kann die Beratung in Richtung Produkte und Verkauf erfolgen, aber immer personalisiert, genau auf den Kunden und seine Interessen zugeschnitten.

Zudem sollte die Geschäftsbeziehung weiterhin als übergreifende Beratertätigkeit verstanden werden. Es geht nicht nur um Produkte. Es geht um umfassende Beratung, also auch beispielsweise um Concierge-Dienstleistungen oder Ähnlichem.

Und immer geht es um die persönliche Beziehung mit dem Kunden, die es dem Berater überhaupt erst erlaubt, wirklich individualisierte Produktvorschläge zu unterbreiten, und die dem Kunden das Vertrauen gibt, diese zu kaufen.

Organisatorische Konsequenzen

Genauso wie ein guter Arzt durch organisatorische Abläufe in der Praxis oder Klinik unterstützt wird, sollten Abläufe im Private Banking darauf ausgerichtet sein, Kundenberater so gut wie möglich im «Care-Prozess» zu unterstützen. Dafür bedarf es organisatorische Änderungen:

Zu überdenken ist erstens die Kundensegmentierung, die sich an den Kundenbedürfnissen auszurichten hat. Damit dürften zukünftig regionale Grenzen fallen, weil die neuen technischen Hilfsmittel zugunsten der Kundenbetreuer überregionale Kundenbetreuung unterstützen werden.

Zweitens sollten Kundenbetreuer jederzeit auf weitere Experten zugreifen können. Drittens müssen Zielvorgaben und Entlohnung über das gemeinsam erzielte «Kundenresultat» erfolgen, analog der im Spitalbereich definierten Fallpauschale.

Diese Veränderungen sind mit grossen Vorteilen verbunden. Eine auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit ausgerichtete Kundenbetreuung wird zu stabileren Kundenbeziehungen, steigenden Erträgen über den ganzen Kunden-Life-Cycle, leichtere Kundenakquisition aus dem Netzwerks des Kunden, zufriedeneren Kundenbetreuer und fokussierten Lösungs- und Produktgestaltung führen.