Durch die Covid-19-Pandemie erhöht sich die Akzeptanz von Outsourcing-Lösungen fürs Front Office deutlich, wie ein Whitepaper von Northern Trust zeigt. Gary Paulin untersucht die zugrundeliegenden Trends.
Von Gary Paulin, Global Head of Integrated Trading Solutions, Northern Trust Capital Markets
Der Übergang zu weniger kapitalintensiven sowie variablen Kostenmodellen in wissens-basierten Dienstleistungen schreitet allgemein voran und ist im Technologie-Segment schon seit einiger Zeit deutlich spürbar. Die seit 2020 vorherrschende Pandemie hat diesen Trend auch im Finanzdienstleistung-Segment beschleunigt.
Covid-19 hat den Margendruck verschärft und neue Herausforderungen gebracht – zum Beispiel längere Abwesenheiten von Mitarbeitern, Einhaltung sozialer Abstände oder Fernüberwachung. Bei vielen Firmen hat diese Situation eine Neubeurteilung der Betriebsmodelle hervorgerufen. Outsourcing bietet angesichts des volatilen Umfeldes nicht nur mehr Flexibilität bezüglich Margen, sondern auch geschäftlich mehr Handlungsmögichkeiten auf den sich beschleunigenden Wandel ohne an Fixkosten gebunden zu sein.
Beschleunigung der Evolution
Die Herausforderungen und Veränderungen lassen sich zusammenfassend auch als «Jahrzehnte in Wochen» bezeichnen. Ineffizienzen, die dank gut laufender Märkte bzw. einer ausgelasteten betrieblichen Tätigkeit verborgen blieben, werden nun aufgedeckt und auf den Prüfstand gebracht. Schlechte Beziehungen sind durch die Pandemie noch viel schlimmer geworden, austauschbare Güter sind noch beliebiger geworden und schwache Bilanzen wurden unhaltbar.
Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine Intensivierung des Wandels, welcher für viele Unternehmen durch erhöhten Wettbewerbsdruck, Gebühren, regulatorische Entwicklungen und Technologiekosten sowie der sich verändernden Produktnachfrage bereits unaus-weichlich geworden war – sei dies bewusst oder unbewusst.
Die Herausforderungen der Pandemie sind auch Chancen und liefern in einigen Fällen auch einen Vorwand, um Abläufe zu überprüfen und neu zu gestalten. So wurde beispielsweise die Annahme, dass die Nähe zwischen den Handels- und den Investment-Teams ein wesentliches und vorteilhaftes Element des Anlageprozesses ist, durch längere Zeiträume der Fernarbeit in Frage gestellt. Bei eigenen Händlern, die bereits von ausserhalb arbeiten, gibt es nur minimale Unterschiede zum vollständig ausgelagerten Handel; bei beiden Varianten besteht eine Verbindung zwischen den Teams. Der einzige Unterschied besteht bloss in der Frage, wer die Rechnungen bezahlt.
Technologie am Scheitelpunkt der Welle
Das Wachstum des ausgelagerten oder outgesourcten Handels ist vergleichbar mit dem Wachstum des Cloud Computings in den 1990er-Jahren. Anfangs war das Konzept von Cloud Computing für viele Menschen schwierig zu verstehen. Es gab Bedenken hinsichtlich Sicherheit, über die gemeinsame Nutzung der Infrastruktur mit Drittanbietern und bezüglich Kontrollverlust. Doch mit der beständigen Entwicklung der Technologie wurde immer offensichtlicher, dass Cloud-basierte Modelle nicht nur Skalierbarkeit bieten, sondern auch die Komplexität reduzieren und dadurch kostengünstig sowie effizient sein würden. Auf die gleiche Weise bieten im Operations-Bereich der Finanzbranche hochgradig skalierte Lösungen ein höheres Mass an Produktivität, Effizienz, Flexibilität, Elastizität und geringere Betriebskosten.
