Für Finanzprofessor Paolo Vanini sind die Veränderungen in der Asset-Management-Branche etwa so komplex wie wenn man während einer Autofahrt vier Räder wechseln sollte – plus die Windschutz-Scheibe. Mehr darüber am 5. Swiss Asset Management Day.
Herr Vanini, das Asset Management erfährt einen epochalen Wandel. Was hat diese Transformation ausgelöst?
Für mich sind es eigentlich fünf Faktoren, nämlich die Technologie, die Regulation, das Know-how der Marktteilnehmer, diverse Trends sowie neue Methoden in der Auswahl und Allokation von einzelnen Anlageklassen.
Was war früher anders?
Heute bestehen zwischen den Themen viel grössere Abhängigkeiten: Eine erfolgreiche Umsetzung der Regulation erfordert den Einsatz neuster Technologien. Und besitzt der Asset Manager auch das nötige Know-how dafür?
Mit anderen Worten, wie ein Investor heute Geld anlegt, ist auf Grund der vielen technologischen und regulatorischen Fragen regelrecht zur Nebensache verkommen?
Ja, die Gefahr besteht, obschon das «Wie» für den Kunden nach wie vor das zentrale Thema ist. Wenn jemand wie der britische Ökonom John Maynard Keynes (1883-1946) über fast zwanzig Jahre mehr als 16 Prozent Überschussrendite im Aktienmarkt erzielte und zwar nur mit Hilfe einer Schreibmaschine, seiner Erfahrung und Intelligenz, dann braucht es dazu keine Digitalisierung.
Trotzdem ist die technologische Entwicklung aus der Finanzwelt heute nicht mehr wegzudenken. Doch wie soll man damit umgehen, um sie sinnvoll und vor allem ergebniswirksam zu nutzen?
Erfolgreich werden inskünftig jene Asset-Management-Firmen und Asset-Management-Abteilungen in den Banken sein, die in den nächsten Jahren mit allen fünf eingangs erwähnten Dimensionen umgehen können.
«Zusätzlich wird man noch entscheiden müssen, welche Räder man selber produziert»
Es wird im übertragenen Sinne nicht darum gehen, während der Fahrt ein Rad am Auto zu wechseln, sondern alle vier – plus die Windschutz-Scheibe. Zusätzlich wird man noch entscheiden müssen, welche Räder man selber produziert und welche Teile der Wertschöpfung neue Drittanbieter übernehmen.
Am 5. Swiss Asset Management Day fokussieren Sie als Referent und Moderator auf die drei Themen: Technologie, Anlagemethoden und alternative Anlagen. Was darf man konkret erwarten?
In Sachen Technologie steht die eigentliche Digitalisierung der Wertschöpfungskette im Asset Management im Vordergrund. Der Fokus liegt einerseits auf der Kunden-Schnittstelle und andererseits auf der Compliance. Verschiedene Vertreter von Technologien, die bereits marktfähig sind, werden aufzeigen, wie die Digitalisierung einen Mehrwert für die Kunden im Anlagegeschäft schaffen kann, und wie der Asset Manager die Compliance-Herausforderungen automatisiert angehen kann ohne dabei die Kontrolle der Risiken zu verlieren.
Gibt es tatsächlich noch neue Anlagemethoden?
Ja. Wir werden uns auf zwei Ansätze konzentrieren, die in der Schweiz vor dem Durchbruch bei institutionellen Anlegern stehen: Factor Investing und Risk Parity.
Was muss man sich darunter vorstellen?
Factor Investing erlaubt es, die Risiken und Erträge bei Anlagen auf dem richtigen Aggregations-Niveau zu betrachten. Diese Investitionsart ist methodisch seit Jahrzehnten bekannt. Die Motivation ist, persistente Überschussrenditen mit liquiden Strategien zu erzeugen, wobei die Strategien untereinander und zum «Markt» möglichst unkorreliert sind. Die Umsetzung dieser Methode in der Praxis hat in den letzten Jahren aber grosse Fortschritte in Bezug auf Transparenz, Kosten und Renditestabilität erzielt.
«Die Standard-Methoden zur Portfolio-Optimierung besitzen Schwächen»
Mit diesen Eigenschaften ist das Factor Investing eine ernsthafte Bedrohung für viele Hedge Funds. Experten von grossen Asset-Management-Firmen stellen am Swiss Asset Management Day ihre Ansätze und Erfahrungen vor und stellen sich den Fragen aus dem Publikum.
