Andreas Vetsch, Hedge Fund Analyst bei LGT Capital Partners, zeigt einen Weg, wie die ESG-Kriterien genutzt werden können, um die Nachhaltigkeit von Länderanleihen und Währungen zu ermitteln.

Von Andreas Vetsch, Hedgefonds-Analyst bei der LGT

ba645530337d2b389769d64f4dde65d5 w160Nachhaltigkeit wird für immer mehr Aktien-Fondsmanager zu einem wichtigen Anlagekriterium. Dies nicht zuletzt, weil diesbezügliche Mängel eines Unternehmens für Anleger erhebliche Risiken mit sich bringen. Wie aber lässt sich die Nachhaltigkeitsqualität einer Investition in den Franken, in den Boliviano oder in italienische Staatsanleihe beurteilen?

Dieser Herausforderung müssen sich viele Fondsmanager stellen, die in unterschiedliche Anlageklassen investieren. Die Antwort fällt auf den ersten Blick leicht: Bei Währungen und Obligationen entspricht das zugrundeliegende Nachhaltigkeitsrisiko dem Risiko des Landes, an das die Währung respektive Anleihe gebunden ist.

Umwelt, Soziales, Governance

Hier geht es also darum, das betreffende Land anhand von Kriterien in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance – kurz ESG-Kriterien – zu beurteilen.

Im Bereich «Umwelt» können auf Länderebene beispielsweise Faktoren wie Kohleverbrauch, Naturschutzgebiete und Süsswasserkonsum von Bedeutung sein. «Soziales» beinhaltet unter anderem Aspekte wie Arbeitslosigkeit, Lebensstandard oder Mordrate, und «Governance» kann Kriterien wie unternehmerische Freiheit, politische Stabilität oder Patentanträge beinhalten.

Leider gibt es für solche Analysen zurzeit noch keine allgemeingültigen Richtlinien, an denen sich Fund Manager orientieren könnten.

Länderanalyse mit dem ESG-Cockpit

Die LGT hat sich darum bereits 2008 entschieden, ein eigenes ESG-Cockpit zu entwickeln, um Wertpapiere und Länder auf Nachhaltigkeitskriterien zu beurteilen. Die Staatsanleihen im LGT Sustainable Bond Fund Global unterliegen beispielsweise einem ESG-Rating, das direkt in die Portfoliokonstruktion einfliesst.

Dazu werden die zugrundeliegenden Länder auf verschiedenste Kriterien geprüft. Die Daten basieren auf öffentlich zugänglichen Informationen der Weltbank und diversen NGOs:

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Länder mit schlechtem ESG-Rating werden abgestraft und jene, die gegen gewisse Kriterien verstossen, haben gar keinen Platz in nachhaltigen Produkten. So sollte beispielsweise Russland, das unter starker Korruption leidet und weder die Konvention über Streumunition (CCM) noch das Übereinkommen zum Verbot von Antipersonenminen (APLC) unterzeichnet hat, nicht Teil eines nachhaltigen Portfolios sein.

Divergenz zwischen Industrie- und Schwellenländern

Wer sich selbst einen Überblick über den ESG-Entwicklungsstand einzelner Länder verschaffen möchte, dem bietet die folgende Übersichtskarte der Finanzdaten-Agentur «Bloomberg», welche die einzelnen Länder in fünf Nachhaltigkeits-Quintile einteilt, einen raschen Überblick.

Bei der Betrachtung fällt auf, dass Länder, die ökonomisch weiterentwickelt sind, grundsätzlich einen höheren ESG-Standard aufweisen. Verwaltet ein Manager nun ein globales Portfolio mit Allokationen in Industrie- und Schwellenländern und wendet einen ESG-Filter an, besteht deshalb die Gefahr einer Überallokation von Anlagen in Industrieländern.

Welt 1 500

Tabelle 500

(Quelle: Bloomberg)

Um dies zu vermeiden, ist es wichtig, Industrie- und Schwellenländer getrennt voneinander zu vergleichen. Nur so wird ein fairer Vergleich von Staaten mit unterschiedlichem Entwicklungsstand gewährleistet. Auf diese Weise werden Schwellenländer bei der Allokation angemessen berücksichtigt und Industriestaaten bestraft, die den gängigen Nachhaltigkeitsstandards nicht gerecht werden.

Schweiz top, Bolivien flop?

Wie in der Grafik ersichtlich wird, erfüllt die Schweiz die höchsten ESG-Standards und befindet sich im «Top Quintil». Ausschlaggebend sind sehr gute Bewertungen über alle drei Dimensionen hinweg. Vor allem in den Bereichen «Soziales» und «Governance» hat das Land einen hervorragenden Leistungsausweis.

Italien schafft es hingegen nicht in die beste Gruppe und schneidet im innereuropäischen Vergleich enttäuschend ab. In allen Bereichen besteht Handlungsbedarf.

Viel schlimmer ist die Situation aber in manchen Schwellenländern, beispielsweise in Bolivien. Das Land befindet sich nur im vierten Quintil und ist sogar unter den Schwellenländern eine Enttäuschung. Aufgrund von Korruption, schlechter Gerichtsbarkeit und fehlenden Geschäftsfreiheit liegt das Land vor allem im Bereich «Governance» auch hinter vergleichbaren Ländern weit zurück.

ESG-Ansätze sind umsetzbar

Die eingangs gestellte Frage lässt sich also folgendermassen beantworten: Investiert ein diversifizierter Fonds in den Franken, ist dies unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit positiv. Die Schweiz wird den höchsten ESG-Standards gerecht.

Ganz anders sieht es mit einer Investition in den Boliviano aus. Bolivien fällt in Sachen Nachhaltigkeit sowohl auf globaler Ebene als auch im Vergleich mit anderen Schwellenländern ab.

Italien hält auf globaler Ebene mit, liegt aber hinter vielen Industriestaaten zurück. Diese Informationen kann ein Fondsmanager bei der Portfoliokonstruktion berücksichtigen. Ein ESG-Ansatz lässt sich also auch bei Portfolios umsetzen, die in Währungen oder Obligationen investieren.


Andreas Vetsch ist bei der LGT als Hedgefonds-Analyst tätig. Sein Fachgebiet sind Trading-Strategien. Bevor er 2012 zur LGT stiess, studierte er an der Universität St. Gallen und erwarb einen Master in Banking & Finance mit Zusatzabschluss in Wirtschaftsjournalismus.