Das Interesse an Schwellenländeranleihen ist zurück. Dafür gibt es vor allem drei Gründe.

Von Warren Hyland, Portfoliomanager bei Muzinich & Co.

Wir stehen am Rande eines möglichen neuen Wirtschaftseinbruchs durch Covid-19. Dabei wandert das saisonale Gripperisiko von der nördlichen zur südlichen Hemisphäre. 

Seit Beginn der Coronakrise wurde Kapital aus den Schwellenländern (Emerging Markets, EM) abgezogen. Eine Erholung hat erst leicht verzögert ab Mitte September eingesetzt. Drei Hauptvariablen für die Kapitalflüsse haben sich verbessert: Wachstum, Liquidität und Marktstimmung. 

Viel Wachstum aus China

In China als einem wichtigen globalen Wirtschaftsmotor liegen die Wachstumsraten wieder über Vorkrisen-Niveau. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, dürfte 2021 ein Löwenanteil des globalen Wachstums auf China entfallen. Dies sollte einen Dominoeffekt auf die anderen Länder der Region und die Rohstoffmärkte auslösen.

Dabei erwarten wir überproportionale Zuwächse in Schwellenländern, weil diese Länder generell stärker produktionsgetrieben sind, während in entwickelten Märkten der weiterhin angeschlagene Dienstleistungssektor im Vordergrund steht. 

Positive Marktstimmung

Des Weiteren sind durch die enormen Stützungsmassnahmen von Regierungen und Notenbanken grosse Liquiditätspools entstanden, die in der Regel den Schwellenländern nützen.

Nach dem Sieg von Joe Biden bei den US-Wahlen sind wir hoffnungsvoll für steigende Staatsausgaben und einen Rückgang der zuletzt vorherrschenden Handelsprobleme mit Schwellenländern. Beides würde zu einer positiven Marktstimmung beitragen. Und weil das, was die USA kaufen, in Schwellenländern produziert wird, sollten Letztere von steigenden Staatsausgaben profitieren. 

Die Geldabflüsse aus Schwellenländern zu Beginn der Krise basierten auf der Befürchtung, dass die EM-Kapitalmärkte austrocknen würden. Dies hat sich nicht bewahrheitet — die Schwellenländer konnten genügend Kapital bereitstellen, und bis Ende 2020 sollten die EM-Kapitalmärkte trotz Corona wieder ihr dreijähriges Durchschnittsniveau erreichen. 

Unternehmensanleihen vor Staatsanleihen

Steigende Verschuldung ist eine natürliche Nebenwirkung der Krise, weil fehlendes Betriebskapital und Umsatzeinbussen mit Fremdkapital aufgefüllt werden. Dabei lag die staatliche und öffentliche Kreditaufnahme in Schwellenländern deutlich unter den westlichen Volkswirtschaften. Nur Schwellenländer mit dollargebundenen Währungen und geringen Währungsreserven beobachten wir weiter mit Vorsicht.

Ferner bevorzugen wir Unternehmensanleihen gegenüber staatlichen Anleihen, weil mit einer Umsatznormalisierung im Jahr 2021 der Verschuldungsgrad der Firmen zurückgehen sollte.  

Relativ stabil

Mit Blick auf die Schuldennachhaltigkeit sind wir wenig besorgt, da 2021 das nominale Wachstum die Finanzierungskosten übersteigen sollte. Ein grosses Augenmerk sollte auf den Ratingagenturen und der Kommunikation von Regierungen hinsichtlich ihrer Zahlungsbereitschaft liegen. Die Länderratings sind derzeit relativ stabil.

Herabstufungen drohen lediglich, wenn die Wachstumserwartungen für das erste Halbjahr 2021 enttäuscht werden. Dies ist jedoch nicht unser Basisszenario. Bisher haben nur wenige Staaten öffentlich erklärt, ihre Schulden nicht zurückzahlen zu wollen, und sind entsprechend von uns aussortiert worden. 

Chancen im High-Yield-Segment

Nach heutigem Stand gibt es im EM-Universum weniger Kreditausfälle als in den USA. Sie beschränkten sich in den Schwellenländern auf erwartete Fälle, die höchstens durch die Krise beschleunigt wurden. Ausserhalb der Flugbranche gibt es kaum unerwartete Ausfälle. Derzeit normalisiert sich die Lage in den Schwellenländern, und die Ausfallquote ist im historischen Vergleich nur noch leicht erhöht.

Wenn sich dieser Trend für 2021 fortschreibt, könnten sich im Jahresverlauf die Credit Spreads verengen. Bis faire Spread-Bewertungen erreicht sind, dürfte es jedoch noch eine Weile dauern. Aus diesem Grund sehen wir weiterhin gute Chancen im High-Yield-Segment bei EM-Anleihen. 

Titel- und Sektorselektion entscheidend

Auf längere Sicht könnte eine Covid-19-Winterwelle die nördliche Hemisphäre zurückwerfen und vor allem den Dienstleistungssektor bremsen, der in entwickelten Märkten eine grössere Rolle spielt als im EM-Universum. Unsere Positionierung basiert auf der starken Überzeugung, dass Covid-19 mit Unterstützung der Regierungen und Notenbanken überwunden wird.

Deshalb wäre es besorgniserregend, wenn die fiskalischen Massnahmen frühzeitig zurückgenommen würden. Um die nächsten Monate am Finanzmarkt gut zu überstehen, könnte eine umsichtige Titel- und Sektorselektion in ausgewählten Schlüsselmärkten entscheidend sein.


Warren Hyland ist seit 2013 Portfoliomanager für Emerging Markets bei Muzinich & Co. Er besitzt mehr als 20 Jahre Erfahrung im Handel mit Firmenkrediten. Er hat einen Bachelor in Wirtschaftsmathematik der Middlesex Universität in London sowie einen Master in Schifffahrt- und Finanzwesen von der CASS Business School. Er ist zudem Chartered Financial Analyst (CFA).


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