Die Corona-Pandemie hat Haushalte, Unternehmen und Regierungen vor aussergewöhnliche Herausforderungen gestellt. Das Verhalten der Verbraucher ändert sich, Firmen passen sich den Einschränkungen und dem neuen Konsumentenverhalten an.

Von Blu Putnam, Chief Economist, CME Group

Regierungen, Konsumenten und Unternehmen reagieren unentwegt auf den dynamischen Verlauf der Pandemie. Daher ist es wichtig, konjunkturelle Entwicklungen zeitnah zu erfassen. Die Pandemie hat die Verhaltensmuster von Verbrauchern und Unternehmen zum Teil in hohem Masse und womöglich dauerhaft verändert. Es ist unerlässlich, derartige Verhaltensänderungen zu verfolgen, und zu beurteilen, ob sie sich behaupten oder wieder von den früheren Gewohnheiten und Mustern verdrängt werden.

Herkömmliche Wirtschaftsdaten – über Beschäftigung, Einzelhandelsumsätze, Inflation, reales BIP – sind schlicht ungenügend, um die aktuelle Wirtschaftslage zu verstehen, ganz zu schweigen von fundierten Prognosen über das Tempo der Erholung. Traditionelle Konjunkturdaten werden mit unterschiedlicher zeitlicher Verzögerung veröffentlicht, müssen oft revidiert werden und sind, wie die jetzige Krise zeigt, wegen Schwierigkeiten bei der Datenerhebung teils mit erheblichen Vorbehalten belastet.

Neues Konzept der Ökonomen

Um diesem Problem Herr zu werden, setzen Ökonomen auf das Konzept des «Nowcasting» (Sofortprognosen), das heisst, sie verwenden alternative Datenquellen, die Wirtschaftsinformationen nicht monats- oder quartalsweise, sondern tagesaktuell liefern. Bei der Analyse des Verhaltens von Verbrauchern und Unternehmen sind spezifische alternative Datensätze viel aussagekräftiger als hochaggregierte Berichte.

In diesem Report fassen wir zunächst zusammen, was verzögerte Wirtschaftsdaten über die Konjunktur und die Erholung von den pandemiebedingten Beschränkungen verraten. Wir wechseln dann die Perspektive, um folgenden vier wichtigen Fragen zum Thema Verhaltensänderung nachzugehen:

  • Wie gross ist die Bereitschaft der Verbraucher, sich in geschlossenen Räumen mit vielen Fremden aufzuhalten?
  • Wie zügig verläuft die Rückkehr der Angestellten in ihre Büros?
  • Wird sich das Aufkommen an Geschäftsreisen kurzfristig erholen?
  • Was verraten Nowcasting-Prognosen über das aktuelle Tempo der Erholung?

1. Was erfahren wir aus konventionellen Wirtschaftsdaten?

Monatsdaten zur Arbeitsmarktlage in den USA belegen, dass die Erholung im Mai 2020 einsetzte, als nach dem Verlust von fast 21 Millionen Arbeitsplätzen im April dann wieder 2,7 Millionen Stellen besetzt wurden. Im Juli 2020 fehlten in der US-Wirtschaft noch immer fast 13 Millionen Arbeitsplätze gegenüber der Höchstbeschäftigung im Februar 2020, die unmittelbar vor dem Lockdown erreicht wurde.

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Die wöchentlichen Daten über neue Anträge auf Arbeitslosengeld zeigen ein etwas entmutigenderes Bild: Jede Woche beantragen eine Million zusätzliche Antragsteller Arbeitslosenunterstützung, selbst im Juni und im Juli. Die höchsten Arbeitsplatzverluste wurden im April gemeldet, doch auch im Juli erfolgten weitere Entlassungen, als schon viele während des Lockdowns beurlaubte Arbeitnehmer ihre Tätigkeit wieder aufnahmen. Zudem enthalten die Daten zur Arbeitsmarktlage schwer zu erklärende Unstimmigkeiten.

So weisen die Monatsdaten für den Juli 16'338'000 Beschäftigungslose aus, wohingegen alle Hilfsprogramme zusammengenommen 32'118'678 Antragsteller für Arbeitslosenunterstützung ergeben. Diesen Datendschungel zu durchforsten, ist eine nicht gerade triviale Herausforderung.

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Die Daten zum BIP erscheinen quartalsweise, sind also noch weniger aktuell als die Arbeitsmarktdaten. Das reale BIP erreichte im vierten Quartal 20219 sein höchstes Niveau. Im zweiten Quartal 2020 lag es 10,6 Prozent unter dem Höchststand, März und April richteten den grössten Schaden an. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass diese Daten revidiert werden.

Ein Grossteil der Wirtschaftsdaten für Juni 2020 – einschliesslich Einzelhandelsumsätze, Exporte und Importe – wurde vom US-Handelsministerium für den vorläufigen Bericht zum realen BIP im zweiten Quartal geschätzt. Schon die Hälfte des dritten Quartals ist verstrichen – die quartalsweisen BIP-Daten kommen zu spät, um Aufschluss über den aktuellen Stand der Konjunktur zu geben. Schauen wir, welche Erkenntnisse uns die alternativen Daten liefern.



Alle in diesem Research dargestellten Sichtweisen sind ausschliesslich die Meinung des Autors, nicht notwendigerweise der CME Group oder ihrer verbundenen Unternehmen. Alle in dieser Präsentation dargestellten Beispiele sind hypothetische Interpretationen und werden nur zu Erläuterungszwecken verwendet. Dieser Bericht und die darin enthaltenen Informationen sind nicht als Anlageberatung oder als Ergebnis tatsächlicher Markterfahrungen aufzufassen.