Im Niedrigzinsumfeld zieht es viele Investoren in Schwellenländer. Denn viele dieser Staaten gehören zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Gleichzeitig legen Anleger, wie Union Investment, immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit. Doch die Umwelt- und Sozialstandards in Schwellenländern sind niedrig.
Wie passt das Investieren in Schwellenländern also zusammen? Alina Eidt, Portfoliomanagerin des neu aufgelegten UniInstitutional EM Sovereign Bonds Sustainable, gibt darüber Auskunft.
Frau Eidt, die Bedeutung der Nachhaltigkeit hat über alle Anlageklassen hinweg zugenommen. Davon lassen sich Investitionen in Emerging Markets nur noch schwer ausklammern. Mit Nachhaltigkeit verbinden viele allerdings eher Unternehmens- und weniger Staatsanleihen.
Zunächst einmal werden Staaten natürlich anders bewertet als Unternehmen. Um Schwellenländer zu prüfen, können wir aber auch nicht einfach eins zu eins die Investmentkriterien anwenden, die wir bislang für Industrieländer nutzen. Da spielen ganz andere Fragen eine wichtige Rolle: Etwa, ob das Land frei ist, wie hoch die Korruption dort ist und vor allem wie viel es gemessen an seinen finanziellen Möglichkeiten in Nachhaltigkeit investiert.
Ein Drittel des Anlageuniversums schliessen wir über diese drei Säulen aus. Das heisst, in Länder wie China, Russland oder Saudi-Arabien investiert unser nachhaltiger EM-Staatsanleihenfonds nicht, auch wenn viele konventionelle Staatsanleihenfonds, die in Schwellenländern investieren, das tun.
Warum ist es überhaupt wichtig, bei Investitionen in Schwellenländer auf das Thema Nachhaltigkeit zu achten?
Wenn Schwellenländer ihre Nachhaltigkeit verbessern, werden sie einen wichtigen Beitrag zur globalen nachhaltigen Transformation leisten. Insbesondere wenn man bedenkt, dass die Schwellen- und Entwicklungsländer mehr als die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts und drei Viertel der Landfläche darstellen. Allerdings steht der Fortschritt der nachhaltigen Transformation in diesen Ländern in enger Abhängigkeit mit deren wirtschaftlicher Entwicklung.
«Durch diesen strengen, mehrstufigen Prozess stellen wir die Renditechancen für unsere Kunden sicher»
Denn ein nachhaltiger Umbau der dortigen Wirtschaft muss finanziert werden. Staaten, die glaubhaft darlegen, dass mit einem wirtschaftlichen Aufschwung auch ein nachhaltiger Wandel einhergeht, unterstützen wir, indem wir investieren. Hier grenzen wir uns im Übrigen von vielen anderen ESG-Investoren ab. Die setzen «arm» oft mit «wenig nachhaltig» gleich und schliessen Schwellenländer per se aus. Das kann allerdings fatale Folgen für diese Staaten haben, da viele auf externes Kapital angewiesen sind, um in nachhaltiges Wachstum investieren zu können.
Ist Nachhaltigkeit nicht ein Luxusproblem der Industriestaaten?
Natürlich können vermögendere Staaten mehr Geld für Nachhaltigkeit ausgeben als vergleichsweise arme Länder. Daher schneiden Schwellenländer in der Bewertung von ESG-Investoren oft deutlich schlechter ab. Bei Union Investment verfolgen wir deshalb einen relativen Investmentansatz und betrachten Schwellenländer untereinander in Relation zu ihrem Wohlstandsniveau.
Wenn ein Land absolut gesehen einen recht niedrigen Grad an Nachhaltigkeit aufweist, aber im Verhältnis zu seinem Wohlstand vergleichsweise viel für ESG-Belange aufwendet, dann ist das für uns ein Investment. Im zweiten Schritt muss das Land dann auch klassischen Investmentkriterien entsprechen und durchläuft eine normale Kapitalmarktanalyse.
Durch diesen strengen, mehrstufigen Prozess, der uns deutlich von der Konkurrenz abgrenzt, stellen wir sowohl unsere Nachhaltigkeitskriterien als auch die Renditechancen für unsere Kunden sicher.
Können Sie uns ein Beispiel für ein nachhaltiges Schwellenland nennen?