Bereits 2018 schätzten Oliver Wyman und Morgan Stanley, dass Technologie bereits für 15 bis 20 Prozent der Kosten in unserer Branche verantwortlich ist. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Asset Manager Zugang zu den neusten technologischen Innovationen haben. Outsourcing ermöglicht Firmen jeder Grösse, auf diese Innovationen zuzugreifen und die Ressourcen von Anbietern hochgradig skalierbarer Lösungen zu nutzen – dies in einem einheitlichen Branchen-Umfeld, in welchem Firmen nicht auf Grösse setzen müssen, um Alpha zu erzielen und konkurrieren zu können.
Ein neuer Fokus auf Governance
Da die Aufsichtsbehörden zunehmend mehr Transparenz einfordern, um das Vertrauen in die Finanzmärkte wiederherzustellen, und weil Investoren auch immer mehr mit der digitalen Welt vertraut sind, werden Entscheidungen immer stärker auf der Grundlage von Fakten getroffen. Es wird nun davon ausgegangen, dass Entscheidungen auf vollständigen Informationen basieren sollten und nicht auf Überzeugungen oder Vorurteilen, denn diese machen oft blind für die Akzeptanz der Realität, von Veränderungen oder neuen Ideen. Dieser Fakt legt einen neuen Schwerpunkt auf die Governance. Entgegen dem Irrglauben, dass einem Unternehmen wegen Outsourcing die operative Kontrolle entgleitet, kann ein effektives Outsourcing die Handelsaufsicht durch verbesserte Datenanalysen und Berichterstattung sogar erhöhen.
Da das Interesse und die Investitionen in ESG-Strategien weiter zunehmen, wird die Not-wendigkeit, eine effektive Entscheidungsfindung nachzuweisen, noch verstärkt. Governance ist nicht etwas, um das sich nur die Aufsichtsbehörden kümmern. Von Verwaltungsräten und Treuhändern wird erwartet, dass sie gute Stewardship-Standards implementieren und sicherstellen, dass die Investment-Strategien ESG als einen eigenständigen Bereich berück-sichtigen. Wenn Anleger aller Couleur verlangen, dass ihr Kapital in Unternehmen mit guter Governance investiert wird, dann müssen die «Hüter» dieser Gelder, die Asset Manager, in der Lage sein, in jeder Phase ihrer operativen Prozesse eine überzeugende Governance-Leistung zu dokumentieren. Dazu gehört auch das Trading Desk.
Die richtigen Fragen stellen
Letztendlich sollte sich die Diskussion beim Outsourcing mehr auf die Frage nach dessen Wert als auf dessen Kosten konzentrieren. Die Annahme, dass Handelsaktivitäten einem Unternehmen und seinem Investment-Prozess Nutzen stiften, muss jetzt bewiesen werden. Unabhängig von der Geisteshaltung ist es für ein Unternehmen nicht mehr akzeptabel, etwa den Handel in einer internen Stelle ausüben zu lassen, wenn es nicht nachweisen kann, warum dies von Vorteil ist. Das kürzlich erschienene White Paper von Northern Trust «From Niche to Norm» geht näher darauf ein und erklärt, weshalb für viele Firmen ein Outsourcing das optimale Vorgehen sein könnte. Dies gilt insbesondere für Dienstleistungs-Anbieter im Wertschriftenhandel, welche nicht nur kostengünstigere Services offerieren, sondern oftmals auch noch bessere Leistungen liefern – und dies erst noch durch niedrigere Brokergebühren und unabhängige Analysen von Transaktionskosten quantifizieren können.
Der Druck auf die Margen wird ein Treiber für die Geschäftsentwicklung bleiben, aber auch die gestiegenen Anforderungen an eine gute Unternehmensführung. Diesbezüglich von Belang sind auch die operative Belastbarkeit, die Nutzung von technologischen Innovationen und die Notwendigkeit, beständig effizienter zu werden.
Gary Paulin ist Global Head of Integrated Trading Solutions bei Northern Trust Capital Markets.