Das richtige Timing zu finden, war bei Private Equity schon immer schwierig. In der Vergangenheit seien manchmal sehr gute «Jahrgänge» genau dann zustande gekommen, wenn es an den traditionellen Finanzmärkten turbulent zu- und herging, stellt Oyvin Furustol, Senior Investment Advisor bei der LGT, im Interview fest.


Herr Furustol, mit der Straffung der Geldpolitik durch die Zentralbanken wird die Kreditaufnahme teurer. Ist das ein Problem für die Private-Equity-Branche, die stark auf die Finanzierung von Geschäften angewiesen ist?

Die Private-Equity-Branche, wie wir sie heute kennen, ist noch recht jung – sie ist erst in den letzten 40 Jahren entstanden. Da es vorwiegend Zeiten mit sinkender Inflation waren, ist es sehr schwierig, aus der Vergangenheit Schlüsse für die aktuelle Situation zu ziehen.

Allerdings generieren gute Private-Equity-Manager einen Grossteil des Mehrwerts aus operativen Verbesserungen. Faktoren wie Fremdfinanzierung und Ausweitung der Bewertungs-Multiplikatoren, die durch Inflation und steigende Zinsen betroffen sind, machen in den Private-Equity-Renditen einen geringen Anteil aus.

Wie sehen die Bewertungen von Private Equity in volatilen Märkten im Vergleich zu den börsennotierten Aktien aus?

Die Schwankungen des ersten halben Jahres haben sich auf die Bewertungen von Private-Equity-Investments nicht so stark ausgewirkt, wie auf die traditionellen Aktienmärkte. Ich will damit nicht sagen, dass Private Equity immun ist gegen die Marktschwankungen: Tiefere Bewertungen von Private-Equity-Fonds sind in den nächsten Quartalen durchaus denkbar.

Wo könnten wir tiefere Bewertungen sehen?

Wahrscheinlich ist der Venture-Bereich eher betroffen, da Investitions-Verlängerungen unter dem geringerem Risikoappetit leiden. Buyouts sind weniger betroffen, da diese grösstenteils von der Rentabilität der Unternehmen abhängen.

Was bedeutet das für die Anleger?

Wenn die Bewertungen sinken, können Private-Equity-Manager zu tieferen Multiplikatoren investieren. Sollte sich die Marktsituation weiter verschlechtern, kann ich mir ausserdem sehr gut vorstellen, dass sich spannende Investment-Möglichkeiten bieten und Manager Beteiligungen im Sekundärmarkt mit Abschlägen zum Nettoinventarwert kaufen können.

Das ist für Private-Equity-Investoren von Vorteil. Allerdings könnte dies auch auf Kosten längerer Investitionszeiträume und einer verzögerten Realisierung der Erträge gehen.

In welchen Sektoren ist Private Equity weniger anfällig für die derzeitige Volatilität?

Private-Equity-Anlagen konzentrieren sich in der Regel auf Sektoren wie Informationstechnologie, Gesundheitswesen oder Finanzdienstleistungen. Diese Sektoren sind weniger abhängig von Konjunkturzyklen oder Schwankungen der Rohstoffpreise.

Ausserdem sind Unternehmen, die sich in Private-Equity-Besitz befinden, in der Regel aktiver gemanagt, verfolgen einen langfristigeren Ansatz und sind weniger auf kurzfristige Gewinne aus – was in der aktuellen Marktsituation hilfreich ist.

Sollten Privatanleger nicht einfach abwarten, bis sich die Wogen wieder glätten?

Das richtige Timing zu finden, war bei Private Equity schon immer schwierig bis unmöglich! In der Vergangenheit sind manchmal sehr gute «Jahrgänge» genau dann zustande gekommen, wenn es an den traditionellen Finanzmärkten turbulent zuging.

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Europäische Buyout-Fonds haben im Schnitt eine deutlich bessere Performance, wenn sie aus Jahrgängen stammen, in denen die traditionellen Aktien stärkere Einbrüche verzeichneten. Zudem gilt: auch wenn ein Anleger heute in einen Private-Equity-Fond einsteigt, wird das Kapital erst im Verlauf der nächsten zwei bis fünf Jahre abgerufen und investiert.

Sehen Sie eine Veränderung in der Nachfrage oder im Verhalten der Privatkunden?

Einige Kundinnen und Kunden sind gespannt, wie sich die derzeitige Volatilität auswirken wird. Aber wir sehen weiterhin eine starke Nachfrage nach Private-Equity-Anlagen. Die meisten Privatanleger sind in dieser Anlageklasse unterinvestiert, obwohl wir in letzter Zeit eine steigende Nachfrage nach Direktstrategien mit Schwerpunkt auf Impact und Secondaries beobachten.

Wie viel Private Equity sollten Anleger in ihrem Portfolio haben?

Das ist sehr individuell und hängt von Faktoren wie dem Risikoprofil der Kundin oder des Kunden und dem Liquiditätsbedarf während des Anlagezyklus ab. Für vermögende Privatanleger mit einer langfristigen Perspektive kann dieser Anteil durchaus signifikant sein.

Unser wichtigstes Multi-Asset-Portfolio, die Fürstliche Strategie, hat eine strategische Private-Equity-Gewichtung von 22 Prozent.

Wenn Anleger nicht ganz so weit gehen möchten, wie können sie investieren und gleichzeitig ihr Risiko minimieren?

Es ist wichtig, selektiv vorzugehen, einen langfristigen Ansatz zu verfolgen und das Engagement auf verschiedene Private-Equity-Jahrgänge, -Strategien, -Stile und -Regionen zu verteilen. Der Schlüssel liegt im Aufbau eines widerstandsfähigen Portfolios innerhalb einer risikoreichen Anlageklasse.


Oyvin Furustol ist seit 2015 für die LGT tätig und für den Vertrieb von Privatmarktanlagen zuständig. Nach seinem Studium an der Universität Fribourg arbeitete er als Ökonom für die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich und anschliessend für eine Schweizer Grossbank in verschiedenen Positionen im Anlagebereich. In dieser Zeit absolvierte er auch die Ausbildung zum Chartered Financial Analyst (CFA).