(Der nachhaltige Schwellenländerfonds investiert unter anderem in Ghana und Senegal. Beides Länder, die mehr für Nachhaltigkeit ausgeben, als man gemäss ihres Wohlstandsniveaus erwarten würde.)
Ja, Ghana etwa setzt sich vergleichsweise stark für die Förderung der Biodiversität ein und hat einen recht hohen Anteil erneuerbarer Energien. Auch die Nutzung der Wälder beziehungsweise die Ausdehnung landwirtschaftlicher Flächen verläuft hier schonender als in anderen Ländern. Senegal arbeitet schon länger daran, in Kooperation mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), seine öffentlichen Einnahmen und Ausgaben transparenter zu machen.
Entsprechend schneidet das Land im Bereich Öffentliche Finanzen – einer wichtigen Governance-Komponente - sehr gut ab. Eine Variable innerhalb unserer sozialen Dimension ist die Konnektivität der Bevölkerung. Hier wird der Zugang zu Elektrizität, Internet und Mobilfunkgeräte gemessen. Marokko sticht da beispielsweise positiv heraus. Alle diese Länder machen mehr, als man gemäss ihres aktuellen Wohlstandsniveaus erwarten würde. Das heisst, sie schneiden in unserem relativen Ansatz gut ab. Diese Entwicklung unterstützen wir, in dem wir investieren.
Bisher schreckten Investoren auch häufig vor Schwellenländern zurück, weil die Datenlage so schlecht ist.
Ja, das stimmt. Einige Länder haben den Bedarf nach Datentransparenz erkannt und reagieren entsprechend. Das heisst, die Datenlage verbessert sich zunehmend, was uns auch als Investoren hilft, unsere Gelder nachhaltig zu allokieren. Künftig dürfte das weitere Investoren bestärken, in Schwellenländer zu investieren – zumal auch das Angebot von grünen Staatsanleihen stark zunimmt.
Damit einher geht, dass die Mittelverwendung zunehmend nachverfolgbar wird. Das begrüssen wir, auch wenn wir erst sehen müssen, wie das langfristig in der Praxis gelebt wird. Hier werden sich mit der Zeit wahrscheinlich gewisse Standards etablieren.
Seit Jahresbeginn haben wir einen starken Zinsanstieg in den USA gesehen. Welche Folgen wird das haben?
Wir erwarten nicht, dass es zu so heftigen Kursverwerfungen kommt wie etwa 2013 als die Fed eine straffere Geldpolitik ankündigte, was zu einem Einbruch der Anleihekurse führte. Die Risikoaufschläge für Schwellenländer-Hartwährungsanleihen sind im Moment praktisch unverändert seit Jahresbeginn.
Zudem rechnen wir damit, dass viele Zentralbanken die Zinsen anheben und so dem Risiko von Kapitalabflüssen begegnen werden. Alles in allem hat das vergangene Jahr gezeigt, dass unser Konzept sich auch in schwierigen Zeiten beweisen kann. Nichtsdestotrotz wird 2021 vermutlich nicht weniger aufregend als 2020.
Investoren bezeichnen Schwellenländer auch als Schwellenmärkte (engl. Emerging Markets). Schwellenländer weisen ein niedriges bis mittleres Pro-Kopf-Einkommen auf und mitunter wächst deren Wirtschaft stark. Aufgrund der teilweise weniger stark diversifizierten Volkswirtschaften können einige der Länder gegenüber Schwankungen bei den Rohstoffpreisen stärker exponiert sein. Der UniInstitutional EM Sovereign Bonds Sustainable ist ein nachhaltiger EM-Hartwährungsstaatsanleihen-Fonds, der im Januar 2020 neu aufgelegt wurde. Derzeit investiert der Fonds in 35 verschiedene Länder. |
Alina Eidt studierte in Mainz und in Konstanz International Economics und arbeitete danach als Investmentstrategin bei der Deutschen Bank bevor sie 2018 als Portfoliomanagerin zu Union Investment wechselte. Sie verwaltet den UniInstitutional EM Sovereign Bonds Sustainable, ihr Fokus liegt vor allem auf Ländern des Nahen Ostens, Nordafrika sowie einigen Staaten südlich der Sahara.