2022 war ein schwieriges Jahr, sowohl für Aktien als auch für Anleihen. Was können Anlegerinnen und Anleger 2023 erwarten? Antworten von Mike Judith, Head of International Sales bei DNB AM.
Herr Judith, die Einschätzung der Märkte für 2022 ist recht übereinstimmend. Jetzt interessiert die Investorinnen und Investoren natürlich, wie könnte es 2023 weitergehen?
Unsere Portfolio-Manager gehen davon aus, dass wir noch einige schwierige Zeiten am Aktienmarkt vor uns haben. Deshalb halten wir auch an unserer defensiven Positionierung fest.
Bislang war der Abschwung am Aktienmarkt in erster Linie auf eine Komprimierung von verschiedenen Multiplikatoren zurückzuführen, da die Inflation zum einen höher als erwartet war und die Zentralbanken die Zinsen aggressiv angehoben haben.
Wir glauben, dass die nächste Abwärtsbewegung durch niedrigere Gewinnschätzungen aufgrund schwächerer Umsatzerlöse und Margenkompressionen ausgelöst wird.
Welche Sektoren könnten sich am schnellsten erholen oder welche sieht DNB als vielversprechend an?
Wenn der Markt die Talsohle erreicht hat, sollten prozyklische Sektoren gut abschneiden. Hier haben wir Small- und Mid-Cap-Unternehmen im Blick, nachdem sie in den letzten zwölf Monaten eine Rekordunterperformance aufwiesen. Darüber hinaus sollten auch zyklische Konsumgüter profitieren, da die Inflation zurückgeht.
Auch dieser Sektor hat im letzten Jahr sehr schlecht abgeschnitten. Das Gleiche gilt für Wachstumswerte, bei denen ein erheblicher Teil der erwarteten Gewinne in der Zukunft liegt und die aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegenüber höheren Zinssätzen stark unter Druck geraten sind.
Innerhalb der Wachstumswerte würden wir den Technologie- und Erneuerbare Energie-Sektor hervorheben, der immer noch von einem starken strukturellen Rückenwind profitiert.
Kurz zur Anleihenseite, wo DNB mit High-Yield- und Investment-Grade-Lösungen vertreten ist. Viel wird hier von einem Comeback gesprochen. Sehen Sie das auch so?
Ja, wir sind davon überzeugt, dass Anleihen in den nächsten sechs bis zwölf Monaten ein Comeback erleben werden. Wichtig für die Märkte ist die Gewissheit, wann der Höhepunkt des Zinserhöhungszyklus der Zentralbanken erreicht sein wird.
Sie werden allerdings, da die Zinsänderungen mit einer beträchtlichen Verzögerung auf die Wirtschaft wirken, eine Verschnaufpause einlegen, um die Entwicklungen in ihren jeweiligen Volkswirtschaften zu bewerten. Die Märkte in Europa einschliesslich Norwegen sollten die Entwicklung zum grössten Teil eingepreist haben.
Es könnte sogar sein, dass die altbekannte negative Korrelation zwischen Anleihen- und Aktienrenditen wieder auflebt.
Thema ESG – wo steht die Branche?
Auf regulatorischer Seite hat sich 2022 einiges getan. Das grösste Problem, vor dem die Branche steht, sind nach wie vor die Daten, die es nicht ausreichend von den Unternehmen gibt, die lückenhaft sind oder die sich zum Teil widersprechen. Auch die Vergleichbarkeit ist nicht gegeben.
Die Klassifizierung in Artikel 6, 8 und 9 war ein erster Versuch, aber die Diskussion bleibt, ob Unternehmen mit einem schlechten CO2-Fussabdruck – aber überprüfbarem Transformationsplan hin zu Erneuerbarer Energie – aus den nachhaltigen Portfolios ausgeschlossen werden sollten.