Die starke Entwicklung der US-Wirtschaft und die weltweit rasch nachlassende Inflation – zwei Wirtschaftsindikatoren, die 2023 bislang nach oben überrascht haben – dürften sich bis weit ins nächste Jahr hinein positiv auf Anleihen aus Schwellenländern auswirken.
Von Ricardo Adrogué, Head of Global Sovereign Debt and Currencies, Barings
Das reale BIP-Wachstum der USA verstärkte sich im zweiten Quartal 2023 auf eine Jahresrate von 2,4 Prozent gegenüber 2,0 Prozent im ersten Quartal dieses Jahres.1 Die Erholung in China geriet dagegen ins Stocken, und das Wachstum im Euro-Raum belief sich im zweiten Quartal auf nur 0,3 Prozent – angesichts der unter den Erwartungen gebliebenen Belastungen durch den Russland-Ukraine-Krieg für die Energiekosten eine eher überraschende Entwicklung.2
Unter der Annahme, dass die USA in nächster Zeit weiterhin die globale Wirtschaftstätigkeit ankurbeln, dürften Mittelamerika, die Karibik und natürlich Mexiko die grössten Nutzniesser sein, während andere Schwellenländer Zuwächse verzeichnen sollten – alles positive Faktoren für Staats- und Unternehmensanleihen aus Schwellenländern.
Erste Zinssenkungen in Schwellenländern
Vielleicht noch grössere Auswirkungen hat das unerwartete Nachlassen der weltweiten Inflation. Es ist nicht auszuschliessen, dass die Inflation Anfang 2024 kein Thema mehr sein wird. Bezeichnenderweise war die jährliche Inflation in den Schwellenländern Mitte 2023 niedriger als die durchschnittliche Inflation der Industrieländer.3
Die Zentralbanken einiger Schwellenländer haben bereits erste Zinssenkungen vorgenommen, wobei Costa Rica, die Dominikanische Republik, Ungarn, Uruguay, Chile und Brasilien die Vorreiter sind. Es sollte nicht überraschen, wenn die Zentralbanken der meisten anderen Schwellenländer die Zinsen noch vor Jahresende und die Notenbanken der Industrieländer ihre Zinsen kurz danach herabsetzen werden.
Inflationsdruck gut gemeistert
Die Regierungen der Schwellenländer befinden sich im Vorfeld dieses Wandels in solider Verfassung, da sie den sozial problematischen Inflationsdruck der letzten Zeit gut gemeistert und generell eine unhaltbare populistische Politik vermieden haben.
Als Reaktion auf Corona haben die Schwellenländer eine robustere Geldpolitik und eine konservativere Finanzpolitik verfolgt als die Industrieländer. Folglich nähert sich die Inflation in den Schwellenländern praktisch der Inflation in den Industrieländern an, und der Schuldenstand der Schwellenländer hat im Verhältnis zum BIP wieder das Niveau der Zeit vor der Pandemie erreicht, wobei die Abhängigkeit von ausländischen Ersparnissen relativ gering ist.
Trotz einiger Ausfälle und Notlagen, die für Schlagzeilen sorgten, ist die überwiegende Mehrheit von Schwellenländeranleihen mit Investment-Grade- und BB-Ratings bewertet und steht auf einer sehr soliden Basis.
Anlagechancen bei Schwellenländeranleihen
Bei den Staatsanleihen der Schwellenländer dürfte die wahrscheinliche Entwicklung des Dollars und der lokalen Zinssätze der Schwellenländer den hoch bewerteten Emittenten in Hartwährung Rückenwind verleihen. Nationen mit starken Institutionen, stabilen politischen Rahmenbedingungen und einem politischen und gesellschaftlichen Konsens über makroökonomische Stabilität dürften am besten abschneiden.
Trotz der Führung durch Mitte-Links-Präsidenten hat sich diese Dreierkombination zum Beispiel in Brasilien, Chile, Kolumbien und Peru für Rentenanleger gut bewährt. Auch Länder wie Albanien und Serbien, deren Institutionen und politische Strategien durch ihre Mitgliedschaft in der Europäischen Union oder ihren Status als EU-Beitrittskandidaten verankert sind, sollten profitieren.
Falsche Annahme
Bei Unternehmensanleihen aus Schwellenländern dürfte sich die weit verbreitete Annahme, dass höhere Refinanzierungskosten zu steigenden Ausfällen führen würden, als falsch herausstellen, wenn die Zentralbanken der Industrieländer Anfang nächsten Jahres allmählich die Zinsen senken.
Angesichts des sich aufhellenden wirtschaftlichen Umfelds und der nachlassenden Inflation haben Unternehmensemittenten aus den Schwellenländern vermehrt Transaktionen durchgeführt, die Kündigungsoptionen, Rückkaufangebote und Rückzahlungen beinhalten.
Niedrigere Produktionskosten
Folglich gelingt es mehr High-Yield-Emittenten, ihre Schulden zu verlängern, zu tilgen respektive zu refinanzieren, als ursprünglich angenommen wurde. Wichtig sind auch die Rohstoffpreise, die zwar im Jahresvergleich gefallen sind, aber immer noch über dem langjährigen Durchschnitt liegen.4
Infolge der Preisentwicklung der letzten Zeit ist der Umsatz von Rohstoff-Produzenten gesunken, doch andere Schwellenländer-Unternehmen konnten von niedrigeren Produktionskosten profitieren.
Gute Aussichten
In Anbetracht des Rückenwinds durch eine stärkere US-Wirtschaft, eine rasch sinkende Inflation und niedrigere Zinsen sind die Aussichten für Schwellenländeranleihen gut.
1Quelle: U.S. Bureau of Economic Analysis. Stand: 30. Juni 2023.
2Quelle: Eurostat. Stand: 30. Juni 2023.
3Quelle: S&P Global Market Intelligence. Stand: 11. August 2023.
4Quelle: Bloomberg. Stand: 31. August 2023.
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