Mit MiCA schafft die EU einen harmonisierten Rechtsrahmen für Kryptowerte. Als EWR-Mitglied profitiert Liechtenstein vom uneingeschränkten EU-Passporting und dank des TVTG von einer attraktiven Übergangsregelung.

Von Clara Guerra und Thomas Dünser, Stabsstelle für Finanzplatzinnovation und Digitalisierung (SFID) des Fürstentums Liechtenstein

Das Token-Gesetz als Pionierleistung

Liechtenstein hat als weltweit erstes Land eine umfassende Regulierung der Blockchain eingeführt, um die rechtssichere Entwicklung dieser Zukunftstechnologie zu fördern. Das «Token-Gesetz» ist jedoch viel mehr als «nur» eine Regulierung von Kryptowährungen, Kryptobörsen oder Initial Coin Offerings.

Es bildet vielmehr eine Grundlage für die Nutzung der Blockchain in der gesamten Finanz- und Realwirtschaft (sogenannte Token-Ökonomie) und ermöglicht beispielsweise die direkte Tokenisierung von allen realen Vermögenswerten und Rechten (wie Lizenz- oder Nutzungsrechte).

Ein Beispiel für diese Art von Tokenisierung hat die Liechtensteiner VP Bank umgesetzt und Kunstwerke und Uhren direkt, dass heisst ohne Special Purpose Vehicle (SPV), tokenisiert.

MiCAR schafft einen harmonisierten Rechtsrahmen

In der Zwischenzeit hat die EU mit dem Digital Finance Package ein umfassendes Regulierungspaket geschnürt, das unter anderem die «Markets in Crypto-Assets»-Verordnung (MiCAR) und die «DLT-MTF»-Regulierung enthält. Beide Regulierungen sind Meilensteine für die Nutzung von Blockchain im Finanzmarkt.

Erstmals wird einer der grössten Märkte der Welt einen einheitlichen Rechtsrahmen bieten, der gleichermassen Anleger in Kryptowerte schützt und Unternehmen ein Passporting aus jedem Mitgliedsstaat des europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ermöglicht.

Reguliert werden nicht nur Security Token, sondern auch verschiedene Arten von Stable Coins (E-Geld und Asset Referenced Token), sowie übrige fungible Kryptowerte. Die Architektur von MiCAR und die weiteren Inhalte des Digital Finance Package sind kompatibel mit dem Token-Gesetz und fügen sich optimal in die Regulierungslandschaft in Liechtenstein ein.

Unternehmen aus Liechtenstein profitieren vom EU-Passporting

Über den EWR profitieren in Liechtenstein ansässige Unternehmen vom EU-Passporting im Finanzmarkt und haben einen uneingeschränkten Zugang zum europäischen Markt. Insbesondere für Schweizer Firmen ist Liechtenstein dank der Nähe und der vielseitigen Verbindungen oft der ideale Brückenkopf für den Zugang zum EWR.

Als attraktiver Wirtschaftsstandort hat Liechtenstein jedoch sehr viel mehr zu bieten. Neben der stabilen Rechts-, Sozial-, und Wirtschaftsordnung sowie einem hohen Mass an politischer Kontinuität stechen insbesondere das Zivilrecht für Token und die liberale Regulierung von digitalen Wertpapieren hervor, da MiCAR keine zivilrechtlichen Regelungen umfasst.

Trotz MiCAR hängen also die Möglichkeiten zur Nutzung der Blockchain-Technologie in einem Land von den übrigen gesetzlichen Rahmenbedingungen ab. Mit dem TVTG hat Liechtenstein hier eine der attraktivsten Regulierungen anzubieten.

Übergangsregeln für MiCAR

Die Publikation von MiCAR im Amtsblatt der Europäischen Union ist für das zweite Quartal 2023 vorgesehen. Danach startet für Stable-Coin-Emittenten eine 12-monatige und für die Crypto-Assets Service Provider (CASP)-Regulierung eine 18-monatige Übergangsfrist mit einer Übergangsregel für bereits regulierte Unternehmen.

Wer vor Ablauf dieser Übergangsfrist in einem Mitgliedsstaat mit einer analogen Regulierung registriert ist, kann über ein vereinfachtes Verfahren eine MiCA-Lizenz erhalten und vom Passporting profitieren. Dank des Token-Gesetzes hat Liechtenstein eine umfassende Regulierung von verschiedenen «CASP» bereits in Kraft, so dass die in Liechtenstein registrierten Unternehmen von der attraktiven Übergangsregelung profitieren könnten.

MiCAR steht für Innovationsförderung und Anlegerschutz

Mit MiCAR hat die Blockchain-Technologie in Europa definitiv ihren Weg in den etablierten Finanzmarkt gefunden. Die grenzüberschreitende Rechtssicherheit in Europa wird dazu beitragen, dass die verschiedenen regulierten Anwendungen, von Security Token-Handelsplattformen und Kryptobörsen bis zu Stable Coins sich positiv entwickeln und in den Mainstream aufgenommen werden können.

Die EU hat mit MiCAR klargemacht, wie sie sich den digitalen Finanzsektor nach europäischer Prägung vorstellt: Sie will Innovation fördern und gleichzeitig den Anlegerschutz hochhalten.


Clara Guerra ist stv. Leiterin der Stabsstelle für Finanzplatzinnovation und Digitalisierung (SFID) des Fürstentums Liechtenstein. Die Juristin mit Schwerpunkt in High-Tech und Innovation war zuvor in der Privatwirtschaft tätig und engagiert sich als Board Member im Hochschul- und MedTech Bereich. Sie hält Vorträge und publiziert regelmässig über Emerging-Tech- und andere Innovationsthemen aus der staatlichen Perspektive.

Thomas Dünser ist Leiter der Stabsstelle für Finanzplatzinnovation und Digitalisierung (SFID) des Fürstentums Liechtenstein und Autor. Er war zuvor Berater des Regierungschefs im Ministerium für Präsidiales und Finanzen und in dieser Rolle unter anderem für den Aufbau des Innovations-Frameworks als auch das Blockchain-Gesetz verantwortlich. Er hält Vorträge und publiziert regelmässig über Blockchain aus der staatlichen Perspektive, wie «Legalize Blockchain» und «Stable Money».