Neu haben liechtensteinische alternative Investmentfonds (AIF) und alternative Investmentfondsmanager (AIFM) Zugang zum EWR-Binnenmarkt – ein erfolgsversprechender Standortvorteil.

Von Eduard von Kymmel, Leiter VP Fund Solutions

Liechtenstein nimmt durch seine Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) am Binnenmarkt der Europäischen Union teil. Damit erhält die liechtensteinische Wirtschaft einen direkten Zugang zum gemeinsamen Markt der 28 EU-Staaten sowie der EWR/EFTA Staaten Norwegen und Island mit insgesamt über 500 Millionen Einwohnern.

Auf dieser Basis hat sich das Land seit rund 20 Jahren erfolgreich in den harmonisierten Europäischen Markt für kollektive Kapitalanlagen integriert. Das prominenteste Beispiel hierfür sind Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW, engl. UCITS), die mit dem EU-Pass von Liechtenstein aus im europäischen Binnenmarkt vertrieben werden können.

Durch die EWR-Mitgliedschaft profitiert Liechtenstein nun seit Kurzem auch vom erweiterten Pass der Alternative Investment Fund Manager Directive (AIFMD), die am 30. September 2016 in den EWR-Vertrag aufgenommen wurde. Somit haben liechtensteinische alternative Investmentfonds (AIF) und alternative Investmentfondsmanager (AIFM) über das Passporting-System direkten Zugang zum EWR-Binnenmarkt und sind gleichgestellt mit den EU-ansässigen Unternehmen.

Interessante Brückenfunktion

Aufgrund der engen geografischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verbundenheit mit der Schweiz, welche als Drittstaat in Zusammenhang mit den europäischen Regulierungen gilt und somit nicht direkt vom erweiterten Rahmen des EWR profitiert, bietet Liechtenstein für Schweizer Anbieter eine sehr interessante Brückenfunktion für den Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Um eine möglichst effiziente Abwicklung zu erzielen, empfiehlt es sich bei den nachfolgenden Varianten die Fondsprodukte in Liechtenstein aufzulegen.

Variante 1 – Liechtensteiner AIFM

Mittels eines liechtensteinischen AIFMs erhalten Schweizer Verwalter von derartigen kollektiven Kapitalanlagen den Zugang zum europäischen Binnenmarkt: Dies beinhaltet die Verwaltung von jeglichen EU-onshore-Fonds wie auch offshore-Fonds sowie den Vertrieb innerhalb der Europäischen Union, sofern sich diese Fonds für den Vertrieb gemäss der AIFMD eignen.

Dies erfolgt unter der grundsätzlichen Voraussetzung, dass die regulatorisch erforderlichen Funktionen der Portfolioverwaltung sowie des Risikomanagements respektive dessen Überwachung nach Liechtenstein verlegt werden. Sämtliche administrative und regulatorisch nicht erforderlichen Tätigkeiten können nach wie vor von einer Schweizer Gesellschaft im Sinne der Erbringung von Dienstleistungen ausgeführt werden.

Variante 2 – Liechtensteiner Vermögensverwaltungsgesellschaft

Durch die Gründung einer Liechtensteiner Vermögensverwaltungsgesellschaft kann die Verwaltung von kollektiven Kapitalanlagen (UCITS-Fonds und/oder AIFs) mittels Delegation einer lizenzierten Verwaltungsgesellschaft unter dem UCITS- oder AIFM Regime erbracht werden. Dies kann ebenfalls die Dienstleistung der Einzelportfolio-Verwaltung beinhalten. Damit qualifizieren sich sämtliche Produkte und Dienstleistungen für den EU-Pass.

Variante 3 – Liechtensteiner Vertriebsträger

Ein Vertriebsträger in Liechtenstein kann für bewilligte Schweizer Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen eine Option sein, um den europäischen Markt für ausgewählte Produkte zu erschliessen und somit momentane, regulatorische Unsicherheiten zu überwinden.

Variante 4 – Liechtenstein als Referenzmitgliedsstaat

Sofern Drittstaaten, wie die Schweiz, zukünftig die Anerkennung der EU erhalten, werden Schweizer Anbieter vor ihrem Zutritt in den Europäischen Binnenmarkt zuerst in einem EU-Land (einem sogenannten Referenz-Mitgliedstaat) reguliert werden, um anschliessend mittels des EU-Passes im europäischen Binnenmarkt tätig zu sein.

Vielfältige Strukturierungsmöglichkeiten

Die Umsetzung der europäischen UCITS- und AIFM-Richtlinien in Liechtenstein ermöglicht Verwaltern kollektiver Kapitalanlagen, ihre Strategien ohne Einschränkungen anzuwenden, wobei die ständige Einhaltung der europäischen Regularien gegeben ist. Somit ermöglichen die weitreichenden rechtlichen Möglichkeiten eine flexible und nachvollziehbare Auflage von Investmentfonds inklusive deren Lebenszyklusmanagement.

Eine Übersicht über die verfügbaren Fondsstrukturen in Liechtenstein, samt Anlegerspezifikationen und Strukturierungsmöglichkeiten auf Fondsebene, widerspiegelt die nachfolgende Aufstellung.

VP Grafik Finews 500

Fazit

Aufgrund der bedarfsgerechten Regulierung ermöglicht Liechtenstein mit seinen professionellen Anbietern den Schweizer Vermögensverwaltern interessante Optionen für die Gestaltung ihres Geschäftsmodells. Mittels Auslagerung von Funktionen an hiesige Dienstleister ist es möglich, ein fokussiertes Geschäftsmodell zu verfolgen, die Skaleneffekte zu erhöhen sowie die Geschäftstätigkeit auszuweiten – und dies bei gleichzeitiger Konzentration auf die Kerntätigkeiten, sprich das Portfoliomanagement und der Vertrieb.


Eduard von Kymmel ist Leiter VP Fund Solutions – das Fondskompetenzzentrum der international tätigen VP Bank Gruppe – sowie Verwaltungsratsmitglied der VP Fund Solutions (Liechtenstein) AG und CEO der VP Fund Solutions (Luxembourg) SA.

Zuvor hatte er verschiedene Funktionen und Führungspositionen bei der Credit Suisse in Luxemburg und Zürich inne. Er verfügt über einen Master in Law der Johann-Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt und ein MBA in Finance der Universität von Wales, Grossbritannien. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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