Nachdem der Goldpreis Mitte April das bisherige Jahreshoch knapp unter 1'300 Dollar je Unze erreicht hatte, sehen wir seit vier Wochen rückläufige Kurse mit einem Zwischentief bei 1'215 Dollar. Warum?
Von Christos Maloussis, Marktanalyst bei der IG Bank
Zum einen fiel das Spannungsmoment bei den Wahlen in Frankreich nach der ersten Runde schnell weg. Die Umfragewerte für den späteren Sieger Emmanuel Macron zeigten einen so grossen Vorsprung, dass das Angstszenario um Marine Le Pen wegfiel. Diese neue Situation mit weniger Nervosität am Markt zeigte sich auch im sogenannten Angstindex, im bekannten Volatilitätsindex (VIX).
Dieser fiel im gleichen Zeitraum von knapp über 16 Punkten auf unter 10 Punkte. Das ist der niedrigste Stand seit Ausbruch der Finanzkrise. Weiteren Druck gab es für das Gold von der amerikanischen Zentralbank (Federal Reserve, FED).
Die Aussagen bei der letzten Zentralbanksitzung im Mai werteten die Märkte als starkes Indiz für einen imminenten Zinsschritt im Juni. Die von der Nachrichtenagentur «Reuters» angezeigte implizite Wahrscheinlichkeit für eine Zinsanhebung im Juni um 25 Basispunkte liegt bei 80 Prozent und bei der Agentur «Bloomberg» sogar bei mehr als 90 Prozent. Für das gelbe Edelmetall ist das keine gute Nachricht, da es so weiter an Attraktivität verliert.
Die Lage ist angespannt
Im Chartbild sieht die Lage ebenfalls angespannt aus. Durch Unterschreiten der Marke bei 1'240 Dollar wurde sowohl der 200-Tage exponentiell gleitende Durchschnitt (blau) als auch die genau auf diesem Niveau verlaufende Aufwärtstrendlinie (grün) gebrochen. Die Impulsbewegung verlief zwar Intraday bis knapp unter die Unterstützung bei 1'220 Dollar konnte diese aber auf Schlusskursbasis (bislang) nicht nachhaltig durchbrechen.
Das Abwärtsszenario
Sollte auch diese Unterstützung brechen, würde sich die Situation weiter eintrüben. Die wichtigen Unterstützungen (orange) liegen dann mit 1'200 Dollar / 1'180 Dollar in Reichweite. In diesem Bereich verläuft bei 1'189 Dollar auch die 61,8 Prozent Fibonacci Retracement Linie (violett gestrichelt) der Bewegung von Dezember 2016 bis April 2017. Spätestens ein Durchbrechen der Unterstützung bei 1'180 Dollar je Feinunze, würde weiteres Abwärtspotential bis auf 1'120 Dollar und 1'050 Dollar je Feinunze eröffnen.
Das Aufwärtsszenario
Das Alternativszenario sieht derzeit deutlich schwieriger aus. Der Goldkurs müsste zunächst die Widerstände bei 1'240 Dollar und 1'260 Dollar nach oben durchbrechen. Das grössere Hindernis liegt dann jedoch bei der langfristigen Abwärtstrendlinie (rot) welche seit 2011 besteht. Diese verläuft derzeit bei knapp 1'280 Dollar je Feinunze.
Diesen wichtigen Widerstand zu überschreiten, ist aus heutiger Sicht ohne äussere Einflüsse jedoch schwer vorstellbar. Sollte der Bruch trotzdem gelingen, könnte die Bewegung relativ zügig in Richtung 1'380 Dollar gehen.