Auf dem Credit Suisse Transaction Banking Forum 2023 sprachen Fachleute über ihre Erfahrungen im Bereich des digitalen Zentralbankgeldes. Eine Zusammenfassung.
Von Martin Walder, Leiter Billing and Payments Standards bei der SIX SIS, Matthias Jüttner, Leiter Banking Operations Analysis bei der SNB und Previn Singh, Leiter Digital Assets & DLT Center of Competency bei der Credit Suisse International
Gemäss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) experimentieren rund 90 Prozent aller Zentralbanken mit Central Bank Digital Currencies (CBDCs). Warum?
Previn Singh: Ich denke, die G7-Staaten sind besorgt darüber, dass die Geldpolitik der Zentralbanken zugunsten kommerzieller Interessen an Bedeutung verlieren könnte. Wenn Zentralbanken heute die Inflation nachverfolgen möchten oder bestimmte Geldmengenziele anstreben, spielen sie in diesem Prozess aktuell eine viel direktere Rolle, als es in Zukunft der Fall sein könnte.
Daher wollen die G7-Staaten sicherstellen, dass sie ihre Währungssouveränität behalten. Die Schwellenländer hingegen machen sich Sorgen um die finanzielle Inklusion. Sie wollen erreichen, dass ihre Bürger formell in das Finanzsystem und nicht in ein Schattenbanksystem einbezogen werden.
Es gibt auch einige andere Rechtsordnungen und Zentralbanken, die sich mehr für die Erhebung von Daten und im Wesentlichen eine bessere Datenqualität für zukünftige Analysen interessieren.
Matthias Jüttner: Wenn wir über CBDCs sprechen, müssen wir zwischen Retail- und Wholesale-CBDCs unterscheiden. Viele Zentralbanken experimentieren mit Retail-CBDCs, die allen zur Verfügung stehen würden. Es wären im Wesentlichen tokenisierte Banknoten.
Im Gegensatz dazu würden Wholesale-CBDCs einer tokenisierten Form von Sichteinlagen entsprechen, die von Finanzinstituten bei der Zentralbank gehalten werden. Viele regulierte Finanzinstitute haben bereits Zugang zu elektronischem Zentralbankgeld in Form von Sichteinlagen.
Auf welche Herausforderungen ist die Schweizerische Nationalbank beim Experimentieren mit CBDCs gestossen?
Matthias Jüttner: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, tokenisierte Vermögenswerte in Zentralbankgeld zu begleichen. Eine Option sind Wholesale-CBDCs. Mit Wholesale-CBDCs schaffen Sie tokenisiertes Geld, das potenziell an eine externe Finanzmarktinfrastruktur weitergegeben und dort zur Abwicklung von Transaktionen mit tokenisierten Vermögenswerten verwendet wird.
Das unterscheidet sich von dem, was wir derzeit tun. Heute fungieren wir als Account Manager und stellen Banken Zentralbankgeld zur Verfügung, das sie im Real-Time Gross Settlement System (RTGS) verwenden, welches wir steuern. Für den Umgang mit CBDCs benötigen wir Anforderungen für die Übertragung von Kompetenzen an eine neue Infrastruktur – und möglicherweise wird es mehrere verschiedene Infrastrukturen geben.
Bevor wir dies tun, sind daher viele politische Fragen zu klären, etwa zu Kontrollmöglichkeiten oder Zugang.
Auf welche Art von Projekten hat sich die Credit Suisse konzentriert?
Previn Singh: Unter anderem haben wir gemeinsam mit der SNB und der SIX Digital Exchange (SDX) mit CBDCs im Schweizer Heimmarkt gearbeitet. Wir haben digitale Vermögenswerte und Schweizer Franken tokenisiert und eine «atomisierte» Abwicklung nach dem Prinzip Lieferung gegen Zahlung durchgeführt.
Das bedeutet, dass wir digitale Vermögenswerte und digitales Geld auf der Blockchain haben und beides in Echtzeit tauschen, wobei alles auf einer Blockchain aufgezeichnet wird. Wir haben dieses Projekt dann weiterentwickelt und im Wesentlichen Schweizer Franken und Euro als CBDCs tokenisiert.
Das war komplex, da es grenzüberschreitend in Zusammenarbeit mit der Banque de France (BdF) geschah. Aus diesen beiden Beispielen haben wir sehr viel gelernt. In beiden Fällen hat sich die Technologie wie vorhergesagt verhalten. Der Grossteil der Arbeit bestand darin, die Funktionsfähigkeit über verschiedene Rechtsordnungen hinweg sicherzustellen.
Es zeigte sich, dass ein gemeinsames Regelwerk mit den Ländern der Eurozone sehr hilfreich wäre.
Diese verschiedenen Projekte scheinen die Machbarkeit von CBDCs bewiesen zu haben. Welche Hürden bleiben?
Martin Walder: Das Wichtigste ist, genau zu wissen, welche Art von CBDCs und welche Akteure teilnehmen können sollen. Bei einer Beschränkung auf das Inland sollte es recht einfach sein, jetzt Prozesse zu etablieren und CBDCs in bestehende Lösungen zu integrieren.
Wir benötigen wahrscheinlich nicht einmal neue Standards. Für eine grenzüberschreitende Nutzung müssen wir die bestehenden Standards anpassen, damit das Ganze effizient funktioniert. Wenn Sie Retail-CBDCs einbeziehen wollen, besteht die grösste Schwierigkeit darin, die erforderlichen Daten zu integrieren, die in der Regel Teil einer Zahlung sind.
Previn Singh: Es ist nie ein Technologieproblem, sondern eine Frage der Zusammenarbeit. Wenn wir nicht zusammenarbeiten, besteht das Risiko, dass wir es am Ende mit verschiedenen geopolitischen Blöcken von CBDCs, unterschiedlichen Regelwerken und Standards und einer global fragmentierten Liquidität zu tun haben.
Dies würde den Inflationsdruck erhöhen, was sich möglicherweise negativ auf die Wirtschaft auswirken könnte.
Wer ist die wichtigste Innovationstreiber bei der Entwicklung von CBDCs und der entsprechenden Infrastruktur?
Martin Walder: Wir alle. Es handelt sich um eine vom Markt getriebene Innovation. Es macht Sinn, wenn man wirklich einen Anwendungsfall für die neue Technologie hat. Wir führen beispielsweise viele Gespräche über die Transformation von SWIFT und Deckungszahlungen.
Heute ist es wirklich kompliziert. Vielleicht könnte eine CBDC länderübergreifend funktionieren und dabei helfen, die Dinge weniger komplex zu machen. Letztendlich benötigen Sie keine Deckungszahlungen mehr. Das wäre ein sehr konkretes Anwendungsbeispiel für eine CBDC mit viel Potenzial.
Ist digitales Zentralbankgeld insgesamt betrachtet eher eine Bedrohung oder eine Chance für das Korrespondenzbankgeschäft?
Previn Singh: Es ist eine Chance, aber es gibt einige Risiken, die wir dabei in den Griff bekommen müssen. Die Bank of England hat modelliert, was passiert, wenn bestimmte Teile unserer Geschäftsbankeinlagen in Retail-CBDCs umgeschichtet werden.
Unsere Kapitalkosten würden steigen. Wenn beispielsweise 20 Prozent der Geschäftsbankeinlagen in Retail-CBDCs umgeschichtet würden, würde unser Finanzierungssatz um rund 20 Basispunkte steigen, was eine recht hohe Zahl ist. Das sollten wir im Auge behalten.
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