Die US-Zentralbank wird dieses Jahr erstmals wieder die Zinsen erhöhen, sofern die Konjunktur dies rechtfertigt. Wie würde sich ein solcher Entscheid auf Asien auswirken? Finanzexperte Joep Huntjens von NN Investment Partners liefert Antworten.


Herr Huntjens, die amerikanische Notenbank bereitet seit geraumer Zeit eine behutsame Anhebung der Zinsen vor. Was könnten die Folgen sein?

Zunächst einmal wird die die amerikanische Notenbank (Federal Reserve, Fed) die Zinszügel angesichts der eher prekären Erholung in den USA und der Schwäche der grossen Absatzmärkte China und Brasilien wohl nur sachte anziehen.

Zwar haben sich Verbrauchervertrauen und Arbeitsmarkt in den USA gebessert – die Arbeitslosenrate ist auf ihrem niedrigsten Stand seit fünf Jahren – doch erholt sich die Konjunktur nur punktuell.


«Aggressive Zinsschritte stärken den Dollar»


Infolge rückläufiger Exporte ist das Handelsdefizit im vierten Quartal 2014 weiter gestiegen. Aggressive Zinserhöhungen würden den Dollar weiter stärken und die Ausfuhren belasten. Wir gehen davon aus, dass die Fed mit der gebotenen Vorsicht vorgehen wird, um die zaghafte Erholung nicht abzuwürgen.

Wie wirkt sich die Dollar-Stärke auf Anleihen aus, die in Dollar denominiert sind?

Asiatische Unternehmen sollten den steigenden Dollar gut verkraften können. Zwar sind die Dollar-Schulden in Asien in den letzten beiden Jahren auf 2 Billionen Dollar gestiegen. Doch das entspricht nur 28 Prozent der gesamten Verschuldung. Im Vergleich zu Brasilien und Russland, wo die Unternehmen staatliche Hilfe für die Ablösung ihrer Dollar-Schulden benötigten, ist das niedrig.

Wie werden sich Zinserhöhung und Dollar-Stärke vor dem Hintergrund von Unternehmensverschuldung und schwacher Bankkapitalisierung auf Indien auswirken?

Beide Faktoren dürften sich in Indien nur minimal auf Unternehmen und Banken auswirken. Zwar ist die Unternehmensverschuldung in bestimmten Sektoren erheblich. Doch indische Firmen greifen eher auf inländische Geldquellen zurück.


«Die Verschuldung ist massiv gestiegen»


Hinzu kommen gesetzliche Beschränkungen bei Finanzierungen in Dollar. Unternehmen, die Kredite in Dollar aufnehmen, sind zumeist ausländische Firmen, die ihre Erlöse in derselben Währung erzielen. Dadurch liegt der Anteil von Dollar-Finanzierungen in Indien sogar unter dem asiatischen Durchschnitt.

Mit welchen Massnahmen könnten Regierungen von Schwellenländern in Asien ihr Wirtschaftswachstum ankurbeln?

Die Wachstumsentwicklung in Asien ist tatsächlich rückläufig. Zweistellige Wachstumsraten in China gehören der Vergangenheit an. Die Verschuldung ist massiv gestiegen. Die Nachfrage aus Europa und Japan entwickelt sich nur schleppend. Und dennoch gibt es kaum Grund zur Sorge.

Warum?

Trotz lustloser Konjunktur ist nicht mit einem Einbruch zu rechnen. Tatsächlich stehen den Geldpolitikern in Asien zahlreiche Instrumente zur Verfügung, um Wachstum zu fördern. So haben zahlreiche Zentralbanken in den letzten Monaten angesichts sinkender Ölpreise die Zinsen gesenkt.


«Die Geldpolitik dürfte locker bleiben»


Dazu trägt auch die weltweite Geldpolitik bei, die insgesamt locker bleiben dürfte. Die Europäische Zentralbank will jedenfalls ihr Anleihe-Kkaufprogramm mindestens bis September 2016 beibehalten. Sollte sich die Geldpolitik als unzureichend erweisen, um das Wachstum in Asien zu befeuern, können die Regierungen die Nachfrage auch durch zusätzliche Staatsausgaben anheizen.

Welche Fortschritte hat Emerging Asia bislang bei der Liberalisierung der Finanzmärkte erzielt?

Asiens Anleihenmärkte in Lokalwährung sind von 1,5 Billionen Dollar im jahr 2000 auf mehr als 8 Billionen Dollar per Ende 2014 gewachsen. Der chinesische Anleihemarkt hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt, sein Anleihemarkt ist nach dem japanischen der grösste in Asien.


«Indonesien ist erst auf Platz 10»


Der Markt wird seine rasche Wachstumsentwicklung voraussichtlich fortsetzen, da die Regierung sich lieber über die Kapitalmärkte anstatt über Bankkredite finanzieren will.

In anderen Ländern wie Indonesien ist der Anleihenmarkt weniger entwickelt. Obwohl das Land die fünfgrösste Volkswirtschaft der Region ist, rangiert sein Anleihenmarkt nur auf Platz 10.


Joep Huntjens leitet die Sparte Asian Fixed Income und ist Lead Portfolio Manager im Bereich Asian Debt Hard Currency bei NN Investment Partners (vormals ING Investment Management)