Kryptowährungen in der Vermögensallokation? Josef U. Bollag, Mehrheitsaktionär und Verwaltungsratspräsident der Vermögensverwaltung Tareno AG sagt, weshalb dies Sinn macht und es höchste Zeit ist, sich mit dem Thema konkret auseinanderzusetzen.

Josef U. Bollag war von 2005 bis 2011 Leiter Portfoliomanagement und anschliessend zehn Jahre CEO der Tareno, bis er diese Funktion 2020 an Sybille Wyss übergab. Heute beschäftigt er sich intensiv mit der Blockchain-Technologie und Kryptowährungen, insbesondere Bitcoin. 

Herr Bollag, seit wann beschäftigen Sie sich eigentlich mit Bitcoin?

Ich beschäftige mich seit über acht Jahren mit diesem Thema. Als Unternehmer ist es meine Aufgabe, neugierig auf relevante Innovationen, Entwicklungen und Trends zu sein, die potenziell in das Anlageuniversum unserer Kundinnen und Kunden passen.

Insbesondere, wenn sie disruptives Potenzial aufweisen, schenke ich ihnen besondere Aufmerksamkeit.

Warum sollten Ihrer Meinung nach traditionelle Vermögensverwalter Bitcoin im Anlageuniversum in Betracht ziehen?

Einerseits kann Bitcoin zur Diversifizierung eines Portfolios beitragen, da er sich langfristig unabhängig von traditionellen Märkten entwickelt. Das bedeutet, dass die Korrelation mit den traditionellen Märkten gering ist und ein asymmetrisches Renditeprofil aufgewiesen wird.

Trotz der Volatilität von Bitcoin hat er das Potenzial, hohe Renditen zu erzielen, was diese Kryptowährung zu einer attraktiven Beimischung für auf Kapitalwachstum ausgerichtete Portfolios macht. Andererseits wird er häufig auch als Wertaufbewahrungsmittel betrachtet und als «digitales Gold» bezeichnet.

Er bietet Schutz vor Inflation und geldpolitischen Entscheidungen und kann daher eine wichtige und erfolgreiche Rolle in der langfristigen Anlagestrategie spielen.

Was sind die grössten Risiken?

Man muss sich der hohen Volatilität von Bitcoin bewusst sein und damit umgehen können. Zudem gibt es rechtliche und regulatorische Risiken, da die gesetzliche und politische Landschaft noch in Entwicklung ist und sich verändern kann.

Es besteht auch die Möglichkeit, dass einige Staaten den Coin vollständig verbieten. Da der Markt noch eher jung ist, bleibt auch unklar, ob es eine andere Technologie schafft, diese wieder zu verdrängen. Schliesslich ist auch ein Black Swan Event nicht vollständig auszuschliessen.

Wenn es ein Quantencomputer schafft, die Blockchain von Bitcoin zu knacken, wäre dies ebenfalls fatal.

Wie kann man das Risiko von Bitcoin im Portfolio managen?

Mit einer vernünftigen Allokation, die dem Risikoprofil des Kunden entspricht, und einem langen Anlagehorizont, damit die Volatilität angemessen gemanagt werden kann. Sich von der Volatilität abschrecken zu lassen, halte ich für falsch. Langfristig verliert die Volatilität massiv an Bedeutung.

Ausserdem liegt es in der Natur von neuen Technologien oder Innovationen, dass sie zu Beginn sehr volatil sind. Auch Aktien von Amazon waren das einst. Heute ist es eines der wertvollsten Unternehmen der Welt.

Welche technischen Herausforderungen gibt es bei der Integration von Bitcoin in ein bestehendes Portfolio?

Mit der Einführung von Bitcoin-ETFs ist die Integration in ein Portfolio einfacher und gleichzeitig regulatorisch konform geworden. Der Kauf und Verkauf dieser Produkte erfolgt bequem über die Hausbank des Kunden. sodass nicht mal mehr ein spezielles Wallet für die Aufbewahrung von Bitcoins benötigt wird.

Wie könnte die Integration von Bitcoin in die Vermögensverwaltung konkret aussehen?

Wir haben in den ausgewählten Portfolios eine ETF oder ETP Bitcoin Position von 1 bis 3 Prozent.

Welche weiteren Kryptowährungen wären für eine traditionelle Vermögensverwaltung geeignet?

Meiner Meinung nach vor allem Bitcoin, der vor allem als Wertaufbewahrungsmittel gehandelt wird. Ergänzend sind auch Ethereum oder Solana möglich, die für Smart Contracts genutzt werden. Damit ist es möglich, den rechtsgültigen Abschluss eines Vertrags zu automatisieren, so dass alle Beteiligten sofort Gewissheit über das Ergebnis haben, ohne dass ein Intermediär eingeschaltet werden muss oder Zeit verloren geht.

Wieso ist Tareno bei dieser Entscheidung bis heute eher eine Ausnahme?

Einige wollen das Risiko nicht eingehen. Andere kennen diese Anlageklasse noch zu wenig und sind deshalb noch nicht überzeugt. Um sich ein fundiertes und qualifiziertes Urteil über Bitcoin bilden zu können, sollte man sich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt haben.

Erst dann ist meiner Meinung nach ein Urteil möglich. Auch Larry Fink, CEO BlackRock war lange ein Bitcoin Skeptiker, bis er sich eingehend mit der Materie auseinandergesetzt hat. Er hat daraufhin entschieden, einen Bitcoin ETF zu lancieren.

Würden viele potenzielle Anleger sich intensiver mit der Thematik beschäftigen und ein tieferes Verständnis entwickeln, könnten sie ihre Einstellung zu dieser Anlagekategorie ändern. Zugleich verpassen sie damit auch eine grosse Chance. In den letzten 15 Jahren war Bitcoin das performancemässig mit grossem Abstand die beste Geldanlage.

Was würden Sie Anlegern empfehlen, die darüber nachdenken, Bitcoin in ihr Portfolio aufzunehmen?

Es ist relativ einfach: Bilden Sie sich ausgiebig weiter und eignen Sie sich fundiertes Wissen über das Thema an, bis Sie es verstehen. Der nächste Schritt ist, selbst zu investieren, um Erfahrungen zu sammeln. Die Adaption und Verbreitung von Bitcoin ist bereits sehr weit fortgeschritten und der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt, scheint erreicht zu sein - es sei denn, es gibt signifikante Eingriffe von Regierungen.

Ich halte solche Eingriffe jedoch für unwahrscheinlich, da der Netzwerkeffekt eine entscheidende Rolle spielt. Das Metcalfe'sche Gesetz besagt, dass der Wert eines Netzwerks mit dem Quadrat der Anzahl seiner Verbindungen wächst. Dieses Gesetz wirkt bereits bei Bitcoin, was eine Umkehr der Entwicklung kaum möglich erscheinen lässt.

Dazu passt auch, dass die Lancierung des Bitcoin ETF von Blackrock die quantitativ erfolgreichste Lancierung in der Geschichte der ETFs weltweit war. Innerhalb der ersten zwei Monate nach Lancierung erreichte der ETF ein Volumen von über 15 Milliarden Dollar Kundengelder.