Die bisherigen Überraschungen und die noch zu erwartenden Chancen in diesem Jahr beurteilt Valentijn van Nieuwenhuijzen, Head of Multi-Asset bei NN Investment Partners.
Herr van Nieuwenhuijzen, welche Erkenntnisse hat das erste Halbjahr 2015 gebracht?
Nun, man sollte nie glauben, dass es so etwas wie eine «sichere» Wette an den Finanzmärkten gibt. Irgendwie haben sich viele Investoren in den ersten paar Monaten des Jahres selber davon überzeugt, dass Renditen auf europäische Staatsanleihen fortan nur noch fallen können – und das bei allen Laufzeiten.
Die scharfe Korrektur bei deutschen Staatsanleihen seit Mitte April hat einmal mehr gezeigt, dass es nie so einfach ist. Nobelpreisträger Robert Shiller hat gut beschrieben, dass Märkte manchmal in den kollektiven Glauben verfallen können, dass gewisse «Geschichten» wie Deflationsrisiken, Quantitative Easing oder das Fehlen von Wachstum ewig auf den Märkten lasten.
«Die Märkte verhielten sich im zweiten Quartal 2015 volatiler»
Marktpreise werden zwar oft für eine gewisse Zeit von diesen «Investoren-Fabeln» beeinflusst, was für aktive Investoren Opportunitäten schafft, aber die Risiken bei der Preisentwicklung werden trotzdem nicht eliminiert. Jeder seriöse Investor sollte sich dessen bewusst sein und dies in seinem Investmentansatz berücksichtigen.
Wie haben sich die unterschiedlichen Anlageklassen entwickelt?
Anders als in den vorherigen Jahren vermochten Anleihen nicht mit risikoreicheren Anlageklassen wie Aktien oder Immobilien mitzuhalten. Rohstoffe blieben eher stabil und sanken nicht so stark wie letztes Jahr. Nach einem positiven ersten Quartal, in denen Aktien und Immobilien sich ausgezeichnet entwickelten aber auch Anleihen und Rohstoffe einen kleinen Gewinn verzeichnen konnten, verhielten sich die Märkte im zweiten Quartal wieder volatiler.
«Seit Ende April haben die meisten Anlageklassen an Boden verloren»
Dies vor dem Hintergrund einer Verkaufswelle bei den deutschen Staatsanleihen und ausgelöst durch die Wachstumsängste und die Spannungen rund um Griechenland. Seit Ende April haben die meisten Anlageklassen an Boden verloren, allerdings sind Staatsanleihen die einzige Haupt-Anlageklasse, die seit Jahresbeginn eine negative Gesamtrendite aufweist.
Gab es Überraschungen, die Anpassungen erforderten?
Natürlich gibt es immer Überraschungen und wir nehmen das ganze Jahr über Anpassungen vor. Wir glauben fest an eine aktive Asset-Allokation. Unsere Resultate deuten darauf hin, dass sie uns bei der Navigation durch das Nachkrisenumfeld stark geholfen hat.
«Wir haben von der Verkaufswelle bei deutschen Staatsanleihen profitiert»
Im ersten Quartal waren wir in risikoreicheren Anlagen wie Aktien und Immobilien übergewichtet. Zu Jahresbeginn noch neutral gewichtet, verringerten wir unseren Anteil an Staatsanleihen in drei Schritten bis hin zu einer starken Untergewichtung. Letzteres wurde Anfang April erreicht und ermöglichte es uns, von der Verkaufswelle bei deutschen Staatsanleihen zu profitieren indem wir unsere Laufzeit-Untergewichtung Ende Mai leicht senkten.
Ausserdem haben wir unsere übergewichteten Positionen in Aktien und Immobilien während des zweiten Quartals auf kleinere Exposures reduziert. Momentan sind wir bei Rohstoffen, und bei Fixed-Income-Spread-Produkten wie Emerging-Market-Debt oder US-High-Yield untergewichtet.
Welche Anlageklasse werden im zweiten Halbjahr 2015 die besten Chancen bieten?
Wir sind nach wie vor der Meinung, dass Aktien und Immobilien bis Ende Jahr am meisten Chancen bieten. Der Wachstumskurs bleibt bestehen. Die Beweise mehren sich, dass es sich beim Rückgang in den USA im ersten Quartal nur um eine Schwächephase und nicht um eine neue US-Rezession handelt.
«Japanische und europäische Aktien sowie Immobilien sehen für uns derzeit attraktiv aus»
Kurzfristig könnte das Drama um die Verhandlungen in Griechenland die Märkte weiter belasten. Wir glauben, dass sich die Sorgen um Griechenland aber legen werden, ohne die Eurozone aufzubrechen. Sobald alles vorbei ist, sollten auf Grund der globalen Konjunktur und der lokalen Arbeitsmärkte riskantere Anlagen wieder begünstigt werden.
Haben Sie Beispiele für besonders attraktive Gelegenheiten?
Momentan könnte es auf Grund von Griechenland und der Volatilität an den Bondmärkten noch zu früh sein, um einzusteigen, aber der japanische Aktienmarkt und Positionen in europäischen Aktien und Immobilien sehen für uns immer noch attraktiv aus.
Was für Risiken sehen Sie für das kommende halbe Jahr?
Neben Griechenland geht die grösste Gefahr vom Zins-Zyklus der amerikanischen Notenbank (Federal Reserve, Fed) im September aus: Es ist fast neun Jahre her, seit die Fed das letzte Mal die Zinsen angehoben hat. Es kann sein, dass sich die Märkte an eine Welt gewöhnen müssen, in der das erneut passieren kann.
«Rechnen Sie mit dem Unmöglichen»
Dies wird von der Fed klar kommuniziert, aber das war beim Tapering in 2013 ebenfalls der Fall. Trotzdem wurden im Mai und Juni damals grosse Turbulenzen an den Märkten ausgelöst, als Ben Bernanke, der ehemalige Vorsitzende der Fed, durchblicken liess, dass sich die Wahrscheinlichkeit eins Taperings erhöht hatte.
Was raten Sie Investoren zum Umgang mit diesen Risiken?
Setzen Sie in Ihrem Portfolio auf eine robuste strategische Aufstellung und rechnen Sie mit dem Unmöglichen. Wichtig ist die Kombination von Anlagen, die attraktive Renditen generieren, mit Investitionen, die auch in einem Krisenszenario positive Erträge einbringen.
Ausserdem sollten Sie sich anpassen können, entweder an steigende Risiken oder auftauchende Opportunitäten. Ganz offensichtlich geht dies Hand in Hand, somit ist die genaue Reihenfolge der Massnahmen, die Sie bei Marktturbulenzen treffen, die wahre Kunst.