Und worum geht es bei der Risk Parity?
Die Standard-Methoden zur Portfolio-Optimierung besitzen Schwächen, die dazu führen, dass viel Marktteilnehmer diese nicht mehr einsetzen. Zwei Schwächen sind die fehlende Robustheit der Resultate, das heisst kleine Änderungen an Inputs führen zu inakzeptablen Veränderungen der Allokation, sowie die Modell-Risiken bei der Schätzung der erwarteten Renditen. Die Risk Parity vermeidet beide Schwächen, indem auf eine Standard-Optimierung verzichtet wird und nur die Risiko-Dimension explizit in den Ansatz einfliesst.
Warum sollten alternative Anlagen für institutionelle Anleger interessant sein?
Im aktuellen Zinsumfeld und angesichts der grossen Unsicherheiten, die die Aktien- und Rohstoffmärkte tangieren, sind alternative Anlagen gesucht, weil sie nur schwach mit den traditionellen Anlageklassen korrelieren.
Alternative Anlagen korrelieren doch generell nicht mit traditionellen Anlageklassen?
Hedgefonds geben zwar vor, nicht zu korrelieren. Doch die Finanzkrise hat gezeigt, dass dies für viele Hedgefonds nicht galt. Sie besassen im Wesentlichen das Aktienrisiko. Dies war mit ein Grund für das Factor Investing, das heisst die Suche nach Strategien, die in «guten wie in schlechten Zeiten» unkorreliert sind.
«Sonst wird der RoboAdvisor nur den alten Wein in neuen Schläuchen liefern»
Am Swiss Asset Management Day werden diverse Fachleute die drei alternativen Asset-Klassen ‹Infrastruktur›, ‹Private Equity› und ‹Insurance Linked Securities› kritisch würdigen. Den Höhepunkt bildet dann eine Big-Data-Anwendung zur Maximierung der Performance von Hedgefonds.
In der derzeitigen Fintech-Euphorie sorgt unter anderem ein Schlagwort für Furore: RoboAdvisor. Was halten Sie davon?
Der RoboAdvisor kann zwei Zwecke erfüllen. Er kann die Kosten in der Distribution senken und diese skalieren. Diese Effizienzgewinne kommen den Asset-Management-Firmen zu Gute. Er kann aber auch den Investor stärken, indem er ein qualitativ besseres Asset Management liefert. Grundlage dafür ist aber ein besseres Verständnis der Ökonomie und der Finance. Sonst wird der RoboAdvisor nur den alten Wein in neuen Schläuchen liefern.
«Weitere Highlights werden die Würdigung der besten Asset Manager im vergangenen Jahr sein»
Aus methodischer Sicht sind wir für eine Stärkung des Investors aber noch nicht bereit. Als Warnung dafür erwähne ich das «Machine Learning», diese Big-Data-Anwendung ist zwar seit mehr als 15 Jahren eine durchaus erfolgreiche wissenschaftliche Disziplin, aber die Resultate bei der Anwendung in Anlagestrategien sind nach wie vor enttäuschend. Der Swiss Asset Management Day wird solche Themen ohne bewährten Praxistest nicht vorstellen.
Weitere Highlights werden die Würdigung der besten Asset Manager im vergangenen Jahr sein sowie eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der Asset-Management-Branche mit Vontobel-Präsident Herbert J. Scheidt und Blackrock-Schweiz-Chef Christian Staub.
Paolo Vanini ist ‹Swiss Finance Institute Professor› sowie Titular-Professor an der Universität Basel. Zudem leitet er den Handel & Verkauf strukturierter Produkte bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB) und ist Vizepräsident des Schweizerischen Verbands für Strukturierte Produkte (SVSP). Vanini leitet umfangreiche wissenschaftliche Analysen. Er hat an der ETH Zürich in Mathematik promoviert.
Alle Teilnehmer am 5. Swiss Asset Management Day erhalten das neue Asset-Management-Referenzwerk des Swiss Finance Institute. Darin hat Paolo Vanini den aktuellen Stand der fünf Dimensionen im Asset Management zusammengefasst. Zudem liefert das Werk eine Übersicht über die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Anlagemethoden, Trends, der Technologie und Demografie.